Süddeutsche Zeitung

Elektromobilität:Der kurze Weg vom Staubsauger zum Elektroauto

  • Der Gründer des britischen Dyson-Konzerns investiert 2,3 Milliarden Euro in die Entwicklung eines Elektroautos.
  • Ihm kommt zupass, dass Elektroautos weit einfacher zu bauen sind als herkömmliche Wagen.
  • Schon die Haushaltsgeräte der Firma werden von selbst entwickelten Elektromotoren betrieben - warum also nicht auch ein Auto?

Von Björn Finke, London, und Max Hägler

Am Eingang links sind Föhne zu sehen, rechts die Ventilatoren. Kunden können sie ausprobieren. Hinten an der Wand hängen schnurlose Staubsauger, vor ihnen fährt ein Saugroboter über den Boden. Im Dyson-Shop an der Oxford Street, der Einkaufshölle in London, präsentiert das britische Unternehmen seine Geräte wie in einem Design-Museum. Der Laden ist aber recht klein, weswegen der Konzern Probleme haben dürfte, dort in drei Jahren sein neuestes Produkt unterzubringen: ein Elektroauto. Die Pläne dafür stellte Firmengründer James Dyson nun vor, in den Büros über der Filiale.

Der Konzern, bekannt für beutellose Staubsauger und ohrenbetäubend laute Händetrockner, will 2020 ein Elektrofahrzeug auf den Markt bringen. Erfinder James Dyson - Sir James, seit er 2007 zum Ritter geschlagen wurde - investiert zwei Milliarden Pfund, also 2,3 Milliarden Euro, in das Projekt; mehr als 400 Ingenieure sind schon mit der Entwicklung betraut. Dyson räumt allerdings ein, dass es schwierig sein werde, mit dem Wagen Geld zu verdienen. "Der Markt ist gerammelt voll", sagt er. Aber wenn die angebotene Technologie besser sei als die der Rivalen, werde das Auto Gewinne erzielen.

Voll wird der Markt für Elektroflitzer in der Tat sein. Immer mehr Autohersteller bieten bereits Elektromodelle an, zum Beispiel BMW, Renault und Nissan. Die anderen Konzerne versprechen, bald nachzuziehen. Und der Angreifer Tesla aus Kalifornien baut neben seinen teuren Strom-Sportwagen nun auch Mittelklassewagen. Zudem arbeiten die US-Konzerne Apple und Google an Technologien für selbstfahrende Elektro-Autos.

Noch ist der Marktanteil der leisen, umweltfreundlichen Stromer klein, liegt in Deutschland bei den Neuzulassungen unter einem Prozent. Die Autofirmen schätzen jedoch, dass er in den kommenden Jahren rasant steigen wird, allein schon, weil Regierungen weltweit den Wechsel hin zu Elektromodellen fördern, der Luftqualität in den Städten zuliebe. Auf dem Weg in die Elektrowelt gibt es allerdings manche Hindernisse zu überwinden, etwa bei der Reichweite der Fahrzeuge. Ein Netz an Aufladestationen fehlt gleichfalls.

Milliardär James Dyson sieht die Reichweite der Batterien als größte Herausforderung an. Er setzt aber darauf, dass sein Wagen die Modelle etablierter Autokonzerne bei der Leistung des Motors und der Batterien abhängen werde. Die Haushaltsgeräte der Firma werden von selbst entwickelten Elektromotoren angetrieben - nun sollen Dyson-Antriebe ein Auto vorwärts bewegen. Der Motor für den Wagen sei bereits fertig, sagt Dyson. Zudem forscht das Unternehmen, das immer noch dem Gründer und seiner Familie gehört, seit zwei Jahrzehnten an Batterietechnik. Schließlich sind auch die schnurlosen Sauger auf gute Stromspeicher angewiesen.

Vor zwei Jahren kaufte Dyson das Start-up Sakti3, das sogenannte Festkörperbatterien entwickelt, die günstiger und besser als herkömmliche Lithium-Ionen-Speicher sein sollen. Autohersteller und Zulieferer arbeiten ebenfalls an dieser Technik. Die geplanten zwei Milliarden Pfund Investment will James Dyson zu gleichen Teilen für die Entwicklung des Autos und für die der Batterien verwenden. Die Arbeit an dem Auto begann schon 2015; Dyson warb dafür Fachleute an. So wechselten der Einkaufsleiter und Chefentwickler des englischen Sportwagenbauers Aston Martin zu Dyson. Im Aufsichtsrat der Staubsauger-Firma sitzt Ian Robertson, noch bis Jahresende Vertriebsvorstand bei BMW.

Das Auto soll unter dem Namen Dyson verkauft werden. In den kommenden Monaten muss der Konzern entscheiden, wo er die Fabrik dafür errichtet. Der 70-jährige Firmengründer lässt durchblicken, dass Staaten in Fernost gute Chancen hätten. "Die Region wird ein sehr großer Markt für uns sein", sagt er. Und die Wege vom Werk zum Kunden sollten kurz sein. Das Unternehmen mit weltweit 10 000 Beschäftigten produziert seine Haushaltsgeräte ebenfalls im fernen Osten, in Malaysia, Singapur und auf den Philippinen. In England befinden sich die Zentrale und Entwicklungsabteilungen.

Dyson sagt, der Wagen werde "nicht billig" sein, und er werde sich "radikal" von bisherigen Autos unterscheiden. Wie viele Wagen er pro Jahr fertigen will, verrät der Milliardär nicht. Er möchte aber über die Jahre mehrere Modelle auf den Markt bringen, um die "riesigen Investitionen" wieder einzuspielen. Dann würde die Sparte schnell zur wichtigsten Säule des Konzerns. Eine Partnerschaft mit etablierten Autoherstellern schließt er aus: "Wir machen solche Sachen auf unsere eigene Art."

Die Briten glauben also, ohne Unterstützung von Autofirmen bestehen zu können. Bei diesem kühnen Unterfangen hilft eine Tatsache enorm: Elektroautos sind weit einfacher zu bauen als herkömmliche Wagen. Es gibt keinen Motor, in dem Explosionen für Vortrieb sorgen; es fehlen das große Getriebe und die Nachbehandlung von Abgasen. Die Hürden für Neulinge sind niedriger. Deswegen müssen sich etablierte Hersteller nun mit Angreifern wie Tesla oder eben Dyson herumschlagen.

Auch in Großbritannien macht die Politik Druck auf Autohersteller

Zwar ist weiterhin unklar, wann die Reichweite der Batterien den Kundenansprüchen genügen und wann es ausreichend Ladesäulen geben wird. Aber die E-Auto-Hersteller profitieren von einem zunehmenden Druck der Politik, die den Schwenk von Verbrennungs- zu Elektromotoren forciert - und damit den Markt bereitet. Großbritannien verbietet von 2040 an den Verkauf von Diesel- und Benzinmodellen, und China führt bald eine Zwangsquote für den Anteil von Elektrofahrzeugen ein. Auch die EU-Kommission erwägt solch eine Quote; in einigen Wochen soll darüber entschieden werden.

In Deutschland will der Volkswagen-Konzern Vorreiter sein. Wenn Dyson seinen Wagen 2020 auf den Markt bringt, wird schon Porsches Elektrorenner Mission E herumflitzen und Volkswagens Elektro-Golf "I.D.". Bis zum Jahr 2025 will der Konzern in einem Viertel der verkauften Autos zumindest einen Hilfs-Elektromotor als Ergänzung zum Verbrenner einbauen. Die anderen deutschen Hersteller sind ein wenig zurückhaltender, sie reden eher in der Größenordnung von einem Fünftel. Bei diesem elektrischen Fünftel werden sie dann wohl mit Dyson konkurrieren.

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SZ vom 28.09.2017/vit
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