Süddeutsche Zeitung

Elbvertiefung im Hamburger Hafen:Stadt, Land, Frust

  • Die Entscheidung um eine Elbvertiefung im Hamburger Hafen verzögert sich weiter.
  • Die Gegner des Fahrrinnenausbaus wollen die angebliche Alternativlosigkeit des Projekts nicht hinnehmen.
  • Die Befürworter sagen, wenn sich der Hafen behaupten will, müsse er Gigantenschiffe empfangen können.

Von Thomas Hahn und Kristina Läsker, Hamburg

Natürlich hatten sie ein Schiff als Geschenk mitgebracht, aber vorsichtshalber etwas Volkstümliches. Keine Nachbildung eines Containerschiffs. Das könnte zu politischen Missverständnissen führen. Lächelnd hatte Chinas Ministerpräsident Li Keqiang dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz eine hölzerne Dschunke mit geblähten Segeln überreicht. Das war vorige Woche. Li war samt Ministern und Managern nach Hamburg gereist. Es ging um Geld und natürlich um die Schifffahrt: Ein Drittel der Container im Hamburger Hafen dienen dem Handel mit China.

Mit der Dschunke wurden indirekt aber auch Fragen gestellt: Können die Megafrachter aus China, die viel mehr Tiefgang haben als Dschunken, bald noch Deutschlands größten Hafen erreichen? Wird die Elbe dafür vertieft werden? Oder soll sich die Volksrepublik einen neuen Lieblingshafen in Europa suchen?

Im Hamburger Rathaus antwortete der SPD-Politiker Scholz mit Bedacht: Er sei zuversichtlich, dass künftig auch die größten Containerschiffe den Hafen erreichen würden. Doch was beschwichtigen sollte, konnte kaum das Entsetzen verbergen, das viele Politiker und Manager ergriffen hat.

Denn der schier unendliche Streit um die Elbvertiefung ist überraschend in eine neue Runde gegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung vertagt

2002 hatte Hamburg beim Bundesverkehrsministerium den Antrag zum Ausbau der Fahrrinne gestellt. Zwölf Jahre später sollte die Entscheidung kommen. Doch das Bundesverwaltungsgericht hat das erwartete Urteil zu den Klagen der Umweltverbände Bund und Nabu Anfang Oktober vertagt. Die Leipziger Richter wollen abwarten, wie der Europäische Gerichtshof im Frühjahr über das Ausbaggern der Weser entscheidet und die Wasserrahmenrichtlinie der EU auslegt.

In der Bürgerschaft wird das mit Sorge beobachtet. Egal welcher Couleur der Senat zuletzt war, ein Glaubenssatz galt für alle: Was für den Hafen gut ist, sollte gleichsam das Beste für die Stadt sein. Viele Vorhaben ließen sich mit dieser Hafen-gut-alles-gut-Formel durchbringen. Auch das liegt am Geld: Der Hafen ist ein Jobmotor, er gibt 150 000 Menschen in der Region Arbeit. Er beschert Steuereinnahmen von etwa 800 Millionen Euro im Jahr.

Doch was wäre, wenn ein Gericht zum ersten Mal seit zwei Jahrhunderten den Ausbau der Elbe wirklich untersagt?

Wer sich bei Hafenfirmen umhört, erfährt Erstaunliches. Dort passiert fast nichts. Zumindest scheinen sie die Anpassung der Fahrrinne auf dann 14,50 Meter Tiefgang für so alternativlos zu halten, dass sie keine Notfall-Szenarien entwickeln. Sie haben das auch nicht vor. "Es besteht grundsätzlich Klarheit darüber, dass die Elbvertiefung kommt", glaubt Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg. Bonz hat sich durch die 23 Seiten gearbeitet, auf denen die Richter ihren Beschluss begründen. Seitdem glaubt er, dass es nur noch darum gehen wird, die Auflagen zum Naturschutz zu konkretisieren. "Deswegen bietet sich in den Firmen keine Notwendigkeit für einen Plan", sagt Bonz.

Ähnlich argumentiert Stefan Behn aus dem Vorstand des Hamburger Hafenbetreibers HHLA. Der Manager vermutet, dass die Richter die Wünsche der Ökonomen höher gewichten als die der Umweltschützer. Das Gericht stelle den wirtschaftlichen Bedarf für die Elbvertiefung "nicht infrage", meint er. Behn will das endgültige Urteil abwarten, um zu schauen, ob und welche Alternativen nötig sind.

Eines aber schadet der Wirtschaft schon heute: die lange Verfahrensdauer. "Jeder Tag, der jetzt vergeht, ist schlecht für Hamburg", sagt Behn. Grund: Bis Mitte der 90er-Jahre galten Frachter mit einer Ladung von 7000 Containern als Norm. Getrieben von Preiskampf und steigenden Treibstoffkosten wurden die Schiffe aber immer größer: Heute können sie bis zu 18 000 Boxen tragen; sie sind oft länger, als das Empire State Building hoch ist. Für die Elbe sind solche Pötte zu tief und zu breit, um sich begegnen zu können.

Wenn sich der Hafen behaupten will, glauben Befürworter, müsse er solche Gigantenschiffe empfangen können. Der Trend zur Größe werde sich nicht umkehren; zu groß seien die Preisvorteile. Momentan ist Hamburg der zweitgrößte Umschlagplatz für Container in Europa, er ringt erbittert mit Rotterdam und Antwerpen. Dieser Top-Platz sei gefährdet, heißt es. Grund: Reeder folgen dem Geld. Wenn ihnen die Transporte auf der Elbe hinab gut 130 Kilometer nach Hamburg zu teuer werden, weichen sie aus. Den Asiaten könnte er jetzt schon nicht mehr erklären, was in Deutschland rund um die Elbvertiefung passiert, erzählt ein Betroffener.

Gegner aber wollen diese angebliche Alternativlosigkeit nicht einfach hinnehmen. Wieso soll die Elbvertiefung das einzige Zukunftskonzept sein? Das gelte schon deshalb nicht, weil irgendwann ohnehin eine andere Lösung her muss, glaubt Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck von den Grünen. Habeck muss den geltenden Planfeststellungsbeschluss mit leisem Murren mittragen, weil die Vorgänger-Regierung diesem zustimmte. Er sagt: "Aus meiner Sicht muss dies die letzte Elbvertiefung sein und der Start für einen anderen Umgang mit der Elbe." Was dabei helfen könnte? "Hafenkooperationen", sagt Anjes Tjarks von der Grünen-Fraktion in Hamburgs Bürgerschaft.

Grüne und Linke sind gegen die Elbvertiefung

Neben der Linken sind die Grünen als einzige Partei in Hamburg gegen die Elbvertiefung: aus ökologischen und aus ökonomischen Gründen. Tjarks verweist auf die Musterbilanzen des Hafens, er stellt die volkswirtschaftliche Sinnfrage.

Aus seiner Sicht wäre Hamburgs wirtschaftlicher Erfolg auch mit weniger Natursünden zu haben, wenn bloß der Wille zur Zusammenarbeit mit anderen Hafenstandorten größer wäre. Tjarks plädiert für "eine gemeinsame norddeutsche Hafenpolitik, die Deutschland als starkes Exportland berücksichtigt". Was leicht klingt, sei im Alltag unrealistisch, widerspricht Verbandschef Bonz. "Die deutschen Terminalbetreiber - alles private Firmen - dürfen sich nicht abstimmen, dann wäre sofort die Kartellbehörde da."

Die chinesische Delegation hat sich mit klaren Worten aus Hamburg verabschiedet. Er werde "seine Zusammenarbeit mit den Häfen von Hamburg und Rotterdam vertiefen", sagte Li Yunpeng, Chef von Chinas größter Reederei Cosco, und schickte eine Art Drohung hinterher. Die Basis dafür sei eine gute Infrastruktur.

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Quelle:
SZ vom 18.10.2014/fie
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