Süddeutsche Zeitung

Nach Corona:Jeder schleckt für sich allein

Eine Frage, eine Antwort: Essen die Deutschen in der Pandemie wirklich weniger Eis?

Von Felix Petruschke

Eigentlich gibt es immer einen Grund für eine Kugel Eis, gerade wenn es Frühling wird. Entweder man trifft sich für eine halbe Stunde mit Freunden, braucht gerade eine Erfrischung oder einfach eine schnelle Nachspeise. Dank einer schier grenzenlosen Vielzahl von Geschmacksrichtungen wird es dabei nie langweilig. Speiseeis hat aber noch eine andere, oft unterschätzte Wirkung: Es gilt als Allzweckwaffe gegen schlechte Laune und trübe Stimmung.

Insofern ist es überraschend, dass bisher kein Politiker und keine Virologin in der Corona-Krise auf die Idee kamen, den Deutschen zu sagen: "Esst mehr Eis!" Beispielsweise könnten die Bürger ihre täglichen Mahlzeiten unkompliziert (und vor allem bundeseinheitlich) morgens, mittags und abends mit einer Kugel Eis abrunden. In Ausnahmefällen könnte die Ration auch verdoppelt werden.

Tatsächlich essen die Deutschen in Zeiten der Pandemie aber nicht mehr, sondern weniger Eis. Das zeigen aktuelle Zahlen des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI). Demnach konsumierte jeder Deutsche im vergangenen Jahr durchschnittlich 114 Kugeln Eis. 2019 waren es noch rund 120 Kugeln oder umgerechnet 8,4 Liter Eis pro Kopf.

Zur Verteidigung der Verbraucher muss gesagt werden: Der Rückgang liegt nicht daran, dass die Deutschen dem Eis plötzlich untreu geworden sind. Eisdielen und Restaurants mussten wegen den virusbedingten Beschränkungen zum Teil monatelang schließen und konnten deshalb auch nichts oder nur wenig verkaufen. Die Lockdown-Maßnahmen hätten daher zu einem "regelrechten Einbruch" des Außer-Haus-Konsums geführt, sagt BDSI-Geschäftsführer Ernst Kammerinke.

Trotzdem taten - beziehungsweise aßen - die Deutschen, so viel sie konnten. Zu Hause, in den eigenen vier Wänden, wurde deutlich mehr Eis konsumiert als üblich. Davon profitierten vor allem industrielle Hersteller von Speiseeis wie Langnese oder Mars Wrigley. Diese steigerten ihre Absatzmenge, Angaben des BDSI zufolge, um 2,5 Prozent auf 575,5 Millionen Liter. Weil aber vor allem günstigere Sorten und große Familienpackungen sehr beliebt waren, ging der Umsatz der Branche um acht Prozent auf knapp 2,4 Milliarden Euro zurück.

Hoffnung für Eisverkäufer machen indes die angekündigten wärmeren Temperaturen. Am besten schmeckt Eis eben immer noch draußen und in Gesellschaft. Nur mit dem Teilen einer Eiskugel sollte man - coronabedingt - wohl noch besser eine Weile warten.

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