Eishersteller melden Absatzeinbruch:Schleck lass nach

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Der Eisabsatz sank um knapp vier Prozent. Die Branche behalf sich mit höheren Preisen. (Foto: Ekaterina Yakunina/imago)

Die Deutschen haben im Vorjahr deutlich weniger Eis gegessen. Die Industrie um Marken wie Mövenpick oder Langnese sieht vor allem zwei Schuldige.

Von Benedikt Müller-Arnold, Köln

Das Glück der Menschen zu messen ist ein schwieriges Unterfangen. Doch man kann sich ihm zumindest nähern, indem man die Kugeln Eiscreme zählt, die im Laufe eines Jahres in den Mündern der Leute verrinnen. Denn dass die süße und geeiste Sahne glücklich macht, wollen Neurowissenschaftler des Institute of Psychiatry in London längst erwiesen haben. Demnach regt der kühle Schleck ähnliche Gehirnregionen an wie etwa das erklingende Lieblingslied oder ein Lottogewinn. So hätten es zumindest Geräte gezeigt, die den Blutfluss im Hirn von Probanden untersuchten.

Folgt man dieser Fährte, war es um das Glück der Menschen in Deutschland zuletzt nicht gut bestellt. Etwa 113 Kugeln Speiseeis hat eine durchschnittliche Person voriges Jahr geschleckt. Das waren knapp vier Prozent weniger als 2020, wie der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) in Bonn mitteilt. Die Branche will vor allem zwei Schuldige ermittelt haben.

Zum einen sei das Wetter insgesamt zu unbeständig gewesen für die Welt von Stracciatella und Zitrone. So hielt sich die Lust auf Erfrischung im verregneten Juli und August 2021 in Grenzen. Schon vorher habe die Saison mit einem ungewöhnlich kalten April begonnen, erinnert der Verband, gefolgt von einem wechselhaften Mai.

Zum anderen entnimmt man Eis ja nicht nur der Fürst-Pückler-Familienpackung der heimischen Tiefkühltruhe. Stattdessen wird statistisch gesehen etwa jede sechste Kugel hierzulande in Eisdielen verkauft. Hinzu kommen das Stieleis oder jene Waffelhörnchen, die beispielsweise der Bahnhofskiosk oder die Imbissbude im Schwimmbad verkaufen. Just dieses Außer-Haus-Geschäft litt voriges Jahr aber unter der Corona-Krise mitsamt wochenlang geschlossener Restaurants oder Freizeitparks. "Unter den gegebenen Umständen ist ein Eis-Pro-Kopf-Verbrauch von nur knapp unter acht Litern noch recht ordentlich", meint denn auch Ernst Kammerinke, Chef der Fachsparte Markeneis des BDSI.

Zählt beim Pro-Kopf-Verbrauch des Menschen natürlich nicht mit: Im Sea Life in Oberhausen wurde einem Otter Eis serviert. Neben Wasser gehörten Fisch, Krebsfleisch und Muscheln zu den Zutaten. (Foto: Sea Life Oberhausen/dpa)

Um das Auskommen von Verbandsmitgliedern wie etwa Langnese muss man sich trotzdem noch keine allzu großen Sorgen machen. Die Hersteller bringen neue Sorten auf den Markt, die dann halt ein bisschen teurer sind als die schnöde Aroma-Vanille. Oder sie verkaufen das Trend-Eis Mochi auf Reisbasis, das aus Japan nach Europa schwappt, mit entsprechendem Euphorie-Aufschlag. So ging der Umsatz der Eisindustrie voriges Jahr nur um gut zwei Prozent zurück, wie der BDSI berichtet.

Dass die Branche also im Schnitt höhere Preise verlangt, dürfte sich in diesem Jahr fortsetzen. So seien die Rohstoffkosten bereits 2021 gestiegen, sagt Eis-Experte Kammerinke, insbesondere für Molkereiprodukte wie Sahne oder Milch. Die Eisindustrie sorge sich auch zunehmend um Lecithin auf Sonnenblumen-Basis, das sie als Hilfsstoff für ihre Gemische benötigt; Sonnenblumen-Produkte sind infolge des Kriegs in der Ukraine spürbar knapper und teurer geworden. Inwiefern die Hersteller höhere Rohstoffpreise aber an Händler weiterreichen können, sei Verhandlungssache der einzelnen Firmen, sagt Kammerinke.

Die Londoner Wissenschaftler haben für ihre Studie übrigens Menschen untersucht, die löffelweise Vanilleeis eines großen, britischen Konsumgüterkonzerns verzehrten. Rein zu Testzwecken, versteht sich. Wie oft Privatleute das gesundheitlich nicht unbedenkliche Experiment in diesem Jahr mit ihrem eigenen Hirn wiederholen werden, hängt dann wohl maßgeblich von der Witterung der nächsten Monate ab. Und davon, ob Freizeiteinrichtungen ihren Öffnungskurs in der Pandemie beibehalten können.

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