Elektromobilität:Zukunft der Elektroautos - das große Feilschen beginnt

Elektroauto wird geladen

Zukunft des Elektroautos: Ein Wagen der Marke Mercedes an einer E-Tankstelle (Archiv)

(Foto: dpa)
  • Am Dienstag sprechen Kanzlerin Merkel und Vertreter der Autoindustrie über die Zukunft der E-Mobilität. Regierungsintern umstritten sind Kaufprämien für Elektroautos.
  • Deutsche Hersteller erkennen nun, dass Batterie-Knowhow entscheidend sein wird - und denken deshalb über Kooperationen nach.

Von Thomas Fromm, Ingolstadt

Wenn Peter Mosch durch die Ingolstädter Fabriken seines Arbeitgebers läuft, dann sieht er ein Werk, dass sich in vielen Jahren nicht grundlegend verändert hat. Denn Audi, der Hersteller von Premiumautos, hat zwar im Laufe der Jahre und Jahrzehnte seine Modelle gewechselt, aber nicht die Antriebsart. Jahrzehntelang Benzin, jahrzehntelang Diesel. Was sollte sich da schon groß verändern? Die Dinge werden in den nächsten Jahren nicht so bleiben, wie sie sind, und Mosch weiß das.

Deshalb arbeiten der Audi-Betriebsratschef und seine Kollegen gerade an einem Plan, er heißt "Vision 2030". Es geht um diese Fragen: Wie wird es in den Werken in ein paar Jahren aussehen, welche Autos werden gebaut? Und vor allem: Welche Menschen werden dann überhaupt gebraucht? "Ich sehe bei den Beschäftigten große Ängste, deswegen müssen wir die Veränderungen der zukünftigen Produktion bereits heute erkennen", sagt Mosch der Süddeutschen Zeitung. "Wir müssen unseren Kollegen auch sagen: Ja, es werden Beschäftigungsfelder wegfallen, aber dafür auch wieder neue geschaffen. Es muss klar sein: Keiner, der heute bei Audi beginnt, wird in 40 Jahren noch den gleichen Job machen."

Die Kanzlerin lädt zum Autogipfel der besonderen Art

Auch deshalb schaut Mosch an diesem Dienstag nach Berlin, wo Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Vertreter der Industrie zu einem Autogipfel der besonderen Art lädt. Die Frage ist: Wie soll das eigentlich gehen, wie soll die Industrie den Wandel hin zur Elektromobilität schaffen, wenn kaum Elektroautos verkauft werden und das Benzin immer billiger wird? Im vergangenen Jahr waren gerade mal 12 363 Elektroautos neu zugelassen worden. Dem standen über drei Millionen Benziner gegenüber. Elektromobilität als Rohrkrepierer, jetzt, wo Öl immer billiger wird?

Es sieht so aus, als würden nun Tabus fallen: Mehr als sechs Jahre nach der Abwrackprämie, mit der Berlin die Autoindustrie aus ihrem Konjunkturtief zog, dürften schon bald wieder Staatsgelder in den Auto-Markt gepumpt werden. "Wenn wir Produktion und Innovation hierhalten wollen, dann brauchen wir auch einen Markt dafür", sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), auch Aufsichtsrat bei VW. Bis zu 5000 Euro, so der Plan, könnten pro Elektroauto gezahlt werden.

Immer mehr Politiker für Kaufprämien

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ist dafür, SPD-Chef Sigmar Gabriel (SPD) auch, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ziert sich noch. Die Grünen begrüßen den Plan im Grundsatz. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace aber kritisiert Kaufprämien und will mit dem Geld lieber die öffentliche Busflotte auf elektrische Antriebe umrüsten. Auch ein Fonds ist im Gespräch, an dem sich die Industrie beteiligen soll. "Ohne Kaufprämien wird es nicht gehen", sagt Audi-Mann Mosch. Er findet es richtig, dass sich die Industrie beteiligt. Und: "Den überwiegenden Teil einer Prämie sollte der Staat übernehmen und die Hersteller sollten einen kleinen Anreiz mit drauflegen."

Die Kernfrage ist: Wie groß ist so ein "kleiner Anreiz"? 1000 Euro, 2000 Euro? Das große Feilschen ist eröffnet.

Es geht um die Zukunft einer ganzen Industrie

Elektromobilität: Audi-Betriebsratschef Peter Mosch weiß, dass auf Audi ein hartes Jahr zukommt. Er sagt: „In der Vergangenheit sind viele schwere Fehler gemacht worden, aus denen das Unternehmen lernen muss.“

Audi-Betriebsratschef Peter Mosch weiß, dass auf Audi ein hartes Jahr zukommt. Er sagt: „In der Vergangenheit sind viele schwere Fehler gemacht worden, aus denen das Unternehmen lernen muss.“

(Foto: oh)

Schon vor Jahren hatte die Bundesregierung ihr Ziel verkündet, bis 2020 eine Million Elektroautos auf die deutschen Straßen zu bringen. Geredet wurde viel, passiert ist wenig. Elektroautos: wegen der kostspieligen Batterien zu teuer. Ihre Motoren: eine zu geringe Reichweite. Die Infrastruktur: mangelhaft. Und das Öl: zu billig, um umzusatteln.

Doch nun, vier Jahre vor dem Stichtag 2020, ist das Thema ganz nach oben auf die Agenda gerutscht. Denn im Grunde geht es nicht nur um die eine Million E-Autos. Es geht um die Zukunft einer ganzen Industrie und ihrer Tausenden Arbeitsplätze. Bei solchen Debatten braucht es dann erst den richtigen Moment, um die Dinge ins Rollen zu bringen. In diesem Fall war es Wirtschaftsminister Gabriel (SPD), der im vergangenen Herbst von einem Gespräch mit Tesla-Chef Elon Musk schwärmte. Der Elektroautopionier aus Kalifornien habe ihm gesagt, dass er sich sehr für eine Batterieproduktion in Europa interessiere und Deutschland gewiss ein interessantester Standorte sei. Er habe Musk dann gesagt, er solle Bescheid sagen, wenn es so weit ist. Und, ja, natürlich gebe es auch Fördermöglichkeiten für solche Projekte. Auch für Musk.

Fördermöglichkeiten? Für den Milliardär aus dem Silicon Valley? Muss nicht sein. Das kann man auch selber erledigen.

Gemeinsame Batterie-Zellfertigung im Gespräch

Die Betriebsratschefs von Daimler und Volkswagen sprachen sich für eine gemeinsame Zellfertigung der deutschen Autohersteller für E-Auto-Batterien aus. Auch VW-Markenchef Herbert Diess hält eine gemeinsame Batteriezellen-Produktion in Deutschland jetzt für angebracht. "Wenn wir nicht in der Lage sind, uns bei Batteriezellen auf den Weg zu machen, dann wird uns das morgen oder übermorgen gewaltig leidtun", sagt Audi-Betriebsratschef Peter Mosch. Und er warnt: "Die Kompetenz für die Batteriezellen liegt heute in Asien. Wer aber diese Batteriezellen liefert, sitzt irgendwann am längeren Hebel."

Die Folge: Die alten Autobauer könnten irgendwann in eine Abhängigkeit geraten und Gefahr laufen, zu "reinen Karosseriebauern" zu verkommen, so der Audi-Betriebsrat. Daher müssten Deutschlands Autobauer das Herzstück der Elektroauto-Zukunft in einem "eigenen Verbund" produzieren. Mehr noch: "Das kann auch den Anstoß zu einem europäischen Gedanken geben, dass sich letztendlich alle europäischen Autohersteller an einen Tisch setzen und überlegen, wie sie gemeinsam Batteriezellen herstellen können." Als "zentrale Koordinierungsstelle" für eine solche Produktion könnte unter anderem der europäische Automobilverband Acea fungieren, sagt Mosch. "Warum soll man hier nicht so ein Thema spielen?" Batteriezellen, Made in Europe, von so unterschiedlichen Unternehmen wie BMW, VW, Fiat und Renault? Vieles ist denkbar.

Die Zeiten ändern sich: Früher war es in der Branche schon das Höchste der Gefühle, wenn man gemeinsam Standardkomponenten wie Gurtstraffer oder Teile für Scheibenwischer einkaufte. Es galt als großes Tabu, enger zusammenzuarbeiten, schon gar nicht bei Autoteilen, die für den Kunden sichtbar sind. Im vergangenen Jahr haben Audi, BMW und Daimler dann für 2,8 Milliarden Euro gemeinsam den Karten- und Navigationsdienst Here von Nokia gekauft. Here baut die Schlüsseltechnologie für Assistenzsysteme und das autonome Fahren der Zukunft. Wenn es sein muss, lässt man die alte Gurtstraffer-Welt also hinter sich.

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