Elektroautos:Schwache Leistung

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China fördert batteriebetriebene Elektroautos mit Milliarden. Nur schafft es Peking nicht, die heimischen Hersteller technisch nach vorn zu bringen. Deshalb wird jetzt im Silicon Valley entwickelt.

Von Christoph Giesen und Max Hägler, München/San Francisco

Die Zahlen sind gewaltig, wie so oft in China: Im vergangenen Jahr wurden nach offizieller Zählung 331 092 Elektrofahrzeuge verkauft. In diesem Jahr sollen nach staatlicher Planung sogar 700 000 Stück abgesetzt werden. Ein massiver Kontrast zu den paar Tausend E-Autos, die bisher auf Deutschlands Straßen rollen. Alleine im vergangenen Jahr gab der chinesische Staat mehr als 90 Milliarden Yuan, umgerechnet zwölf Milliarden Euro, an Subventionen dafür aus. Und bei der Pekinger Automesse im April zählte die Fachpresse 147 Elektro- oder Hybridautos, die ausgestellt wurden - so viele wie nirgendwo sonst.

China, der größte Automarkt der Welt, ist längst zum größten Produzenten von Elektrofahrzeugen aufgestiegen. Manche Fachleute haben die Volksrepublik daher schon zum neuen Leitmarkt für Elektromobilität ausgerufen - womöglich ein Fehlurteil, trotz der beeindruckenden Zahlen: Denn der Elektroboom in China ist vor allem ein Lehrstück für das Scheitern einer staatlich gelenkten Initiative. "Schaut man sich die Zulassungszahlen der Elektrofahrzeuge in China an, fällt auf, dass etwa 90 Prozent der Autos und Busse von Städten und Gemeinden gekauft worden sind", sagt Jochen Siebert, Geschäftsführer von JSC Automotive in Shanghai. "Die Subventionen werden also zum Großteil vom Staat an den Staat vergeben. Es ist ein großer Verschiebebahnhof." Mit seiner Unternehmensberatung hat sich Siebert auf den chinesischen Automarkt spezialisiert.

Dass die Führung in Peking Elektroautos massiv fördert, hat vor allem zwei Gründe: einen ökologischen und einen ökonomischen. Das ist zum einen der Smog, der viele chinesische Städte lähmt. Für einen ordentlichen Teil der schlechten Luft sind die Abgase der Benzinmotoren verantwortlich. Zugleich haben die Beamten in Peking eingesehen, dass trotz Dutzender staatlich verordneter Joint Ventures chinesische Firmen beim Verbrennungsmotor technisch nicht aufgeschlossen haben. Audi, BMW und Daimler liegen hier vorne und eben nicht Geely, Chery oder Brilliance.

Die Fälle von Subventionsbetrug häufen sich. Von "Geisterautos" ist in China schon die Rede

Elektrofahrzeuge jedoch brauchen keinen Verbrennungsmotor mehr, der von Öl und Treibstoff durchflossen wird, auf dass die Brennkammern effizient die Kolben in Bewegung setzen. Die bislang mechanisch kompliziertesten Teile werden im E-Auto schlicht nicht mehr benötigt. Eine neue Chance für China, Weltmarktführer zu werden - egal, was es kostet.

Derzeit zahlt Peking für ein Elektroauto aus chinesischer Produktion einen Zuschuss von etwa 8000 Euro, bei Elektrobussen sind es bis zu 80 000 Euro. Und je nach Stadt können noch weitere Subventionen dazukommen. Im Idealfall kommen so bei einem Pkw bis zu 15 000 Euro staatliche Prämie zusammen. Bei so viel Geld ist es kein Wunder, dass es zuletzt auch etliche Betrügereien gab. So tauchten mehrere Zehntausend Fahrzeuge in den Verkaufsstatistiken der Händler auf, obwohl sie nie gebaut wurden. Subventionen flossen trotzdem. Von "Geisterautos" wird in China bereits gesprochen.

Aber auch die ausgelieferten Modelle sind diskussionswürdig, meint Berater Siebert: "Bei nahezu allen Fahrzeugen, die derzeit subventioniert werden, handelt es sich um sehr billige Modelle mit alter Technologie. Keines dieser Fahrzeuge wird es je nach Europa schaffen. Darüber ist man in Peking nicht besonders glücklich." Das Problem: Auf dem Papier haben die derzeit gängigen Modelle Reichweiten von etwa 200 Kilometern. Doch in der Realität kommt man nicht mal annähernd so weit. Im strengen Pekinger Winter zum Beispiel leiden die Batterien sehr. Dann gibt der voll geladene Speicher oft nicht einmal mehr als 100 Kilometer her. Und auch im Sommer sinkt die Reichweite dramatisch, will man nicht schwitzend bei 38 Grad im Shanghaier Stau stehen: Dann leert die Klimaanlage den Akku.

An die neue Technologie glauben bisher jedenfalls die wenigsten Chinesen wirklich. Es sind vor allem praktische Erwägungen, die sie zum Kauf bewegen. Denn wer in Shanghai oder Peking ein Auto anmelden möchte, braucht Geduld - Geld oder eben ein Elektroauto. Einmal im Monat findet in Shanghai eine Auktion statt. Die Höchstbietenden bekommen dann eine Zulassung. Im ungünstigsten Fall zahlt man dann zweimal für das Auto: Einmal den Kaufpreis für den Neuwagen und in gleicher Höhe für das Nummernschild.

Halter von Elektroautos müssen nicht an der Auktion teilnehmen. Das gilt auch für Peking. In der chinesischen Hauptstadt werden einmal im Monat Nummernschilder verlost. 2,7 Millionen Anträge waren es zuletzt. Nur jeder 725. Bewerber bekam die begehrte Plakette. Wer ohne Hauptstadt-Nummernschild in Peking fahren möchte, muss jede Woche eine Ausnahmegenehmigung bei der Polizei beantragen. Und selbst mit diesen Papieren darf man während der Stoßzeiten morgens und abends nicht auf die Straße, manche Hauptverkehrsstraßen sind gar von 6 bis 22 Uhr gesperrt. Da sind die Elektroautos oft die einzige Alternative. Nur technisch besser werden sie dadurch nicht.

"Die Zentralregierung hat verstanden, dass alleine mit Subventionen keine Technologieführerschaft erreicht werden kann", sagt Siebert. Die Konsequenz: Bis 2020 soll die Förderung nun auslaufen. Stattdessen setzt die Regierung wie eh und je auf Protektionismus. Im Juni verweigerten die Behörden beispielsweise den südkoreanischen Herstellern LG und Samsung die Zulassung von Batterien. Technisch unterlegene chinesische Wettbewerber bekamen hingegen die Zertifikate.

Außerdem hat Peking mehreren Start-ups Lizenzen zum Bau von Elektrofahrzeugen erteilt. Diese Unternehmen entwickeln im Silicon Valley, ihre Ingenieure haben sie teilweise für Gehälter von Bundesliga-Fußballern bei der Konkurrenz abgeworben. Finanziert wird alles von chinesischen Konzernen, die etliche Millionen bereitstellen. Einige dieser Start-ups rangeln bereits um die künftige Position zwei - hinter Taktgeber Tesla. Sie tragen selten gehörte Namen wie Next-EV, Faraday Future, Le-Eco oder Atieva.

Wobei rangeln möglicherweise der falsche Ausdruck ist. Denn bei den Investoren fallen immer wieder ähnliche Namen, allen voran der des staatlichen Autokonzerns BAIC aus Peking - und Jia Yueting, ein Milliardär aus China. Er beherrscht den Smartphone-Hersteller Le-Eco, der jetzt auch in Autos macht, ebenso wie das Start-up Faraday.

© SZ vom 29.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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