Elektromobilität:Ganz leise, ganz grün

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Günther Schuh (links) und VW-Chef Herbert Diess kennen sich seit 30 Jahren. Der Elektro-Buggy sollte ein gemeinsames Projekt werden, doch das liegt vorerst auf Eis. (Foto: Chris J. Ratcliffe/Bloomberg)

Die Autobranche verändert sich rasant, das zeigt auch der Autosalon in Genf. Daimler und Volkswagen verzichten auf große Shows. Und Wolfgang Porsche warnt die Belegschaft.

Von Max Hägler und Christina Müller, Genf

Was Herbert Diess da arrangiert hat, ist doch ein kleiner Coup. Ein paar Minuten hat der Volkswagen-Chef an diesem Abend frei gesprochen von den Herausforderungen der Automobilbranche, bevor hier auf der Genfer Messe der Autosalon beginnt. Davon, dass sich auch sein Konzern dazu bekenne, den Temperaturanstieg der Welt auf höchstens zwei Grad Celsius zu halten. Was man eben so sagt, wenn zunehmend schärfere Abgasregeln die Abkehr vom Verbrennungsmotor fordern. Hinter ihm steht ein knuffiger Strandbuggy. Die flexible Plattform unter der Haube, das ist Diess' Botschaft, können auch andere Hersteller nutzen - das schafft zwar Konkurrenz, spart aber Kosten.

Und dann holt er seinen ersten Partner auf die Bühne, und das ist eben der kleine Coup: Günther Schuh. Dieser Professor aus Aachen, der einer der größten Kritiker der Großkonzerne ist und der mit seiner Firma E-Go Mobile die kleinen Elektrolieferwagen für die Post baut und auch kleine Stadtflitzer - alles zu verhältnismäßig niedrigen Kosten. Der mächtige VW-Chef und der Revolutionär von der Hochschule, das ist das Gegenprogramm zu bisherigen Autoshows, wo es um PS ging, untermalt von lauter Musik. Der bei VW beliebte Schlagersänger Leslie Mandoki, er steht in diesem Jahr recht verloren da; der Bart ist zwar immer noch gewaltig, seine Dienste sind aber nicht mehr so gefragt.

Stattdessen steht da eben der schlaksige Wissenschaftler Schuh, der selbstbewusst erklärt, er habe Ahnung von guter Produktion und dann über den Buggy-Kotflügel streichelt. Er wolle, dass Elektromobilität für alle finanzierbar werde, sagt er. Und dass er sich deshalb gefreut habe, dass Diess ihn angerufen habe vor einem Jahr und einen Austausch vorgeschlagen habe: VW-Teile bekommt E-Go Mobile nun.

Im Gegenzug will er Volkswagen zu mehr "Speed" verhelfen. Lieber kleckern als klotzen, das gilt diesmal auch bei Daimler. Eine "Silent Presentation" hat der Stuttgarter Autobauer als Vorabendformat des Salons gewählt, ein paar Kilometer weiter. Das Publikum bekommt den Wortlaut über Kopfhörer synchron aufs Ohr, ohne Großlautsprecher, ohne großes Tamtam. Zwei neue Modelle stehen beinahe schüchtern hinter einer Wand. Ola Källenius spricht, noch Technikchef bei Daimler, in einigen Wochen aller Voraussicht nach Vorstandsvorsitzender. Ruhig, sachlich, vielleicht auch ein bisschen emotionslos zählt er die wichtigsten Bausteine auf, mit denen Daimler in Zukunft die schärferen Kohlendioxid-Grenzwerte einhalten will, die gleichbedeutend sind mit Verbrauchsobergrenzen: Wer zu viel verbraucht, muss Strafe zahlen. Källenius' Rezept: Überall Elektro reinpacken, wo es nur geht. Kleine und größere Elektromotoren sollen bald in allen Autos die Verbrennermotoren unterstützen, dazu immer mehr reine Elektroautos. Dieter Zetsche, der scheidende Chef, ist auch da. Ganz am Rand des schlichten Raumes sitzt er auf einem Hocker und lauscht seinem Kollegen über Kopfhörer, er ist nicht mehr Showmaster wie früher noch. Weil er ja bald abtritt. Und wohl auch, weil die Herausforderungen so groß sind, dass die ganz große Show nicht angebracht ist.

"Die größten und schnellsten Umbrüche, die ich in meinem Berufsleben erfahren habe."

Volkswagen scheint die Elektromobilität vergleichsweise gut im Griff zu haben, geht sie zumindest nach langem Zögern mit größtem Nachdruck an. Aber in anderen Bereichen tut sich der Konzern schwer mit seinen zwölf Marken von Audi über Ducati bis Scania und VW. Finanzchef Frank Witter verwaltet die 200 Milliarden Euro Jahresumsatz. Und gibt zu bedenken, dass selbst diese Größe nicht reicht, um alles zu schaffen. Beim automatisierten Fahren hat sich der Wunschpartner BMW gegen eine Zusammenarbeit mit VW entschieden, tut sich nun mit Daimler zusammen. "Jeder trifft seine Entscheidungen", sagt Witter. Und jetzt? Von Partnersuche und einer Situation wie in einer Ehe spricht Witter. Die Enttäuschung ist spürbar.

Wolfgang Porsche, der Sprecher der beiden VW-Eigentümerfamilien, hat einen Platz in der Mitte der Halle gewählt um seine Botschaften loszuwerden - und eine Diagnose: "Das sind die größten und schnellsten Umbrüche, die ich in meinem Berufsleben erfahren habe." Es verändere sich wahnsinnig viel, aber es sei "noch nicht klar, was rauskommt". Er ist nicht ganz so überzeugt von den Stromautos wie seine Manager. Entscheidend sei, was die Kunden wollten, sagt er. Und das gelte auch für den Taycan, diesen Elektroporsche. 20 000 Vorbestellungen gibt es für den Wagen. Aber dann, folge noch mehr? "Ich bin nicht sicher, ob Elektrifizierung das letzte Wort ist." Der Herr Porsche ist jetzt umringt von Festgästen.

Doch das Problem sei: Volkswagen könne gar nicht schnell genug reagieren. Da würden Arbeitsplatzgarantien bis 2028 gegeben, dabei wisse man nicht, ob nicht in zwei Jahren eine bedrohliche Konkurrenz aus China komme, sagt Porsche. Es ist Kritik an den Betriebsräten, die der Aufsichtsrat bewusst streut. Sie sind ihm zu mächtig. Von schwerfälligen Strukturen spricht Porsche, das schwierigste sei das Netzwerk in Wolfsburg. Die Mitarbeiter müssten sich deshalb im Klaren sein: "Wir sind eben kein Paradies, keine Sozialagentur."

Und was nun? Schneller und schlanker müsse die Konzernzentrale werden. Auch die Marken, allen voran Audi, hätten Speck angesetzt und müssten effizienter werden. Wie hatte Bühnengast Schuh gesagt? "Speed", Geschwindigkeit, wolle er VW einimpfen. Zumindest das wird Porsche gefallen, auch wenn ihm der Professor wohl sonst zu viel auf Elektroautos setzt.

© SZ vom 06.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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