Eltern in Teilzeitjobs:Die Politik treibt Frauen in die B-Job-Falle

Eltern in Teilzeitjobs: Das Dilemma verursachen auch alle Männer mit, die Kinderbetreuung ihren Partnerinnen überlassen (Symbolbild).

Das Dilemma verursachen auch alle Männer mit, die Kinderbetreuung ihren Partnerinnen überlassen (Symbolbild).

(Foto: Benjamin Manley/Unsplash)

Immerhin: Die Regierung hat es 2018 ein bisschen einfacher gemacht, Kinder und Beruf zu vereinbaren. Aber es muss sich noch viel mehr tun - und auch die Männer müssen sich ändern.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Morgens vor der Arbeit schnell die Kinder anziehen und zur Kita bringen. Dann bei der Arbeit Gas geben, um sie rechtzeitig abzuholen und nach Hause zu bringen - wo die Hausarbeit wartet. Ja, Eltern mit zwei Jobs steuern leicht auf die Erschöpfung zu. Will das einer (meist die Mutter) durch Teilzeit verhindern, wird er (sie) beruflich wie finanziell abgehängt. Burn-out oder B-Job: Vor diesem Dilemma stehen immer mehr Paare. Der Politik war das lange egal. Aber vielleicht wird man irgendwann sagen, dass das Jahr 2018 die Wende markierte.

Diese Hoffnung gründet etwa darauf, dass die IG Metall die B-Job-Falle angegangen ist. Die Gewerkschaft boxte in der Tarifrunde durch, dass ihre Millionen Mitglieder vorübergehend weniger arbeiten dürfen - und dann in Vollzeit zurückkehren. Das erlaubt, zeitweise wegen der Kinder kürzerzutreten, ohne sich von einer Karriere zu verabschieden. Das Gleiche ermöglicht der Rückkehranspruch in Vollzeit, den die SPD in der Regierung durchsetzte. Und dann ließ die Regierung noch kurz vor Weihnachten Milliarden für die Kita-Einrichtungen springen. Alles zusammen sieht wie eine Wende aus.

Andererseits: Hoffnung verkommt zur Illusion, blendet man die Schwächen der aktuellen Projekte aus. Auf das Modell der IG Metall lassen sich nur wenige Beschäftigte ein, weil es eine Männerbranche betrifft. Der eigentliche Erfolg liegt daher mehr in seiner Signalwirkung - aber nur, wenn Tarifabschlüsse in Branchen mit mehr Frauen folgen. Unvollkommen wirkt auch das Rückkehrrecht der Regierung: Auf Wunsch der Wirtschaft wurde es von der Union so durchlöchert, dass die Hälfte der Arbeitnehmerinnen keinen Anspruch darauf hat. Und falls die Bundesländer die Kita-Milliarden nur nutzen, um Gebühren abzuschaffen, die sich Mittelklasse-Eltern eigentlich leisten können - dann fließt kein Geld in mehr Personal, also mehr Qualität.

Damit es wirklich zu einer Wende für arbeitende Eltern kommt, muss also noch viel passieren. In Deutschland üben heute zwar oft beide Elternteile einen Beruf aus, aber zwei Drittel der Einkommen kassieren die Männer. Frauen stecken öfter als in anderen Industriestaaten in B-Jobs unter 20 Stunden die Woche fest. Im Alter bekommen sie durchschnittlich halb so viel Rente. Wer angesichts solcher Perspektiven auf Kinder verzichtet, bereut es vielleicht später - und schwächt die Sozialsysteme einer alternden Bevölkerung.

Die Gesellschaft tut sich einen Gefallen, wenn sie Eltern nicht vor die Entscheidung Kinder oder Beruf stellt. Flexibel zwischen Teil- und Vollzeit wechseln zu können, ist ein guter Anfang, genau wie Milliarden für die Kitas. Aber es braucht noch mehr. Eltern fällt es trotz aller Ausbaugesetze nach wie vor schwer, genug Betreuung zu finden, weil die Politik immer noch zu wenig investiert. Dem zweiten Elternteil, der in den Beruf zurückkehren möchte, werden so viel Steuern und Abgaben vom Gehalt abgezogen wie in fast keinem anderen Industrieland. Schuld daran ist das steuerliche Ehegattensplitting, das nach wie vor die Frau-am-Herd-Ehe der 1950er-Jahre privilegiert.

Das muss sich endlich ändern. Warum Männern und Frauen nicht einen Teil des Lohnausfalls ersetzen, wenn sie beide vorübergehend weniger arbeiten? Die Union hält diesen SPD-Plan für feministischen Schnickschnack - und ignoriert so die schwierige Lage von Familien. Eltern müssen sich dagegen wehren und die Parteien mehr unter Druck setzen. Wer die Parteiprogramme studiert, kann die markanten Unterschiede erkennen.

Firmen müssen Eltern flexiblere Arbeitsmodelle anbieten

Wer ehrlich ist, wird die Verantwortung für das Thema aber nicht nur der Politik zuschieben. Auch Firmen müssen es ihren Mitarbeitern leichter machen, Kinder und Karriere zu verbinden. Zwar sind viele Unternehmen flexibler geworden. Doch es gibt noch immer Personalchefs, die schwangere Mitarbeiterinnen ausgrenzen, anstatt sie wie eine wertvolle Fachkraft zu behandeln - und das, obwohl sie deren Mangel ständig beklagen.

Burn-out oder B-Job: Dieses Dilemma verursachen auch alle Männer mit, die Kinderbetreuung und Hausarbeit ihren Partnerinnen überlassen. Auch 2018 haben es sich viele Väter sehr einfach gemacht. Nein, sie könnten den Nachwuchs an keinem Nachmittag abholen, weil ihr Job so viel wichtiger sei als der ihrer Frau, so lautet all zu oft die Standardausrede. Auch das ist beschämend und falsch.

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Beate Sander

SZ PlusReden wir über Geld mit Beate Sander
:"Die Deutschen sind ein Volk von Angsthasen"

Beate Sander begann mit 59 Jahren in Aktien zu investieren - und brachte es bis zur Millionärin. Als sie 2018 mit der SZ über ihr Leben sprach, war sie bereits schwer erkrankt. Mit 82 Jahren ist Sander gestorben.

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