Über Sinn und Unsinn einer europäischen Einlagensicherung wurde zuletzt so viel gestritten, dass eine Sache fast in Vergessenheit geriet: Es gibt bereits ein europaweites Sicherungssystem. Es stammt noch aus den wilden Jahren der Finanzkrise, als tatsächlich die Angst vor einem "Bank-Run" umging - also einer Situation, in der Kunden ihre Einlagen zurückfordern und das Finanzsystem endgültig kollabiert. Bis zu 100 000 Euro je Sparer sind seitdem gesetzlich garantiert. Allerdings haftet jedes nationale Sicherungssystem nur für seine eigenen Banken. Das ist der große Unterschied zum umstrittenen Plan der EU-Kommission, die Töpfe zu vergemeinschaften. Denn dann würden beispielsweise die deutschen Sparkassen auch für die griechischen Banken haften.
Jedenfalls: Ein gut gehütetes Geheimnis war bislang, wie viel Geld in den einzelnen Einlagensicherungstöpfen eigentlich liegt. Kürzlich allerdings entdeckte die SZ in einem Papier der europäischen Bankenbehörde EBA entsprechende Rohdaten - die nun von den Zahlenspezialisten der Beratungsfirma Barkow Consulting analysiert wurden. Das Resultat: Bislang haben Europas Banken 42 Milliarden Euro angespart. Gemessen daran, dass die Fonds in der Regel 0,8 Prozent der geschützten Spareinlagen vorhalten sollen, fehlen nach jetzigem Stand noch etwa 30 Milliarden Euro. Grund zur übertriebenen Sorge besteht nicht: Die EU hat den Banken explizit bis 2024 Zeit gegeben, die Sicherungsfonds zu füllen.
In Paris hat man sich einen Vorteil mit einer fragwürdigen Begründung erkämpft
Eine hübsche Pointe ist gleichwohl, dass ausgerechnet in dem Land, dass sich am heftigsten gegen einen Gemeinschaftstopf wehrt, also in Deutschland, die größte Lücke klafft - jedenfalls in absoluten Zahlen: 7,8 Milliarden Euro fehlen hierzulande noch, um die EU-Vorgaben zu erfüllen. Laut der Barkow-Analyse folgen Italien mit 4,7 Milliarden Euro und Spanien mit 4,1 Milliarden Euro. Dagegen fehlen in Frankreich nur noch 1,9 Milliarden Euro. Das liegt aber auch daran, dass die EU nach jetzigem Stand von den dortigen Banken nur eine Deckung von 0,5 Prozent statt 0,8 Prozent verlangt. Die Pariser Finanzlobby hat sich diesen Vorteil mit der eher fragwürdigen Begründung erkämpft, das französische Bankensystem sei besonders "verdichtet" und darum weniger anfällig.
Vergleichsweise gut sind die Sicherungsfonds in vielen osteuropäischen Ländern gefüllt. So liegen im rumänischen Topf schon jetzt 3,4 Prozent der gesamten Spareinlagen des Landes. Ähnlich gut stehen zum Beispiel Estland mit 3,0 Prozent oder Kroatien mit 2,3 Prozent da.
Für die Banken sind Spareinlagen längst ein wichtiger Kostenfaktor
Das heißt allerdings nicht, dass die Schutzmechanismen in diesen Ländern besser sind. Aus der Frage, wie viel Geld schon im staatlichen Sicherungstopf liegt, lässt sich nämlich allenfalls eine begrenzte Aussage über die Qualität einer Einlagensicherung ableiten. Viele andere Faktoren spielen eine Rolle. So unterhalten beispielsweise hierzulande die Sparkassen, die Volksbanken und die Privatbanken als Ergänzung zu gesetzlichen Sicherung jeweils eigene, freiwillige Schutzsysteme. Wie viel Geld in denen liegt, bleibt ein großes Geheimnis.
Für die Banken sind die Spareinlagen übrigens längst ein wichtiger Kostenfaktor. Früher war das anders. Da konnte die Branche mit den Ersparnissen ihrer Kunden wirtschaften, indem sie das Geld zum Beispiel in gut verzinsliche Staatsanleihen anlegte. Die Gebühren für den Sicherungstopf fielen da kaum ins Gewicht. Heute dagegen parken viele Banken einen Teil ihrer Einlagen bei der Europäischen Zentalbank EZB - und zahlen darauf Strafzinsen, die sich allein für die deutschen Institute zwischen Januar und Juli auf 0,9 Milliarden Euro summierten. Die Einlagensicherung kommt nun noch obendrauf. 2016 kostete sie die hiesigen Banken 1,1 Milliarden Euro.