Süddeutsche Zeitung

El Al:Sabbat in Athen

Ultraorthodoxe wollten mit El Al von New York nach Tel Aviv fliegen. Doch wegen einer Verspätung ergab sich ein besonderes Problem - die Sabbatruhe konnte nicht eingehalten werden. Das sorgt jetzt für Ärger.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Ein Schneesturm in New York vor mehr als einer Woche hat alles ausgelöst. Die israelische Fluglinie El Al sieht sich wegen der Gefährdung der Sabbatruhe mit einem Boykottaufruf eines einflussreichen ultraorthodoxen Rabbiners und mit Klagen auf Entschädigung von 180 Passagieren in Höhe von umgerechnet 2,1 Millionen Euro konfrontiert. Am Sonntagabend zerstörten ultraorthodoxe Juden, angeführt von Rabbiner Sholom Ber Sorotzkin, vor dem El-Al-Büro am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv ihre Vielfliegerkarten. Weil Sorotzkin einem Netzwerk von 40 religiösen Institutionen vorsteht, könnte der Boykottaufruf breite Wirkung in der ultraorthodoxen Gemeinschaft haben.

Auslöser waren zwei Flüge aus New York nach Tel Aviv am 15. November. Verspätungen sind für alle Passagiere unangenehm, aber für die ultraorthodoxen Juden an Bord ergab sich ein besonderes Problem. Es war absehbar, dass sie zu Beginn des Sabbats noch auf Reisen sein würden. Eines der Gebote, die streng religiös lebenden Juden beachten, besagt, dass man sich am Sabbat nicht weiter als rund einen Kilometer von der Stadtgrenze entfernen darf.

Dutzende ultraorthodoxe Juden wollten das Flugzeug knapp vor dem Start verlassen. Wie diese Passagiere auf dem Flug LY002 ihren Wunsch vorbrachten und wie die Crew darauf reagierte, darüber gibt es unterschiedliche Angaben. Laut El Al habe eine Gruppe "gewaltsamen Druck auf die Kabinencrew ausgeübt". Mehrere Passagiere wiesen diese Darstellung zurück. Ihren Schilderungen zufolge habe der Kapitän behauptet, das Flugzeug kehre zum Gate zurück, damit streng religiöse Juden aussteigen könnten. Stattdessen sei das Flugzeug gestartet.

Dann habe es geheißen, die Maschine erreiche Israel rechtzeitig vor Beginn des Sabbats, also vor Sonnenuntergang am Freitagnachmittag. Nach mehreren Flugstunden teilte der Kapitän mit, dass man in Athen landen werde. Religiöse Passagieren könnten aussteigen und die Sabbatruhe einhalten. 150 stiegen tatsächlich aus. Für die anderen Passagiere wurden Weiterflüge nach Tel Aviv zu einem späteren Zeitpunkt angeboten. Nicht religiöse Fluggäste protestierten gegen diese nicht geplante Landung und den erzwungenen Aufenthalt in Athen. Dass Passagieren Kabinenmitglieder angeschrien haben, zeigen Handyaufnahmen. El Al gibt an, dass ihr Personal auch physischen Angriffe ausgesetzt gewesen sei. Laut Schilderungen anderer Passagiere sollen Mitreisende sogar versucht haben, ins Cockpit zu gelangen.

Auch auf dem El-Al-Flug LY008 gab es nach dem Abflug aus New York lebhafte Diskussionen an Bord. Dieses Flugzeug legte wegen des nahenden Sabbats eine nicht geplante Zwischenlandung in Rom ein, wo ultraorthodoxe Juden ausstiegen. Weil aber ein Krebspatient an Bord war, gab der Rabbiner der Fluglinie El Al grünes Licht, und die Maschine durfte mit den übrigen Passagieren trotz Sabbats den Flug nach Tel Aviv fortsetzen.

El Al gab am Montag zwar nicht die von Rabbiner Sorotzkin geforderte Entschuldigung ab, bot aber allen 400 Passagieren als Entschädigung einen Flug an - nach Europa, nicht nach New York.

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Quelle:
SZ vom 27.11.2018
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