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Wie Apple & Co. den Fiskus austricksen:Steuertrickser.com

Sie beherrschen das Internet. Sie sammeln weltweit Daten. Sie verdienen Milliarden - und zahlen kaum Steuern. Apple, Google und andere Technologiekonzerne nutzen legale Schlupflöcher, um sich dem Zugriff des Fiskus zu entziehen. Auch Deutschland ist betroffen.

Varinia Bernau und Malte Conradi

Apple beschäftigt die besten Entwickler und die besten Designer. Und natürlich vermarktet Apple seine iPods, iPhones und iPads auch besser als alle anderen. Doch das allein hat den Konzern aus Kalifornien nicht zum wertvollsten Unternehmen der Welt gemacht. Das ist nur möglich, weil Apple, wenn auch im Verborgenen, einige der besten Steuerberater hat.

Deren Ergebnisse können sich sehen lassen: Im vergangenen Fiskaljahr zahlte Apple außerhalb der USA Einkommensteuern in Höhe von 556 Millionen Euro, wie aus Steuerunterlagen hervorgeht, die das Unternehmen Ende Oktober einreichte. Angesichts eines im Ausland erzielten Gewinns von 28,7 Milliarden Euro ist das erstaunlich wenig. Ein Steuersatz von gerade einmal 1,9 Prozent, um genau zu sein. 2011 sollen es noch 2,5 Prozent gewesen sein, im Jahr davor sogar 3,2 Prozent.

Zum Vergleich: In Deutschland zahlen selbst Mittelständler fast das Zehnfache. Zwar zahlt Apple solch niedrige Steuersätze nur für Geschäfte außerhalb seiner Heimat. Doch der US-Konzern schreibt immerhin 70 Prozent seines Gewinns Auslandsgeschäften zu. Dabei sitzen gerade einmal ein Drittel der Apple-Läden außerhalb der USA, der Konzern verbucht dort auch nur zwei Drittel seiner Umsätze.

Technologiefirmen wie Apple haben im Vergleich zur Old Economy einen entscheidenden Vorteil. Ihr Geschäft machen sie mit Ideen. Mit Erfindungen etwa, die sie sich patentieren lassen, um Lizenzgebühren zu kassieren. "Und wo diese Ideen entstehen, ist Ansichtssache", sagt ein Steuerrechtler.

Gewinne werden zwischen Ländern hin und her geschoben

Er will, wie so viele andere Experten auf diesem Gebiet, nicht namentlich genannt werden, weil eigene Klienten ähnliche Modelle nutzen. Denn Apple ist zwar besonders erfolgreich, wenn es darum geht, so wenig Steuern wie möglich zu zahlen. Allein ist der Konzern dabei nicht. Es gibt kaum ein Technologieunternehmen, das nicht dieselben völlig legalen Tricks nutzt. "Das machen inzwischen alle", sagt der Steuerrechtler.

Die Tricksereien tragen Namen wie "Double Irish" oder "Dutch Sandwich". Dahinter verbergen sich ausgefeilte Finanzkonstruktionen, die zeigen, was die Globalisierung möglich macht: Großkonzerne schieben ihre Gewinne so lange von Land zu Land, bis kaum etwas davon beim Fiskus hängen bleibt. Ein Kunde, der in einem Hochsteuerland wie Deutschland ein neues iPhone kauft, spült der deutschen Niederlassung von Apple zwar viel Geld in die Kasse. Doch dort bleibt gerade einmal genug hängen, um die laufenden Kosten für den hiesigen Vertrieb zu decken. Steuern entstehen hierzulande also nicht.

Denn die deutsche Tochtergesellschaft reicht die Einnahmen an eine irische Mutter weiter, von der sie das Handy zuvor gekauft hat. Und Irland ist ein Steuerparadies für ausländische Unternehmen: Gerade einmal 12,5 Prozent Unternehmensteuern werden dort fällig, so wenig wie in keinem anderen der 30 Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Doch es geht noch besser: Manche Unternehmen haben eine zweite irische Gesellschaft, an die die Gewinne weitergereicht werden. Ihr gehören nämlich alle Patente, für die sie Lizenzgebühren von den Schwesterfirmen kassiert. "Der Charme dabei ist, dass diese Gesellschaft von einem Steuerparadies in der Karibik aus geführt wird, wo überhaupt keine Steuern auf Unternehmensgewinne erhoben werden", erläutert ein Fachmann, der selbst schon an solchen Konstruktionen gefeilt hat. Außer Irland bieten in der EU noch die Niederlande und Luxemburg solch unternehmerfreundliche Bedingungen.

Die beiden Benelux-Länder halten sogar spezielle Steuerpauschalen im niedrigen einstelligen Bereich für Gewinne aus geistigem Eigentum bereit. Ihr Kalkül: Die angelockten Unternehmen mögen zwar nicht viel Geld in die Staatskasse spülen. Das tun dafür ihre Mitarbeiter. "Die Arbeitsplätze sind der einzige Grund, solche Modelle anzubieten", heißt es aus einer großen Kanzlei.

Die eigentliche Kunst besteht für die Unternehmen aber gar nicht darin, Steuern dort zu vermeiden, wo ihre Produkte verkauft werden. Ihnen geht es vor allem darum, die Abgaben in ihrer Heimat zu minimieren. Möglich macht das eine Besonderheit, die es nur im amerikanischen Steuerrecht gibt: Der Fiskus beteiligt sich erst dann an den Unternehmensgewinnen, wenn das Geld ins Land geholt wird. So lange Apples Einnahmen also in Dublin, in Amsterdam oder auf den Bermuda-Inseln liegen, interessieren sich die US-Steuerbehörden nicht dafür.

US-Regierung macht Deal mit der Branche

Im Jahr 2004 machte die US-Regierung mit den Unternehmen einen Deal. Die Konzerne erhielten Steuernachlässe - unter der Bedingung, dass sie das im Ausland geparkte Geld in die Heimat holen und dort investieren. Insgesamt 58 Milliarden Dollar zogen allein die Technologiekonzerne aus dem Ausland ab. Der Fiskus verzichtete auf enorme Steuereinnahmen. Aus den Investitionen aber wurde nichts. Im Gegenteil: Jene 15 Unternehmen, die damals am stärksten von den Steuernachlässen profitierten, haben seither insgesamt 20.931 Stellen in ihrer Heimat gestrichen.

Das Greenlining Institute, eine US-Forschungseinrichtung, hat sich die Mühe gemacht, diese Zahlen zusammenzutragen. Denn derzeit trommelt eine Allianz, der neben Apple etwa die Softwarekonzerne Adobe und Microsoft, der Suchmaschinenbetreiber Google und der Netzwerkausrüster Cisco angehören, dafür, den Deal von 2004 neu aufzulegen.

Wer bei den Unternehmen nachfragt, warum sie sich ihrer Verantwortung entziehen, der merkt, dass diese ein anderes Verständnis von Verantwortung haben: Man zahle "alle anwendbaren Steuern in jedem der Länder, in denen das Unternehmen tätig ist", heißt es etwa bei Amazon. Im Übrigen beschäftige man in der europäischen Zentrale in Luxemburg Hunderte Mitarbeiter. Beim Chiphersteller Intel verweist man darauf, dass das Unternehmen der größte freiwillige Abnehmer von grüner Energie in den USA sei und zehn Millionen Lehrer beim Einsatz elektronischer Geräte im Unterricht unterstütze.

430 Milliarden Dollar halten die 30 größten US-Technologiekonzerne laut Berechnung des Greenlining Institute derzeit im Ausland. Und sie werden, falls es mit dem Steuernachlass nichts wird, eine kreative Lösung finden. "Auch für das Heimholen von Geld gibt es attraktive Möglichkeiten", sagt ein Fachmann. Etwa dass Firmentöchter im Ausland an die Mutter in den USA Dividenden ausschütten. Das ist legal - und vermeidet hohe Steuern.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2012/rela
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