Elektroautos:Deutsche Hersteller sind bei E-Auto-Schlüsseltechnologie weit vorne

BMW-Werk Leipzig

E-Auto-Produktion in Leipzig.

(Foto: dpa)
  • Die deutschen Autohersteller planen für die kommenden Jahre Dutzende neue E-Auto-Modelle.
  • Bei der Schlüsseltechnologie, den Batterien, haben sie bereits einen ungeahnten Vorsprung, wie die Zahl der angemeldeten Patente zeigt.
  • Fraglich ist nur, ob die deutschen Autohersteller auch selber Batteriezellen herstellen. Eine solche Fertigung rechnet sich meist nur in riesigen Größenordnungen.

Von Thomas Fromm

Für die Arbeitnehmervertreter in den Autokonzernen ist die Sache ohnehin schon lange klar: Warum sollen aus Autobauern in den nächsten Jahren nicht auch Batteriehersteller werden? Denn wenn aus Autos mit Verbrennungsmotoren Elektrowagen werden, dann wird es viele der heutigen Jobs nicht mehr geben - und irgendwie muss es ja weitergehen.

Eine eigene Batterieproduktion, das hieße dann mehr Beschäftigung in Deutschland und eine geringere Abhängigkeit von asiatischen Produzenten wie LG Chem und Samsung, mit denen man heute zusammenarbeitet. "Eine Zellproduktion in Deutschland sichert und schafft Arbeitsplätze und Know-how ", sagt der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann. Und BMW-Betriebsratschef Manfred Schoch findet, dass sich eine eigene Batteriezellen-Produktion "ab einer gewissen Größenordnung lohnt".

Diese gewisse Größenordnung - sie könnte bald erreicht sein. Alle - VW, BMW, Daimler - planen für die kommenden Jahre Dutzende neuer E-Auto-Modelle. Allein bei VW und Daimler soll bis zum Jahr 2025 ein Viertel des Absatzes aus Elektroautos bestehen. Dafür brauchen sie Batterien. Ob sie dafür aber auch eigene, hochspezialisierte und sehr kostspielige Zell-Fabriken brauchen, das ist die Frage.

Eine weltweite Auswertung von Patentanmeldungen für Batterietechnologien zeigt nun: Technologisch könnten sie es wohl. Die deutschen Autohersteller sind, wenn es um das Herz der neuen Elektroautos geht, überraschend weit vorne. So liegt der japanische Toyota-Konzern mit 1409 Patentanmeldungen bei E-Auto-Batterien seit 2010 zwar an der Spitze - auf Platz drei liegt aber bereits Daimler mit 213 Patent-Anmeldungen. Platz zwei belegt der zu Renault gehörende japanische Hersteller Nissan.

Müller: "So einen Blödsinn machen wir sicherlich nicht"

Insgesamt, rechneten Patentanwälte der Münchner Kanzlei Grünecker durch, haben Daimler, VW, BMW und Porsche in den vergangenen sechs Jahren 348 Patente für Lithium-Ionen-Batterien angemeldet. Damit lagen sie nicht nur vor den französischen Herstellern Renault und Peugeot, sondern auch vor den amerikanischen Produzenten General Motors, Ford - und Tesla. Überraschend: Ausgerechnet der kalifornische E-Auto-Pionier kam laut Statistik auf gerade mal 22 Patente.

"Die Zahl der Patente zeigt deutlich, dass die deutsche Autoindustrie jetzt daran arbeitet, Batterie-Know-how zurückzuholen", sagt Jens Koch, Patentanwalt bei Grünecker. Man habe "das Thema Batterien lange unterschätzt", jetzt sei den Herstellern allerdings "klar geworden, dass sie Batterien als Differenzierungsmerkmal brauchen". Die Frage ist nur: Was werden die Autokonzerne mit ihrem Know-how anstellen? Werden sie nicht nur die gelieferten Batteriezellen zu Paketen zusammenbauen, sondern auch die zentralen Batteriezellen dafür herstellen? Die Zellen sind der Rohstoff der Batterien; sie werden in große Speicherblöcke zusammengepackt und vor Ort in den Autos verbaut.

Akkus sind der teuerste Teil eines Elektroautos

Die Zellproduktion selbst allerdings ist teuer, erfordert hohe Investitionen und sie lohnt sich, wenn überhaupt, erst bei sehr großen Mengen. "So einen Blödsinn machen wir sicherlich nicht", sagte VW-Chef Matthias Müller daher vor einiger Zeit. Ein Job, den man lieber den Massenherstellern aus Asien überlässt. Allerdings: Der Wandel vom Verbrennungs- zum Elektromotor könnte wegen der Dieselaffäre schneller gehen als gedacht - und der Umstieg auf die neuen Technologien für viele Beschäftige in der Autoindustrie sehr schmerzhaft werden. Zehntausende Jobs, rechnen Experten vor, stehen in der Industrie auf der Kippe. Dazu kommt: "Wenn man den wichtigsten Baustein der künftigen Elektroautos aus dem Ausland bezieht, macht man sich abhängig", warnt Patentanwalt Koch.

Bisher war die Technik in den Benzin- und Dieselmotoren entscheidend, um sich gegen die Konkurrenz abzusetzen. Nun treibt die Konzernstrategen die Frage um: Was soll einen künftig vom Wettbewerber unterscheiden, wenn alle das mehr oder weniger gleiche Infotainment-Programm an Bord haben und der Verbrennungsmotor ausgedient hat?

Es könnten die Batterien sein - sie sind nicht nur der teuerste Teil eines Elektroautos, an ihnen hängt am Ende auch die Leistung eines solchen Wagens. Man wird also niemals nur irgendeine Batterie in ein Auto einbauen. Mit Hilfe der Patente, an denen die Hersteller in den vergangenen Jahren gearbeitet haben, wäre es wohl leichter, eigene Zell-Produktionen in Deutschland hochzuziehen - wenn es die Industrie will.

Eine gemeinsame Entwicklung würde sich lohnen, ist aber unwahrscheinlich

Hier ist man allerdings weitgehend skeptisch. BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich sagt, man habe "die Kompetenz im Haus, Zellen zu entwickeln, die unseren Anforderungen und Einsatzbereichen entsprechen". BMW sei daher "grundsätzlich auch in der Lage, Batterien selbst zu produzieren. Wir sind aber der Meinung, dass es für uns sinnvoller ist, die Batteriezellen durch einen Zulieferer nach unseren Vorgaben produzieren zu lassen", so Fröhlich weiter. Die Zellen beziehen die Münchner zurzeit vom südkoreanischen Hersteller Samsung, die Speicher werden dann am Standort Dingolfing verbaut.

Der Konkurrent Daimler hat bereits Erfahrung mit dem Bau solcher Zellen. Die Schwaben hatten gemeinsam mit dem Chemiekonzern Evonik eine eigene Zellfabrik im sächsischen Kamenz betrieben; 2015 lief die Produktion aus. Das Fazit war ernüchternd: Die Produktion lohnte sich nicht in Deutschland, weil es die asiatische Konkurrenz wesentlich billiger machte - nicht zuletzt wegen der schieren Masse, die sie aufs Band bringt. Im Mai nun legte Daimler den Grundstein für ein neues Batteriewerk, wieder in Kamenz. Ziel: Die Entwicklung eigener Batteriesysteme. Die Zellen dafür müssen allerdings in Asien gekauft werden. VW erwägt eine eigene Batteriefertigung am Standort Salzgitter.

Vielleicht würde es sich lohnen, wenn alle Hersteller gemeinsam an den Zellen arbeiten würden. Das aber wäre wohl so, als würden alle zusammen die gleichen Motoren bauen - ein Ding der Unmöglichkeit.

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