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Einschränkung im Wertpapierhandel:Warum Volcker Recht hat

Seit Jahren klagen Europas Politiker über die spekulativen Finanzmärkte. Nun wollen die Amerikaner unter Regie des früheren US-Notenbankchefs Paul Volcker das spekulativste Marktelement eindämmen - und wieder schimpfen die Europäer. Dabei sollten sie sich mit ihrer Kritik zurückhalten: Die von den USA geplante Einschränkung des Eigenhandels tut dem Finanzsystem gut.

Nikolaus Piper

Europas Politiker sind widersprüchliche Wesen. Seit Jahren klagen sie über die spekulativen Finanzmärkte, die ihnen die Rettung der Gemeinschaftswährung so schwer machen. Und nun, da die Amerikaner das spekulativste Element in diesen Märkten tatsächlich eindämmen wollen, ist es auch wieder nicht recht. Europäische Regierungen unterstützen ihre Finanzinstitute - und damit gleichzeitig die Lobby der Wall Street - in ihrem Kampf für die Wahrung des Status quo.

Die Rede ist nicht von der weitgehend sinnlosen Finanztransaktionssteuer, sondern von der Volcker-Regel. Die Regel - sie trägt den Namen ihres Erfinders, des früheren US-Notenbankchefs und Obama-Beraters Paul Volcker - wird Großbanken künftig daran hindern, auf eigene Rechnung mit riskanten Wertpapieren zu handeln.

Am Montag war der letzte Tag, an dem Interessengruppen Einsprüche anmelden konnten. Die Einsprüche kamen tonnenweise, aus dem Inland wie aus dem Ausland. Die Regel sei zu teuer, halte Liquidität von den Märkten fern, benachteilige US-Banken (sagt Wall Street) oder ausländische Banken (sagen die Europäer). Jetzt muss der Kongress darüber entscheiden, ob und wie er die Regeln in die neuen Finanzmarktgesetze schreiben will.

Gelingt es den Gegnern, die Gesetzgebung bis nach der Wahl am 6. November hinauszuzögern und die Republikaner gewinnen dann eine Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses, ist die Regel tot.

Von einem ordnungspolitischen Standpunkt aus ist die Sache glasklar: Alle großen Banken dieser Welt genießen implizite staatliche Subventionen. Sie halten Kundeneinlagen, die im Ernstfall staatlich garantiert werden, und sie werden, bevor es zum Schlimmsten kommt, von den Regierungen gerettet. Das zeigte die Finanzkrise, es zeigt auch die Euro-Krise tagtäglich. Mit indirekt subventioniertem Kapital aber sollen die Banken nicht mehr spekulieren, weil sie sonst nur übersteigerte Risiken eingehen. Auch das hat die Finanzkrise gezeigt.

Mögliche Folgen der Volcker-Regel

Nun gibt es einige gewichtige Argumente gegen die derzeitige Form der Volcker-Regel. Zum Beispiel gibt es großzügige Ausnahmen für US-Staatsanleihen. Das ist nicht nur ein unzulässiges Privileg staatlicher gegenüber privaten Emittenten, es ist auch ein unverfälschtes Stück Protektionismus. Oder kann jemand heute wirklich behaupten, dass kanadische, deutsche oder niederländische Anleihen weniger sicher sind als amerikanische?

Unklar ist auch, wie das Gesetz künftig den verbotenen Eigenhandel vom Handel im Dienste der Kunden unterscheidet. Ein Beispiel: Wenn ein Kunde von der Bank 1000 Stück einer bestimmten Anleihe kaufen will und diese ordert daraufhin die doppelte Menge, um einen günstigen Preis zu sichern. Die zweite Hälfte hält sie in ihren Büchern. Ist das schon verbotener Eigenhandel?

Das Geschäft an der Wall Street wird teurer werden

Tatsächlich wird die Volcker-Regel in der Praxis kompliziert und bürokratisch werden. Aber das ist nur die Konsequenz aus der Tatsache, dass Finanzprodukte so komplex sind. Vermutlich wird die Regel auch Liquidität von Märkten fernhalten und einige Finanzgeschäfte verteuern. Aber gehörte ein Übermaß an Liquidität nicht zu den Dingen, die einst die Finanzkrise ausgelöst haben? Wahrscheinlich wird es Übergangsprobleme geben - so lange, bis alle Beteiligten gelernt haben, mit den neuen Normen umzugehen. Aber das ist wohl unvermeidbar, wenn man den gefährlichen Status quo überwinden will. Und nicht zu vergessen: Die Volcker-Regel hat in ihrer vorläufigen Form bereits einiges verändert an der Wall Street. Besonders Goldman Sachs, aber auch andere Banken, haben ihren Eigenhandel bereits substantiell reduziert.

Insgesamt wird das Geschäft an der Wall Street teurer werden. Aber das ist der Preis der Sicherheit. Gerade Europäer sollten sich darüber eigentlich freuen - und Paul Volcker unterstützen.

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SZ vom 16.02.2012/feko
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