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Gerichtsprozess um Nachrichten-Plattform:Musk wirft Twitter Beweisvernichtung vor

Eigentlich hatte die Richterin das Verfahren um die Übernahme des Kurznachrichtendienstes bereits gestoppt. Nun aber fordern die Anwälte des Milliardärs, Twitter gerichtlich zu belangen, weil der damalige Sicherheitschef Notizen und Daten auf Geheiß der Führungsriege vernichtet haben soll.

Elon Musk behauptet, dass Verantwortliche von Twitter einem Whistleblower befohlen hätten, Beweise für ihre Fehltritte zu vernichten. Peiter Zatko, der ehemalige Sicherheitschef des Kurznachrichtendiensts, habe kürzlich erklärt, er habe zehn Notizbücher und 100 Computerdateien auf Geheiß von Unternehmensmanagern gelöscht, und zwar im Rahmen einer Abfindungsvereinbarung. Die Bücher hätten Notizen über Treffen mit Unternehmensvertretern während seiner einjährigen Amtszeit als Sicherheitschef enthalten. Das gehe aus Gerichtsunterlagen hervor, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg.

Die Vorwürfe stehen in Zusammenhang mit Musks Aussage, dass Twitter ihn über eine Reihe von betrieblichen Problemen bei der Nachrichten-Plattform getäuscht habe - womit er seinen Rücktritt von der 44 Milliarden Dollar schweren Übernahme rechtfertigt. Der Milliardär änderte dann vergangene Woche jedoch seinen Kurs und stimmte zu, das Unternehmen zum ursprünglich vereinbarten Preis von 54,20 Dollar pro Aktie zu kaufen. "Twitters Versuch, das Schweigen von Herrn Zatko zu erkaufen, ist gescheitert, aber Twitter hat sein sekundäres Ziel erreicht, nämlich sicherzustellen, dass die bestätigenden Beweise von Herrn Zatko niemals ans Licht kommen", erklärten Musks Anwälte in einem Schriftsatz zur Klage, die darauf abzielt, Musk zu zwingen, das Geschäft zu vollziehen. Twitter reagierte bislang nicht auf Musks Vorwürfe.

Die Chefrichterin am Gericht im US-Bundesstaat Delaware, Kathaleen McCormick, hat den Fall vergangene Woche auf Eis gelegt und Musk und Twitter eine Frist bis zum 28. Oktober gesetzt, um das Geschäft abzuschließen. Die Anwälte von Musk fordern McCormick nun jedoch auf, die Anwälte von Twitter gerichtlich zu belangen, weil sie die Vernichtung potenzieller Beweise angeordnet hätten.

Twitters laxer Umgang mit der Computersicherheit gefährde die nationale Sicherheit der USA, sagt Zatko

Zatko wiederum hatte im vergangenen Monat in Washington für Aufsehen gesorgt, als er vor dem Justizausschuss des Senats aussagte, dass Twitters laxer Umgang mit der Computersicherheit die nationale Sicherheit der USA gefährde. Twitter hat Zatko nach eigenen Angaben im Januar wegen schlechter Leistungen entlassen und behauptet, er habe "eine falsche Darstellung über Twitter und unsere Datenschutz- und Datensicherheitspraktiken gegeben, die von Ungereimtheiten und Ungenauigkeiten durchsetzt ist und wichtige Zusammenhänge vermissen lässt". Zatko wiederum behauptet, er habe Twitter-CEO Parag Agrawal vor ernsten Computersicherheitsproblemen und Datenschutzbedenken im Zusammenhang mit dem Betrieb der Social-Media-Plattform gewarnt. Er sagte zudem, Twitter-Verantwortliche hätten wenig Interesse gezeigt, der Frage nachzugehen, wie viele Spam- und Roboterkonten unter den mehr als 230 Millionen Nutzern des Unternehmens zu finden seien.

Musks Anwälte beschuldigen nun die beiden Top-Anwälte von Twitter, Vijaya Gadde und Sean Edgett, sowie den Chief Privacy Officer Damien Kieran, gemeinsam mit Agrawal versucht zu haben, Verstöße zu vertuschen, indem sie Zatko anwiesen, seine Dokumente zu vernichten. Die Anordnung zur Vernichtung von Dokumenten beraubte Musks Anwaltsteam der "entscheidenden Beweise für die Behauptungen von Herrn Zatko, die seine Darstellung wichtiger Treffen und Gespräche, die für diesen Fall relevant sind, stützen würden", heißt es in der Akte.

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