Einzelhandel:Hüpfburg im Gewerbegebiet

Einzelhandel: Sonntags herrscht in der Regel Ruhe in den Einkaufszentren. Manche Einzelhändler würden das gerne ändern.

Sonntags herrscht in der Regel Ruhe in den Einkaufszentren. Manche Einzelhändler würden das gerne ändern.

(Foto: Olaf Döring/Imago)

Wenn es darum geht, Argumente für eine Sonntagsöffnung zu finden, zeigen sich Einzelhändler äußerst erfinderisch. Die Gerichte ziehen da nicht immer mit.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht sucht sich die Quellen sorgfältig aus, und damals, im Dezember 2009, griff es auf eine besonders gelungene Polemik aus dem Katechismus der katholischen Kirche zurück. Der Sonntag, hieß es da, sei ein Tag des Protests gegen die "Fron der Arbeit" und die "Vergötzung des Geldes". Das passte gut ins Karlsruher Urteil, denn das Gericht war angetreten, den Sonntag als allgemeinen Ruhetag zu retten, beileibe nicht nur für den Kirchgang. Sondern im Dienste von Gesundheit, Familie, gemeinsamer Freizeit.

Den Sonntag nicht nur aus religiösen Gründen zu schützen, war eigentlich ein kluger Schachzug, denn die Kirchen schwächeln und der Tag der Ruhe benötigte zusätzliche Legitimation. Beendet war der Streit um den Sonntag damit trotzdem nicht. Jedes Bundesland hat seine eigenen Regeln, wann und wo geöffnet werden darf.

Vor dem Bundesgerichtshof geht es an diesem Mittwoch zum Beispiel um ein Fashion Outlet. Weil es in der Nähe des Flugplatzes Zweibrücken angesiedelt ist, darf es einer Verordnung zufolge auch sonntags öffnen, in Ferienzeiten, wenn viel geflogen wird. Das Problem: In Zweibrücken gibt es keinen richtigen Flugplatz mehr, denn der kommerzielle Linienverkehr wurde 2014 eingestellt; übrig geblieben sind vor allem Fracht- und Geschäftsflüge. Die Paragrafen zur Sonntagsöffnung hängen also, wenn man so will, in der Luft. Deshalb will ein Konkurrent die Schließung des Outlets einklagen.

Menschen sind nicht nur Konsumenten, sondern auch Arbeitnehmer

Verbreitet ist zudem die Suche nach Schlupflöchern, und da bieten sich städtische Festivitäten an, eine Messe oder ein Marktsonntag. "Anlassbezogene Sonntagsöffnungen" nennen die Gerichte das. Die Kommunen agierten hier oft im Gleichklang mit dem Einzelhandel, hat Marcel Schäuble von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi beobachtet: "Da ist man sehr kreativ in den Städten." Da sollen dann drei Trödelstände neben dem Einkaufszentrum oder eine Hüpfburg im Gewerbegebiet herhalten, um den flächendeckenden Sonntagsverkauf zu rechtfertigen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat hier längst Grenzen gezogen. Erstens muss klar sein, dass das Fest die Attraktion ist - und nicht das Alibi für den Einzelhandel. Und zweitens bleibt die Ladenöffnung räumlich begrenzt. So meldete die Gemeinde Herrieden ("Aktivstadt an der Altmühl") kürzlich betroffen, der Verwaltungsgerichtshof habe den geplanten Sonntagsverkauf anlässlich des Frühjahrsmarktes teilweise untersagt. Einige Geschäfte waren dem Gericht schlicht zu weit weg von den Marktständen.

Einen anderen Kniff hat vor einigen Jahren ein Berliner Biomarkt ausprobiert. Er stellte zwei kostenlose E-Ladesäulen auf - und behauptete, er sei nun eine Tankstelle, die sonntags öffnen dürfe. Dem Verwaltungsgericht Berlin war das dann doch zu durchsichtig; die Ladestation sei nur eine "untergeordnete Nebenleistung" zum Supermarkt. Der Laden blieb sonntags zu.

Aber geht die gerichtliche Verteidigung des Sonntags nicht doch zulasten der Kunden, die sonntags gern shoppen würden? Menschen sind nicht nur Konsumenten, sondern auch Arbeitnehmer, warnt Marcel Schäuble. Und wenn sonntags der Einzelhandel öffnet, dann müssen irgendwann der Großhandel sowie die Dienstleister nachziehen. Dann wird es doch nichts mit dem Sonntagseinkauf - weil man selbst arbeiten muss.

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