Einkommen:Im Osten viel Neues

Wer das reiche Starnberg mit dem armen Duisburg vergleicht, würde nicht auf die Idee kommen: 30 Jahre nach der Wende gleichen sich die Lebensverhältnisse in Deutschland an. Das liegt vor allem an der Aufholjagd der fünf Ost-Bundesländer.

Von Jan Heidtmann

Deutschland wird immer gleicher, zumindest was die Einkommen angeht. Das ist das Ergebnis einer Studie des Ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts. "Anders als viele Menschen denken, verringert sich bei den Einkommen das Stadt-Land-Gefälle und das Gefälle zwischen West und Ost", sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest bei der Vorstellung des Berichtes in München. So war 1994 das Durchschnittseinkommen in den zehn Prozent der wohlhabendsten Kreise noch um 57 Prozent höher als in denen mit dem niedrigsten Einkommen. 2016, dem Ende des Untersuchungszeitraumes, waren es nur noch 45 Prozent.

Auslöser dafür ist der Studie zufolge vor allem die Entwicklung in Ostdeutschland. 30 Jahre nach der Wende ist es vielen Regionen in den neuen Bundesländern gelungen, aufzuholen. Seit 2006 haben sich besonders die Durchschnittseinkommen in den ostdeutschen Städten denen im Westen der Republik angenähert. Auch bei dem zweiten Schwerpunkt der Studie, dem Stadt-Land-Gefälle, beeindruckt der Osten: Waren dort die Unterschiede regelmäßig größer als im Westen, haben sich die Lebensverhältnisse inzwischen erheblich angeglichen. Bei manchen Kennziffern sind die Differenzen inzwischen sogar geringer als im Westen. So gesehen lässt sich der Bericht fast als nachträgliche Bestätigung der gerade beschlossenen Reduzierung des Solidaritätszuschlags lesen.

Dass der Osten dennoch weiterhin hinter dem Westen liegt, hat nicht nur mit dem insgesamt geringeren Einkommensniveau zu tun. "Bei der demografischen Entwicklung hingegen nehmen die Unterschiede zu", sagt Ifo-Präsident Fuest. "Vor allem auf dem Land im Osten schrumpft und altert die Bevölkerung deutlich schneller als in den Städten." Tatsächlich entwickeln sich Städte wie Leipzig, Halle oder Potsdam genau umgekehrt: Im Mittel sind die Bewohner hier inzwischen jünger als in den Städten Westdeutschlands.

Die Studie des Ifo-Instituts wirft erneut die Frage auf, weshalb ein größerer Teil der Bewohner der neuen Länder mit seiner Lebenssituation offenbar nach wie vor unzufrieden ist. Darauf deutet zumindest die hohe Zustimmung für die Rechtspopulisten bei den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg hin. Forscher des Berlin-Instituts haben für ihren "Teilhabeatlas Deutschland" zusätzlich die einzelnen Lebenslagen in den Regionen erkundet: Wie ist die Qualität der Schule? Gibt es einen Arzt in der Nähe? Besteht einen schnelle Internetverbindung?

Dabei zeigte sich, dass in den ländlichen Gegenden Ostdeutschlands teils die gesamte Infrastruktur vom Bäcker bis zur Bank weggebrochen ist. Nur im Speckgürtel rund um Berlin und im Brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald erkennen die Autoren der Studie mit den wohlhabenden Regionen Deutschlands vergleichbare Lebensbedingungen. In Gegenden wie der Braunkohleregion Lausitz hingegen sorgten sich viele Menschen um ihre Zukunft - trotz milliardenschwerer Hilfen vom Bund für den Strukturwandel.

Diese Stimmung teilen sie mit einer der erfolgreichsten Gegenden Deutschlands: Auch die Menschen rund um den Automobilstandort Stuttgart plagten erhebliche Zukunftsängste - wegen der Umbrüche in der Industrie.

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