Süddeutsche Zeitung

Einreise-Politik:China drangsaliert ausländische Geschäftsleute

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Verschärfte Bedingungen: Chinas neue Einreisebestimmungen bedrohen die Arbeit vieler ausländischer Unternehmen. Besonders gravierend sind die Probleme für die Kinder deutscher Manager in China.

Janis Vougioukas

Seit April gelten neue Visabestimmungen. Seitdem ist die Einreise in die Volksrepublik kontinuierlich erschwert worden.

Viele ausländische Mitarbeiter bekommen gar keine Arbeitserlaubnis mehr. Geschäftsreisende werden nicht ins Land gelassen. Freiberufler und Mitarbeiter kleiner ausländischer Firmen müssen wieder ausreisen. Die Touristenzahlen sinken.

Vor sechs Wochen tauchten zum ersten Mal Meldungen über strengere Regeln für Visa auf. Mehrere chinesische Universitäten berichteten, dass Gaststudenten das Land für den Zeitraum der Olympischen Spiele verlassen müssten.

Inzwischen betreffen die Neuregelungen auch alle anderen Ausländer. In der internationalen Gemeinschaft in China sind die Einreisebestimmungen inzwischen zum dringendsten Thema geworden. Erste ausländische Firmengründer mussten ihre Kleinbetriebe bereits in China zurücklassen. Mehrere westliche Firmen haben Delegationsreisen absagen müssen

"Wir machen bei allen globalen Konferenzen und Treffen einen großen Bogen um China", sagt der Vertreter eines deutschen Dax-Konzerns, der ungenannt bleiben möchte.

Ein deutscher Topmanager, dessen Unternehmen in China über 6000 Mitarbeiter beschäftigt, musste bei der Verlängerung seines Visums erstmals auch sein Abiturzeugnis vorlegen. Bei einer Blitzumfrage der deutschen Auslandshandelskammer gaben 62,3 Prozent der deutschen Unternehmer an, dass die neuen Einreisebestimmungen ihre Geschäftstätigkeit beeinträchtigen. Das war Ende April. Inzwischen gelten die Probleme für fast alle Unternehmen.

Nachweis über jede Nacht

Viele Geschäftsreisende kamen in den vergangenen Jahrzehnten mit Touristenvisa ins Land. Heute verlangen Botschaften und Konsulate bei der Beantragung genaue Auskunft über die Reiseroute sowie den Nachweis von Flugtickets und Hotelbuchungen für jede einzelne Nacht. Geschäfts-Visa werden nur noch gegen Vorlage eines Einladungsschreibens der chinesischen Regierung erteilt, vorzulegen im Original. Früher reisten viele ausländische Manager in die ehemalige britische Kronkolonie Hongkong, um ihr Visum zu verlängern. Heute müssen die Aufenthaltsgenehmigungen im Heimatland beantragt werden.

Besonders gravierend sind die Probleme für die Kinder deutscher Manager in China. Volljährige Kinder müssen inzwischen ein eigenes Visum beantragen. Bei rund einem Dutzend Kindern in der zwölften Schulklasse der deutschen Botschaftsschule in Peking läuft das Visum Ende des Monats aus. "Die Frage ist jetzt, ob die Kinder danach bleiben dürfen", sagt Schulleiterin Angela Strathmann. Vorsichtshalber hat die Schule eine E-Learning-Plattform eingeführt. Falls die Schüler das Land verlassen müssen, sollen sie den Unterrichtsstoff wenigstens per Internet bekommen.

Etwa 500 deutsche Firmen unterhalten Niederlassungen in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong. Bei den meisten liegt der Schwerpunkt der Geschäftsaktivitäten in China. "Früher wurden die Visa für einen Besuch in der Grenzstadt Shenzhen direkt bei der Einreise erteilt. "Das geht heute nicht mehr", sagt Sabine Florian, stellvertretende Geschäftsführerin der Auslandshandelskammer.

Chinesische Wirtschaft spürt Folgen schon jetzt

Die meisten Unternehmen hoffen, dass die Vorschriften nach den Olympischen Spiele wieder gelockert werden. Doch bis heute hat die chinesische Regierung offiziell nicht einmal die neuen Regeln veröffentlicht und bestreitet sogar, die Vorschriften überhaupt verschärft zu haben. "Visums-Prozedur nicht erschwert", schrieb die amtliche Tageszeitung China Daily noch in der vergangenen Woche.

Dabei sind die Folgen für die chinesische Wirtschaft schon jetzt spürbar. Im April sank die Zahl der ausländischen Besucher um 5,3 Prozent. Selbst für den Zeitraum der Olympischen Spiele in Peking ist eines von vier Hotelzimmern in den Fünfsternehotels noch frei. Bei den Viersternehotels sind mehr als die Hälfte der Zimmer noch nicht reserviert worden. Erst Anfang Mai eröffnete Air Berlin seine neue Route von Düsseldorf nach Schanghai. Nach nur einem Monat reduzierte die Fluggesellschaft die Zahl der wöchentlichen Flüge wegen "sinkender Nachfrage" von fünf auf drei.

China hat in den vergangenen Monaten nicht nur die Einreisebestimmungen verschärft. Siemens sah sich bereits dazu veranlasst, alle Mitarbeiter per E-Mail zur Einhaltung der chinesischen Gesetze aufzufordern. "Alle Aktivitäten im Zusammenhang mit exzessivem Alkoholkonsum, öffentlicher Unruhe, Streit, Kämpfen, schwere Verkehrsvergehen, Drogen, Glücksspiel, Prostitution, Fälschermärkte, Internetrestriktionen, Zollvergehen, politische Aktivitäten und ähnliche Vergehen werden vor und während der Olympischen Spiele streng bestraft."

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SZ vom 03.06.2008/mel
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