Süddeutsche Zeitung

Elektrofahrzeuge:Tesla entdeckt: Autobauen ist nicht so einfach

Lesezeit: 3 min

Bei der E-Auto-Firma Tesla  läuft derzeit einiges schief. Doch für Schadenfreude gibt es keinen Anlass.

Kommentar von Max Hägler

Jetzt heißt es also San Francisco gegen Wolfsburg, Silicon Valley gegen Niedersachsen: "Wir fokussieren uns im zukünftigen Wettbewerb sehr stark auf Tesla", ließ sich dieser Tage VW-Markenchef Herbert Diess zitieren. Eine ernst zu nehmende Ansage: Denn Diess neigt nicht zu Verdruckstheit. Im Gegenteil fährt er gern mit möglichst hoher Geschwindigkeit in Konfrontationen - sei es im eigenen Unternehmen oder in der Branche.

Es verspricht also eine spannende Auseinandersetzung zu werden: Einer der weltweit größten Autobauer nimmt es mit dieser Autofirma auf, die so jung wie strahlend ist. Wenige Jahre erst ist Tesla alt und hat sich doch den Ruf des Weltveränderers erarbeitet - nicht nur bei Autokennern. Die Einschätzung ist so falsch nicht. Die Wagen sind Messlatte: Kein Elektroauto fährt so weit wie ein Tesla S - und das erst hat die in Verbrennermotoren verliebten deutschen Ingenieure zum Umdenken angeregt. Niemand sonst hat darüber hinaus ein passendes Stromtankstellennetz zuwege gebracht. Deswegen ist es durchaus passend, die Amerikaner als Maßstab zu nehmen.

Autos bauen können sie in Wolfsburg und bei den deutschen Wettbewerbern derzeit weit besser als im Silicon Valley

Allerdings täte Volkswagen, die Marke und der gesamte Konzern, gut daran, wenn sie nicht in allen Aspekten auf "Tesla-Fighter" machen. Denn auch wenn der Dieselskandal weiterhin einiges verschattet: Autos bauen können sie in Wolfsburg und bei den deutschen Wettbewerbern derzeit weit besser als im Silicon Valley.

Bei der Elektroauto-Firma, für deren Fortgang vor allem der omnipräsente Elon Musk persönlich steht, samt seinen noch viel weitergehenden Technikträumen, läuft es gerade nicht richtig rund. Eigentlich läuft alles ein bisschen schief.

Bereits produzierte Autos müssen zurückgerufen werden: 11 000 Wagen müssen in die Werkstatt, weil Rücksitze beim Unfall unerwartet nach vorne knallen könnten. In den Fabriken beklagen Arbeiter überharte Arbeitsbedingungen. Die Auslieferung von Tesla-Stromspeichern, die sich Häuslebauer in den Keller schrauben sollen, um Solarenergie zu puffern, verzögert sich wohl - trotz Anzahlungen von Kunden. Die Vorstellung eines Tesla-Elektrotrucks wurde verschoben. Die Produktion des neuesten Modells, des sogenannten Model 3, läuft ruckelig - auch hier zahlten Interessenten bereits viel Geld an. Mit diesem Mittellklasseauto will Tesla eigentlich zum "Volkswagen" werden, in Preis und Stückzahl. Und dann rumpelt es auch noch im Team. Wichtige Topmanager gehen, zugleich hat sich die Firma gerade unsanft von Leuten getrennt, die angeblich schlecht arbeiten: Bis zu 700 Mitarbeiter wurden, wie es unbestritten heißt, gefeuert. Für sich genommen sind das jeweils kleine Baustellen. Audi, BMW und Mercedes rufen wegen Fehlern immer wieder mal Wagen zurück. Diskussionen mit Mitarbeitern führen viele Manager. Der Anlauf eines neuen Modells ist stets heikel. Hier vier Schrauben, dort ein Blech: Am Band muss alles auf die Sekunde genau getaktet sein. Auf Anhieb klappt das selten. Aber nur 260 Model 3-Wagen anstatt der geplanten 1500, das klingt tatsächlich mehr nach Autoschmiede, in der Menschen mit Schweißgeräten und Schraubenschlüsseln den vielen deutschen und japanischen Robotern hinterherräumen, die Firmengründer Musk einkaufen ließ. Entzaubern die Probleme jetzt Tesla, ein Unternehmen, das übrigens noch kein Geld verdient? Man erinnere sich an die deutschen Autobauer, die vor Jahrzehnten, damals als Start-ups, gegen Schwierigkeiten aller Art kämpften. Probieren - und Scheitern, das gehört also zum Unternehmertum. Tesla wird das hinbekommen, das glaubt auch VW-Chef Diess, sonst würde er die Amerikaner ignorieren. Er weiß: Diese Firma baut die derzeit spannendsten Elektroautos. Zumal Elon Musk noch viel hochfliegendere Pläne hat und damit eine gute Story: Per Rakete um die Erde und zum Mars. Gerade auch wegen dieses Drumherums wirkt Tesla wie das zukunftsweisende Technologieunternehmen. Doch Träume materialisieren - dies ist selbst mit viel Geld und Selbstbewusstsein eben so einfach nicht. Und überhaupt das mit dem Geld. Der Tesla-Aktienkurs ist so hoch, weil viele an den Zauber glauben, an das Drumherum. An der Börse ist dieser kleine, berühmte Autobauer deswegen auf Augenhöhe mit BMW oder Ford. Aber Analysten erwarten, dass bald auch die Träumer nüchterner werden. Etwa ein Viertel der Tesla-Aktien dürfte demnach an Spekulanten verliehen sein, die auf fallende Kurse setzen. Wobei gilt: Selbst mit ein paar Dollar weniger wäre Tesla ein interessantes Unternehmen, das beim E-Auto weiter einige Jahre Vorsprung hat vor der heraneilenden Konkurrenz, etwa aus Wolfsburg.

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Quelle:
SZ vom 17.10.2017
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