Süddeutsche Zeitung

Elektomobilität:Nachwuchs

Lesezeit: 3 min

Die chinesische Firma Nio will Traditionskonzerne mit ihrem E-Auto aufrütteln. Nio-Gründer Jack Cheng zeigt im Gespräch mit BMW-Chef Harald Krüger, wo die Unterschiede sind. Also: Neu gegen alt. Aber Krüger kontert souverän.

Von Max Hägler, Berlin

Die Geschichte von Nio ist, wenn man so will, die Blaupause eines Start-ups: In einem angesagten Café saß Jack Cheng vor einigen Jahren. Und dort fassten er und einige seiner Bekannten den Plan, einen chinesischen Autohersteller aufzubauen, der Gründungsname war dabei Konzept: NextEV, das nächste, das bessere Elektrovehikel, das mit Roboterfunktionen den Stau entzerrt und nicht mehr auf die endliche Energiequelle Öl angewiesen ist. Mittlerweile ist daraus eine Firma namens Nio geworden, aus 50 Mitarbeitern sind immerhin 3000 geworden, die schon mal das schnellste Elektroauto der Welt konstruierten: Der 1360-PS-Bolide namens EP9 fuhr auf dem Nürburgring einen neuen Rundenrekord für E-Autos.

Bemerkenswert, sicherlich. Aber auch beeindruckend? Da gibt sich Chengs Gesprächspartner Harald Krüger auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel diplomatisch: "Wir nehmen jeden Wettbewerber ernst." Krüger ist zwar mit 52 Jahren in einem ähnlichen Alter wie Cheng, auch er ist Automanager - aber vertritt eine ganz andere Art von Unternehmen: Die ruhigen, alten Bayerischen Motorenwerke. Insofern ist das Aufeinandertreffen auf dem Wirtschaftsgipfel interessant: Tradition versus Start-up, Deutschland versus China.

Wobei die Verortung in diesen globalisierten Zeiten so klar auch nicht mehr ist: "Body and Soul" von Nio seien chinesisch, sagt Cheng, das Gehirn stamme aus den USA - wie die meisten Autobauer streben sie auch bei Nio ein hohes Maß an Roboterfunktionen an - und "das Gesicht, das ist deutsch". Zu ergänzen ist: Die Energie, das Geld also, ist ebenfalls chinesisch bei dem Unternehmen, das auch Mitarbeiter von BMW abgeworben hat.

Die Gestaltung, das Gesicht, stammt tatsächlich vor allem aus München. Im Norden der Stadt sitzt die Nio-Designabteilung, die Wagen entwirft, die ähnlich kantig, kalt und unelegant aussehen wie die Entwürfe bei BMW. Eleganz und Schönheit sind offensichtlich keine Kriterien mehr bei diesen batteriebetriebenen Roboterautos, egal ob sie in Asien oder Europa gestaltet werden.

Gleiche Optik und München als Bindeglied - aber ansonsten gibt es doch viele Unterschiede, stellt Krüger fest. Es sei "ein komplett anderes Spiel", mehrere Hunderttausend Autos pro Jahr zu bauen als kleine Stückzahlen.

"Ich will aufwecken", sagt Cheng, meint damit die Gesellschaft, die Industrie, die noch viel schneller auf Elektromobilität setzen müsse, aus Umweltgründen. Man könne auch BMW helfen, schneller zu sein bei der Elektromobilität. Es müsse gelten: Raus aus der Komfortzone! Also dem Bauen und verkaufen der ganz normalen Autos mit ihren Verbrennermotoren.

Da lächelt Krüger dann schon ein klein wenig. Seit einem Jahrzehnt plant BMW E-Autos, seit fünf Jahren ist der i3 auf dem Markt, bei dem man alle Umweltaspekte mitgedacht habe, nicht nur das emissionsfreie Fahren. Auch Traditionsunternehmen können mit der Zeit gehen, will das heißen. Und sie gehen nach China: Die Bayern haben wiederum Ingenieure und Designer in Shanghai sitzen, wie BMW überhaupt mittlerweile mehr Softwaremenschen einstellt als den klassischen Maschinenbauer: "Wir sind nicht so langweilig wie viele denken." Und zugleich sei eben die Historie entscheidend für die Marke, die - kleiner Seitenhieb gegenüber all den Start-ups - Gewinn mache.

Wie herausfordernd es ist, neu in diese Branche einzusteigen, das zeigt sich dieser Tage bei einem anderen noch recht jungen Autohersteller. Tesla aus Kalifornien kämpft damit, die Serienfertigung seines neuen Elektroautos namens Model 3 zum Laufen zu bringen. Zulieferer, Maschinen, Menschen und Materialien passen nicht richtig zusammen, laufen nicht im Takt. Das Unternehmen schreibt - so begehrt die Autos sind - andauernd rote Zahlen. Von einer "Produktionshölle" spricht Tesla-Chef Elon Musk, der selbst Hand anlegte und die recht sportlichen Produktionsziele kassierte. Ein anderer neuer Autobauer scheint gar nicht so weit zu kommen: Faraday Future, angetreten um das Auto der Zukunft zu bauen, steht am Abgrund - da Geld geht aus.

Nio will in den kommenden drei, vier Jahren etwa eine halbe Million Autos bauen für die heimischen Konsumenten und die Wagen dann auch einmal in den Rest der Welt exportieren. Ein erfolgversprechender Ansatz: China ist der größte Automarkt der Welt und Leitmarkt für E-Autos. Da braucht es den Rest der Welt erst mal nicht für den Erfolg.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3753852
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.11.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.