Süddeutsche Zeitung

Einwegbecher:Pappsatt

Praktisch, aber schlecht für die Umwelt: Eine Studie des Umweltbundesamtes zeigt, wie viel Müll die To-go-Becher verursachen - und welche Alternativen besser wären.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Der rote Becher ist für die Ministerin. "Weil er auch zur SPD passt", sagt Sibylle Meyer vom 2016 gegründeten Start-up Fair Cup und drückt Svenja Schulze einen Mehrweg-Kaffeebecher mit Deckel in die Hand. Die beiden sind kaum zu sehen hinter all den Kameras, die im Bundesumweltministerium aufgebaut worden sind. Sie sind wegen des roten Bechers da - oder genauer gesagt wegen all der Einwegbecher, die er in Zukunft verdrängen soll. Jedenfalls, wenn es nach Sibylle Meyer und nach SPD-Umweltministerin Schulze geht, die den Einwegkaffeebechern am Dienstag den Kampf angesagt hat.

Ausgangspunkt für Schulzes Anti-Einwegbecher-Auftritt ist eine neue Studie des Umweltbundesamtes (UBA) über "Becher im Segment der Heißgetränke im Außer-Haus-Verzehr", wie die Behörde die allgegenwärtigen To-go-Becher nennt. Das Ergebnis der Untersuchung: 2016 lag das Kaffeebecher-Aufkommen hierzulande bei 2,8 Milliarden, 34 Becher je Einwohner. Für Einwegbecher, sagte Schulze, würden wertvolle Ressourcen wie Holz, Wasser, Kunststoff und Energie immer wieder neu benötigt. "Und im Schnitt verwenden wir alle so einen Becher maximal 15 Minuten lang."

Schulze kündigte an, "die Hersteller von Einwegbechern stärker zur Kasse zu bitten". Möglich sei das entweder über die Pflicht, in einen "Littering-Fonds" einzuzahlen, über den dann die Reinigung des öffentlichen Raums mitfinanziert werde; Littering bezeichnet das Wegwerfen von Müll in die Landschaft. Denkbar sei aber auch eine Regelung im Verpackungsgesetz, etwa höhere Lizenzgebühren für Einwegbecher. Dadurch werde deren Einsatz unattraktiver, Mehrweg dagegen wirtschaftlicher und Kaffee aus Mehrwegbechern günstiger, weil Kunden die Lizenzgebühren nicht zahlen müssen. Zudem solle mit der Gastro-Branche vereinbart werden, vorrangig Mehrwegbecher auszugeben. Schließlich will Schulze noch Wegwerfbecher aus geschäumtem Polystyrol verbieten.

Der UBA-Studie zufolge sind sechs von zehn verwendeten Wegwerfbechern kunststoffbeschichtete Papierbecher, die restlichen reine Kunststoffbecher. Das ist aber noch nicht alles: Hinzu kommen noch 1,3 Milliarden Kunststoffdeckel. Während die Pappbecher von Bäckereien oder Cafés verkauft werden - meist mit eben jenen Deckeln - kommen die in der Regel deckellosen reinen Plastikbecher aus Automaten, die in Unternehmen stehen, in Krankenhäusern oder auf Bahnsteigen.

Fast-Food-Verpackungen aus Styropor werden verboten – ab 2021

Cafés und Kioske können gut auf sie verzichten, viele Imbisse und Restaurants tun sich hingegen schwer. Trotzdem steht fest: Sie dürfen ihr Essen künftig nicht mehr in Styropor-Kartons herausgeben oder ausliefern. Dafür haben die EU-Staaten am Dienstag gestimmt. Sie haben das EU-weite Verbot gewisser Einwegplastik-Artikel abgenickt, aber auch das von Fast-Food-Verpackungen aus "expandiertem Polystyrol", wie Experten sagen. Der Kunststoff gehört zu den am meisten verwendeten Verpackungsmaterialien in Deutschland. Viele Imbisse greifen statt Behältern aus Pappe oder Plastik auf Styropor zurück. Sie schätzen das Material, weil es leicht und gleichzeitig stabil ist, den Inhalt zudem wahlweise warm oder kalt hält. Hinzu kommt, dass es ein paar Cent günstiger ist als seine umweltverträglicheren Pendants - in der Systemgastronomie durchaus relevant. Für die Herstellung von Styropor werden allerdings viele Liter Erdöl benötigt, es ist biologisch nicht abbaubar und macht im Recycling große Probleme. Das Problem liegt im Grundstoff, den kleinen Granulat-Kügelchen: Diese werden bei der Herstellung der jeweiligen Produkte verklebt, sie verschmelzen aber nicht völlig miteinander und können sich deshalb auch vergleichsweise leicht voneinander lösen. Die Kügelchen reiben sich überall ab, sind auch im Recycling nur schwer von anderen Materialien zu trennen und gelangen dazu noch häufig in die Umwelt und landen über Flüsse in die Weltmeere, wo sie sich anschließend nie vollständig zersetzen. Umweltschützer begrüßen daher das Verbot - es tritt allerdings nicht sofort in Kraft: Die Restaurants haben noch zwei Jahre Zeit, um die Styropor-Behälter abzuverkaufen und sich umzustellen. Erst dann müssen die EU-Mitgliedstaaten das Verbot umgesetzt haben. Umweltministerin Svenja Schulze sagte am Dienstag jedoch, sie wolle erreichen, dass das in Deutschland schneller gehe. Sie sei dazu im Gespräch mit dem Handel. Vivien Timmler

Laut Umweltbundesamt entsprechen die 2,8 Milliarden Einwegbecher etwa 28 000 Tonnen Abfall; 18 800 Tonnen Papier oder Pappe und 8900 Tonnen Kunststoff. Verglichen mit dem sonstigen Papier- und Plastikmüll sei das nicht viel, so das UBA. Die "abfallwirtschaftliche Problematik der Becher" liege im Abfallvolumen von 400 000 Kubikmetern. Das entspreche dem Füllvolumen von etwa acht Millionen Mülleimern, wie sie üblicherweise in den Städten stehen. Kurz gesagt: Die Kaffeebecher verstopfen die Abfalleimer im öffentlichen Raum.

Besser sind Mehrwegbecher erst, wenn sie mindestens zehnmal, besser 25 Mal genutzt werden

Ein Beispiel: In Berlin sind zehn bis 15 Prozent der öffentlichen Mülleimer mit To-go-Bechern im wahrsten Sinne des Wortes zugemüllt. Die Becher, die nicht mehr reinpassen, landen oft auf dem Gehweg oder der Wiese im Park. Die Kosten für die Entsorgung tragen die Kommunen und damit am Ende alle Bürger. Ende vergangenen Jahres hatte die damalige Chefin der Berliner Stadtreinigung, Tanja Wielgoß, im Gespräch mit der SZ gesagt, der Einwegbecher habe den Hundehaufen abgelöst als größtes Ärgernis in der Stadt. "Wir fragen die Bevölkerung", sagte sie, "und da ist der Hundekot nicht mehr besonders weit oben, die Einwegverpackung dagegen schon." Untersucht wurde in der Studie des Umweltbundesamtes auch die Ökobilanz von Einwegbechern verglichen mit solchen, die mehrmals genutzt werden - entweder über ein Pfandsystem oder über Becher, die den Kunden gehören und die sie dann selbst mitbringen und befüllen lassen. Besser sind die Mehrwegbecher demzufolge erst, wenn sie wirklich mehrmals genutzt werden, mindestens zehnmal, besser 25 Mal. Für die Ökobilanz spielt beispielsweise auch eine Rolle, ob die Spülmaschine, in der die Becher gespült werden, mit Ökostrom betrieben wird oder nicht.

Womit der rote Becher, den Schulze am Dienstag überreicht bekam, wieder ins Bild rückt. Das Start-up Fair Cup, das die Berufsschullehrerin Sibylle Meyer mit ihren Schülern ins Leben gerufen hat, will nämlich ein bundesweites Mehrweg- und Pfandsystem etablieren mit seinen wiederverwendbaren Kunststoffbechern. 800 Partner, von Supermärkten bis Bäckereien, nutzen die Becher nach Angaben von Fair Cup schon. Sie kosten einen Euro Pfand plus 50 Cent für den Deckel. Und auch die ersten Leergutautomatenhersteller seien bereit, die Becher genau wie Pfandflaschen zu behandeln.

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Quelle:
SZ vom 22.05.2019
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