Süddeutsche Zeitung

Einzelhandel:Kartellamt kritisiert Macht der Lebensmittelketten

Sie sind groß und mächtig - und sie diktieren die Preise. Die Supermarktketten Aldi, Edeka, Rewe und Lidl haben zu viel Macht, kritisiert das Kartellamt. Und warnt: Die großen Vier dürfen nicht noch größer werden.

Von Kirsten Bialdiga, Bonn

Die vier großen deutschen Supermarktketten Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland haben nach Ansicht des Kartellamts zu viel Macht - und spielen diese gegenüber Lieferanten oft schonungslos aus. Das geht aus einer Studie der Bonner Wettbewerbshüter hervor. "Die großen Handelskonzerne haben bereits jetzt einen gravierenden Vorsprung gegenüber ihren mittelständischen Konkurrenten und genießen strukturelle Vorteile, die sie in den Verhandlungen mit den Herstellern nutzen können", sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt am Mittwoch bei der Vorlage der Studie.

In Einzelfällen geht die Verhandlungsmacht der großen Supermarktketten so weit, dass sie von den Herstellern der Produkte sogar verlangen, dass sie für die Renovierung von Filialen der Händler aufkommen. Auch Rabatte, Bonus-Zahlungen oder Zuschüsse zu den Werbekosten der Supermärkte würden den Lieferanten abverlangt. Als Druckmittel könnten die Ketten aufgrund ihrer Macht die Drohung einsetzen, die Artikel des betreffenden Herstellers aus den Regalen zu nehmen, also nicht mehr in den Supermärkten zu verkaufen. Die Entwicklung sei "besorgniserregend".

Drei Jahre lang hatte die Bonner Wettbewerbsbehörde die Macht der großen Ketten im Lebensmitteleinzelhandel geprüft. Mehr als 200 Hersteller und 21 Handelsunternehmen wurden befragt. Zudem analysierte das Kartellamt rund 3000 konkrete Verhandlungen über Preise und Rabatte für 250 repräsentativ ausgewählte Markenartikel. Darunter waren Produkte aus sieben verschiedenen Warengruppen: Schaumwein, Tiefkühlpizza, Röstkaffee, Konfitüre, rote Feinkostsoßen, Milch und gekühlte Milchkaffeegetränke.

Vier große Ketten kontrollieren 85 Prozent des Marktes

Die vier großen Supermarktketten kontrollieren der Studie zufolge schon heute 85 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels und expandieren weiter. Innerhalb dieser Gruppe gibt es jedoch Unterschiede: Der bei weitem führende Anbieter in Deutschland sei Edeka. Gesamtverkaufsfläche und Standortdichte seien doppelt so hoch wie beim nächstfolgenden Wettbewerber. Schon Edeka allein erreiche einen Marktanteil von 25 bis 30 Prozent. Die Schwarz-Gruppe komme auf 20 bis 25 Prozent, Rewe auf 15 bis 20 Prozent. Aldi Nord und Süd erreichen zusammen 15 bis 20 Prozent Marktanteil und haben insbesondere bei Handelsmarken eine herausragende Stellung.

Dagegen sei Metro mit ihren Real-Märkten im Lebensmitteleinzelhandel nicht mehr der Spitzengruppe zuzurechnen. Ihr Marktanteil liege unter zehn Prozent. Diese Daten seien nun empirisch nachgewiesen - entsprechende Einwände der betroffenen Konzerne seien damit eindeutig widerlegt, sagte Mundt. Der Verbraucher profitiert von der Konzentration im Lebensmittelhandel kaum, denn die niedrigeren Preise kämen häufig bei den Kunden nicht an. Dagegen gebe es Hinweise, dass die Qualität der Produkte leiden könnte, wenn die Hersteller unter Druck gesetzt werden.

Wenige können dem Druck standhalten

Das Argument der Handelskonzerne, sie kauften ihre Waren international ein und konkurrierten mit großen ausländischen Ketten, verfängt der Studie zufolge nicht. Milch etwa kaufen die deutschen Supermärkte zu 99 Prozent bei inländischen Herstellern, Konfitüre zu 97 Prozent und Schaumwein zu 92 Prozent.

Nur sehr wenige Hersteller können sich dem Kartellamt zufolge dem Diktat der Handelskonzerne entziehen. Nur in sechs Prozent der untersuchten Fälle sei eine Marke so stark, dass die Supermärkte gelegentlich Konzessionen machen. Darunter fällt zum Beispiel Nutella.

Direkte Konsequenzen hat die Studie für die Branche zunächst nicht. Mundt kündigte aber an, dass jede größere Übernahme im Lebensmitteleinzelhandel, an der eines der vier großen Unternehmen beteiligt sei, einer vertieften kartellrechtlichen Prüfung unterzogen werden müsse.

Unter genauer Beobachtung stehen künftig auch Einkaufskooperationen zwischen einem der großen Konzerne mit einem kleineren Wettbewerber. Von dieser Art der Zusammenarbeit profitierten ebenfalls insbesondere die großen Handelskonzerne, da sie einen umfassenden Zugriff auf ihre kleineren Partner erhielten. Die Handelskonzerne können zu der Studie bis zum 31. Dezember Stellung nehmen.

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