Süddeutsche Zeitung

Einkommen:Wirtschaftskrise drückt Löhne und Gehälter

Die Zahl der Kurzarbeiter steigt, zugleich werden Boni gestrichen. Die Einkommen der Arbeitnehmer sind deshalb deutlich gesunken.

Th. Öchsner

Die Wirtschafts- und Finanzkrise spüren mehr und mehr Menschen in ihrem Geldbeutel. Von April bis Juni dieses Jahres sanken die Reallöhne im Durchschnitt um 1,2 Prozent im Vergleich zum zweiten Quartal des Vorjahres. Wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte, geht dies vor allem auf gestrichene Sonderzahlungen (Boni) und mehr Kurzarbeiter zurück. Bei den Reallöhnen wird ausgerechnet, was sich ein Beschäftigter von seinem Lohn leisten kann. Die Reallöhne fielen damit nochmals deutlich stärker als im ersten Quartal des Jahres. Für diesen Zeitraum hatten die Statistiker ein Minus von 0,4 Prozent ermittelt. Den Arbeitnehmern droht somit nach Angaben der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung das sechste Jahr in Folge mit Reallohnverlusten.

Schuld an den Einbußen im zweiten Quartal ist aber nicht die Inflationsrate. Diese blieb mit 0,3 Prozent relativ niedrig. Hauptursache sind die fallenden Bruttoverdienste. Sie gingen im Durchschnitt um ein Prozent zurück. Ob Arbeitnehmer mehr oder weniger in der Tasche haben, hängt jedoch vor allem davon ab, in welcher Branche sie arbeiten. Verantwortlich für das Minus ist in erster Linie der Wegfall von Boni bei Banken und Versicherungen. Die Angestellten in der Finanzbranche büßten etwa 20 Prozent ihrer in der Regel hohen Sonderzahlungen ein. Insgesamt gingen die Bruttomonatsverdienste in den Banken und Versicherungen um 4,1 Prozent zurück.

Lohnplus für Erzieher

Einen starken Rückgang verzeichneten die Statistiker auch in der Metallbranche mit einem durchschnittlichen Minus von zwölf Prozent. Bei den Autoherstellern verringerten sich die Bruttomonatsverdienste um 8,8 Prozent. Insgesamt gingen sie im Verarbeitenden Gewerbe um 5,0 Prozent zurück. In den exportabhängigen Branchen, die vom Einbruch des Welthandels besonders stark betroffen sind, ist Kurzarbeit weitverbreitet. Das Kurzarbeitergeld, das die Bundesagentur für Arbeit zahlt, gleicht zwar den Verdienstausfall teilweise aus. Es wird aber in der Einkommensstatistik nicht berücksichtigt, weil es eine Sozialleistung ist.

In vielen Branchen erhöhten sich allerdings die Verdienste. Mit an der Spitze sind Erzieher mit einem Bruttolohnplus von fünf Prozent, gefolgt von der öffentlichen Verwaltung (plus 3,2 Prozent) und dem Gesundheits- und Sozialwesen (3,8 Prozent). Spitzenreiter waren bestimmte Dienstleister wie Wirtschaftsprüfer oder Arbeitsvermittler, die es im Schnitt auf ein Plus von 7,4 Prozent brachten.

Sollten die Reallöhne in diesem Jahr weiter sinken, müsste die Rentengarantie der Bundesregierung kommendes Jahr das erste Mal greifen. Sie soll ein Absinken des Rentenniveaus verhindern, das an die Lohnentwicklung gekoppelt ist. Das Mannheimer Forschungsinstitut Ökonomie und Demographischer Wandel (MEA) ist überzeugt, dass der Ausfall bei den Lohneinkommen sich in den nächsten zehn Jahren negativ auf die Rentenzahlungen auswirken wird. "Die jüngeren Jahrgänge müssen die Kosten der Garantie in Form höherer Beitragssätze zahlen", sagte der Direktor des MEA, Professor Axel Börsch-Supan am Montag in Berlin. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) warnte dagegen vor allzu pessimistischen Voraussagen. Der Beitragssatz von derzeit 19,9 Prozent werde bis 2020 nicht über 20,0 Prozent steigen.

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SZ vom 22.09.2009/tob
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