Elektromobilität:Bitte einsteigen

"Diese Fahrzeuge werden kein Öl brauchen": Der Autohersteller Volkswagen wirbt vor seinen Händlern für Elektroautos. Die reagieren gemischt.

Von  Max Hägler

Einige Augenblicke lang könnte man fast meinen, dass in dieser großen, abgedunkelten Halle Umweltschützer versammelt sind: "Unser Planet ist in Gefahr", ruft eine Frau auf der Bühne. Es werden Bilder an die Wand projiziert, auf denen von Dürren und Stürmen verwüstete Landschaften zu sehen sind. Die Furcht vor den Folgen der Klimaerwärmung wird recht eindrucksvoll inszeniert hier im niedersächsischen Isenbüttel. Aber es ist keine Greenpeace-Veranstaltung, es ist eine Verkaufsschulung von Volkswagen. Der Konzern dreht sich so nachdrücklich wie kaum ein anderer in der Autobranche hin zur E-Mobilität. Ende 2019 wird das erste dafür konstruierte Auto präsentiert, ID genannt. Im Golf-Format, aber etwas "menschlicher" in der Anmutung, so bekommen es an diesem Tag Dutzende Händler aus Luxemburg, Ungarn und der Schweiz zu hören. Sie sollen das Fahrzeug schon bald bewerben, das auf dem Papier mit dem größten Akku bis zu 550 Kilometer Reichweite haben wird und schnellladefähig sein soll. Kein Zweitwagen sei das, sondern ein richtiges Auto mit großzügigem Innenraum, werben die VW-Leute. Die genauen Fahrzeugdaten und Kosten wollen sie dabei noch zurückhalten.

Es ist nicht nur die Umweltmoral, die Volkswagen treibt. Es ist der Wunsch, das miese Abgasbetrüger-Image loszuwerden. Und vor allem werden in Europa und in China in wenigen Jahren hohe Strafen fällig, falls neue Grenzwerte gerissen werden: Etwa zweieinhalb Liter Sprit dürfen Motoren in der EU bald nur noch im Schnitt verbrauchen. Einzig machbar, wenn viele Wagen ohne Benzin und Diesel fahren. Und das ist nur der Anfang vom Ende der Verbrennertechnik, bekommen die Händler zu hören. An der Wand eine Folie mit einem Zeitstrahl, knapp hinter dem Jahr 2020 steht: letzte Verbrennermotoren-Entwicklung.

Den Händlern kann das nicht egal sein, denn mit den neuen Produkten werden sie weniger verdienen. Darüber wird dann auch recht offen gesprochen an diesem Tag: "Diese Fahrzeuge werden kein Öl brauchen", erzählt ein VW-Mensch. "Aber andere Dienstleistungen." Von dazubuchbaren Assistenzsystemen ist die Rede oder Ladegeräten, die man mitverkaufen könne ("Bedenken Sie auch die nötigen Leerrohre bei der Beratung!").

Was die Händler davon halten? Man müsse sich darauf einlassen, es als Chance begreifen für die Umwelt, aber auch für die Jobs, sonst sei die Existenz bald gefährdet, sagt einer aus der Schweiz mit 50 Angestellten. Das Stimmungsbild insgesamt: interessiert, aber nicht immer ganz überzeugt. Wo kommt denn der Strom her, fragen manche: "Ist das wirklich alles so nachhaltig?" Einer will wissen, wie es sich mit Bränden verhält, E-Autos seien da ja gefährlicher. Man tue mehr als die US-Konkurrenz, antwortet ein VW-Mann. Wobei: bei einem Crash mit 150 Kilometer pro Stunde, da sei alles zu spät: "So wie heute auch schon." Der fragende Händler, ein Mann aus Ungarn, nickt. In mancher Hinsicht bleibt Mobilität eben doch gleich.

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