Einzelhandel in der Weihnachtszeit:Ho-ho-hoch mit den Zahlen

Krise? Welche Krise? In diesem Jahr kaufen die Deutschen mehr Weihnachtsgeschenke als im Vorjahr, sagen die Einzelhändler. Weniger, sagen Studien. In einem sind sich aber alle einig: Es werden mehr sein als 2008 - in der Zeit kurz nach dem Ausbruch der Finanzkrise.

Sophie Crocoll

Für den Mann in der blauen Latzhose gibt es keine Krise. Die Wirtschaft sei doch stark, sagt er, und dass er bei BMW am Band viel zu tun habe. Deshalb steht er jetzt in einem Einkaufszentrum im Münchner Stadtteil Hasenbergl und blättert im Prospekt eines Elektromarkts. Zu Weihnachten will er seiner Familie einen Flachbild-Fernseher schenken, aber er ist noch unentschlossen: LCD, Plasma oder LED? Und wo gibt es das beste Angebot? Bis er sich entschieden hat, kauft er erst einmal einen elektrischen Haarglätter, der ist im Angebot für 9,99 Euro, ein kleines Geschenk für seine Frau.

Weihnachtsdekoration im Kaufhaus

Der Verband des Einzelhandels erwartet für die Weihnachtszeit in diesem Jahr ein leichtes Umsatzplus - 1,2 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr werden die Deutschen diesmal ausgeben, prognostiziert der Verband. Studien prognostizieren anderes.

(Foto: dapd)

Er wird zu Weihnachten in diesem Jahr mehr Geld ausgeben als 2010, das hat er schon fest eingeplant.

Am Samstag beginnt das eigentliche Weihnachtsgeschäft - es sind für den Einzelhandel wichtige vier Wochen, im November und Dezember macht die Branche im Schnitt etwa ein Fünftel ihres Jahresumsatzes. Entgegen allem Krisengerede und trotz der drohenden Rezession kaufen zumindest die Münchner kräftig ein - egal ob in den edlen Boutiquen in der Innenstadt oder im Einkaufszentrum im Hasenbergl.

Der Verband des Einzelhandels (HDE) erwartet für die Weihnachtszeit 2011 ein leichtes Umsatzplus von 1,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das entspräche Mehreinnahmen von 1,2 Milliarden Euro. Studien prognostizieren anderes: Aufgrund der wachsenden Verunsicherung der Deutschen erwarteten zwei Drittel der Händler, dass die Konsumlust sinke, schreibt Ernst & Young. Deutsche Kunden wollten deutlich weniger für Geschenke ausgeben als im Vorjahr, pro Kopf nur noch 213 Euro statt 233 Euro.

Das wäre ein Rückgang um neun Prozent im Vergleich zu 2010 und damit beinahe so groß wie zu Beginn der Finanzkrise 2008. Da hatten die Deutschen gespart und in der Adventszeit zehn Prozent weniger ausgegeben als im Jahr zuvor.

Der Assistent der Geschäftsleitung des Juweliers Wempe in der Münchner Innenstadt lächelt dazu nur. "Wirtschaftliche Probleme treffen unsere Klientel nicht existentiell", sagt er. Viele Kunden sagten sich eher, warum das Geld aufheben, wenn es an Wert verliert, dann doch lieber etwas Schönes davon kaufen. Wempe braucht keine Werbeaktionen zu Weihnachten, auch das Geschäft wird nur dezent für die Adventszeit geschmückt. Drinnen fügt sich die Dekoration in die Farben des Ladens - in Rot und Gold strahlt Wempe ohnehin das ganze Jahr. Im Schaufenster hängen Kränze, darin sind kleine Figuren eingeflochten.

Seidenhose statt Krisenstimmung

"Was man hat, hat man", sagt auch das Rentnerehepaar aus Kassel, das jedes Jahr zum Weihnachtseinkauf nach München reist und Wempes Auslage gerne betrachtet. Besonders die Armbanduhren gefallen den beiden, sie haben sich zu vergangenen Weihnachtsfesten gegenseitig welche geschenkt. Deshalb kaufen sie in diesem Jahr nicht bei Wempe ein. Stattdessen bekommt der Ehemann eine Unterwäschegarnitur aus Seide, 150 Euro koste da allein die Hose. Sie verschenken nicht viel, sagen die beiden, aber sparen werden sie nicht.

Spielwarenbranche bereit für den Weihnachtsansturm

Kaum jemand kann sich dem dunklen Drang entziehen, im Weihnachtsgeschäft mit Wortspielen punkten zu wollen. Kein Wunder: Es ist für die Einzelhändler die wichtigste weil umsatzstärkste Zeit im Jahr.

(Foto: dpa)

Laut einer Umfrage der Postbank plant dieses Jahr jeder Vierte zwischen 100 und 200 Euro auszugeben, und zwar relativ unabhängig vom Einkommen. Bei Haushalten, denen monatlich netto unter 1000 Euro zur Verfügung stehen, sind es 20 Prozent der Befragten, bei Haushalten mit 2500 Euro Nettoeinkommen und mehr sind es 27 Prozent. Den größten Unterschied ermittelte die Postbank bei Geschenken im Wert von 200 bis 400 Euro. Nur drei Prozent der Haushalte mit niedrigem Einkommen planen, so viel auszugeben; bei den Haushalten mit hohem Einkommen sind es 24 Prozent.

Besonders einfallsreich sind die Deutschen dabei nicht. Seit Jahren verschenken sie vor allem Bücher, Schmuck, Parfum und Unterhaltungselektronik. Sie kaufen aber zunehmend im Internet ein. Ernst & Young erwartet, dass bei Online-Händlern im Schnitt für 40 Euro Weihnachtsgeschenke bestellt werden, das sind vier Euro mehr als im Vorjahr. Der zweite Gewinner der Adventszeit sind Einkaufszentren: Der Pro-Kopf-Umsatz dürfte dort von 40 auf 50 Euro steigen.

Darauf hat sich auch das Center im Hasenbergl eingestellt und zur Dekoration Gehege aufgebaut, in denen Stofftier-Rehe mit Kitz und Plüsch-Wildsäue mit Frischlingen in Watteschnee an einer Futterkrippe stehen. Viele Läden blinken und glitzern, sie sind mit Kugeln und Sternen behangen. Die Weihnachtsstimmung hat es trotzdem schwer: Im Einkaufszentrum ist es schlicht zu warm. Die Händler aber erwarten ein gutes Geschäft, mit leichten Zuwächsen beim Umsatz. Sie setzen auf Werbung, in Prospekten und im Fernsehen, um die Kunden anzuziehen. "Wir haben seit einer Woche einen Blu-Ray-Player im Angebot und bisher einen oder zwei verkauft. Heute haben wir Werbung dafür gemacht - und es sind gleich zehn Stück weggegangen", sagt der Filialleiter des Elektromarkts.

Vor seinem Geschäft stehen Weihnachtsmannpuppen im Kunstschnee. Einer von ihnen hält einen Telefonhörer in der Hand. Er wird in den nächsten Wochen wenige Pausen bekommen. Er wird viele Bestellungen annehmen müssen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: