Süddeutsche Zeitung

Elektro-Lastwagen von Tesla:Mit diesem Elektro-Truck will Tesla den Diesel ablösen

Firmengründer Elon Musk verspricht cooles Design, 800 Kilometer Reichweite und Aufladen in einer "längeren Pinkelpause". Aber Spediteure interessieren sich eigentlich nur für eines: den Preis.

Von Claus Hulverscheidt, New York, und Jürgen Schmieder, Los Angeles

Hätte Elon Musk nicht all die famosen Firmen gegründet, mit denen er so gern die Welt verändern würde, wäre er vermutlich Anheizer geworden. Anheizer, das sind jene Menschen, die vor Beginn einer Fernsehshow das Studio-Publikum in Fahrt bringen. Und tatsächlich, aufs Anheizen versteht sich der 46-Jährige, wenn auch eher in schriftlicher Form: Der Elektro-Lastwagen von Tesla "wird Euch das Gehirn aus dem Schädel und in eine andere Dimension pusten", schrieb der Chef des kalifornischen Autokonzerns kurz vor der Präsentation auf Twitter. "Er kann sich in einen Roboter verwandeln, Außerirdische bekämpfen und macht einen höllisch guten Milchkaffee."

Die Stimmungsmache und die kleinen Scherze sind wohl notwendig, denn als am Freitagmorgen deutscher Zeit endlich zwei Lkws in den Hangar am luxuriösen Jet-Center-Privatflughafen in Hawthorne südlich von Los Angeles einbiegen, spenden die Tesla-Mitarbeiter zwar artig Beifall, der ganz große Wow-Effekt aber bleibt aus.

Der Fahrer sitzt im Tesla-Truck in der Mitte

Der größere der beiden Sattelschlepper ist vollständig in Silber lackiert, die Frontpartie der Zugmaschine mit ihren fließenden, auf optimale Aerodynamik getrimmten Linien hat eher die weichen Züge eines Sportwagens als die eines Arbeitsgeräts. Die getönte Frontscheibe geht nahtlos in die beiden Seitenfenster über und erinnert damit an das Visier eines Motorradhelms. Der auffälligste Unterschied zu einem herkömmlichen Lkw aber ist, dass der Fahrer nicht links am Rand, sondern in der Mitte der Kabine sitzt. Zwei schick gestylte Computerbildschirme auf beiden Seiten des Lenkrads ersetzen das Armaturenbrett und geben Auskunft über alle Fahrdaten.

Rein optisch kann sich der Tesla Semi sicher sehen lassen, doch ob er auch ein kommerzieller Erfolg oder gar die Welt verändern wird, steht in den Sternen. Das Lastwagengeschäft ist ein völlig anderes als das Auto-Business, wo Tesla bisher zu Hause war und Hunderttausende Besserverdiener nur darauf warten, einen Haufen Geld für ein als cool geltendes E-Auto auszugeben.

Spediteure dagegen interessieren sich weder für das Design, noch für den Coolness-Faktor eines Gefährts. Sie werden allein danach fragen, um wie viel teurer der Elektro-Lkw beim Kauf sein wird als ein herkömmlicher Diesel-Sattelzug, wie hoch die Betriebskosten sind und wo die Fahrer, bitteschön, die Batterie aufladen sollen.

800 Kilometer Reichweite pro Akkuladung, Aufladen in einer Pinkelpause

Musk - schwarzer Pulli, Jeans und braune Jacke - weiß das natürlich und deshalb verzichtet er bei seiner Präsentation weitgehend auf das sonst übliche Licht-, Film- und Musikspektakel und rattert stattdessen Daten herunter. Von null auf knapp 100 Stundenkilometer in fünf, voll beladen in 15 Sekunden, schwärmt er, der lahme Diesel, so klingt es, ist noch gar nicht in Los Angeles losgefahren, da steht der Tesla schon vor den Toren von San Francisco. Für umgerechnet rund 800 Kilometer soll der Strom reichen, den die Batterien an Bord speichern können, und, noch besser, das Wiederaufladen an einem solarbetriebenen Super-Ladegerät lässt sich in einer längeren Pinkelpause erledigen - sagt jedenfalls Musk. Sollten sich diese Werte im Alltag bestätigen, stünde die Konkurrenz tatsächlich vor einem Problem.

Das schlagende Argument aber sind für den Tesla-Chef die Betriebskosten, die Musk zufolge um bis zu 20 Prozent unter denen eines Diesel-Lkws liegen. Dazu tragen auch Kleinigkeiten bei: Die Bremsbeläge etwa müssen während der garantierten Mindestlaufleistung des Lkws von 1,6 Millionen Kilometern angeblich nie gewechselt werden, die Frontscheibe, ein kostenträchtiger Schwachpunkt bei Lastwagen, soll immun gegen Risse sein. Lasse man mehrere Tesla Semis computergesteuert im geringen Abstand hintereinander her fahren, so Musk, sänken die Kosten durch den geringeren Luftwiderstand weiter - so weit, dass es "wirtschaftlicher Selbstmord" wäre, nicht auf Tesla umzusteigen.

Wie immer, wenn Musk eine Bühne betritt, verkündet er ausschließlich Revolutionäres und Weltveränderndes. So sieht er es jedenfalls selbst. Dass der weltweite Lkw-Marktführer Daimler schon vor Monaten in Manhattan den Elektro-Truck "Fuso eCantor" präsentierte, für den sogar schon Bestellungen von Kunden vorliegen? Kein Wort dazu. Dass der Elektrobus-Hersteller Proterra ein Fahrzeug mit einer Reichweite von 1600 Kilometer bauen will? Dass auch Volkswagen, Volvo, Bosch, BYD aus China und andere an E-Lkws arbeiten und den Kaliforniern in Teilbereichen gar voraus sind?

Tesla will sich zunächst auf den Heimatmarkt USA konzentrieren, wo Trucks gewissermaßen das Rückgrat der Wirtschaft bilden. Einer Studie der American Trucking Association zufolge werden 70 Prozent aller Güter im Land auf der Straße transportiert, insgesamt benötigen die 3,4 Millionen Lkws pro Jahr 144 Milliarden Liter Diesel.

Musk träumt davon, ganze Flotten seiner Trucks an Unternehmen wie UPS, FedEx oder Amazon zu verkaufen, doch es sind genau diese Unternehmen, die besonders spitz rechnen. Zumindest auf der Langstrecke nämlich sind Elektro-Lastwagen heute noch so schwer und so teuer, dass sich ihr Einsatz kaum lohnt - allein die Batterien schlagen mit 100 000 Dollar und mehr pro Lkw zu Buche.

Börsenkurs setzt Musk unter Druck

"Wenn es sich für die Menschen finanziell rentiert, auf ein Elektrofahrzeug umzusteigen, dann haben wir es geschafft", hat Musk schon vor Jahren gesagt, als er seinen Masterplan für Tesla vorstellte. Damals hatte er wohl eher Pkws im Blick. Der "Wenn"-Teil des Satzes gilt aber für den Verkauf von Lkws noch mehr.

Dass Tesla jetzt so ein Tamtam um den Elektro-Laster macht, hat seinen Grund: Der Wert der Firmenaktie ist wegen Problemen bei der Produktion des massentauglichen Mittelklasse-Elektroautos Model 3 und gewaltiger Verluste - 619 Millionen Dollar allein im dritten Quartal - in den vergangenen sechs Monaten um mehr als 15 Prozent gesunken, das Unternehmen kann einen neuen Hype also wahrlich gebrauchen.

Dass ihn die Entwicklung und der permanente Druck der Börse nicht kalt lassen, deutete Musk kürzlich in einem Interview des Magazins Rolling Stone an: "Ich wünschte, Tesla wäre eine private Firma - es macht uns weniger effizient, ein börsennotiertes Unternehmen zu sein", klagte er. Gegen jene Investoren, die auf einen Absturz der Tesla-Aktie wetten, wurde der Konzernchef gar regelrecht ausfallend: "Das sind Vollidioten, die uns sterben sehen wollen."

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