Einkauf von Tomaten:"Der Preiskampf findet da statt, wo die Masse ist"

Tomaten Gemüse Lebensmittel Die Recherche

Die Deutschen lieben Tomaten - aber nicht um jeden Preis.

(Foto: Nordreisender / photocase.com)

Tomaten sind das meistverkaufte Gemüse in Deutschland. Entsprechend sensibel reagieren die Kunden, wenn die Preise in den Wintermonaten steigen. Welche Kosten bei Produktion und Transport entstehen und warum es ganz einfach ist, gute und günstige Tomaten zu kaufen.

Von Daniela Dau

Rot, fest und trotzdem saftig-süß im Geschmack - so mögen die Deutschen ihre Tomaten am liebsten. Dazu sollen sie frisch gepflückt sein und in der Erde gezogen wie früher in Omas Garten. Doch wer in den Wintermonaten zu Tomaten greift, legt vorwiegend Gemüse aus dem "Mar del Plastico" (Plastikmeer) in den Einkaufswagen. So wird jener mit Foliengewächshäusern bedeckte Landstrich im größten spanischen Anbaugebiet in der Provinz Almeria genannt. Oft halten die dort geernteten Früchte in Farbe und Geschmack nicht das, was Werbebilder versprechen.

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6,7 Kilogramm frische Tomaten wurden in Deutschland pro Kopf im Wirtschaftsjahr 2012/2013 verzehrt, besonders beliebt sind derzeit die kleinen Kirsch- oder Dattel-Tomaten. Rechnet man noch 13,9 Kilogramm verarbeitete Tomaten in Saucen, auf der Pizza und im Ketchup dazu, kam jeder Deutsche auf einen Tomatenkonsum von 20,6 Kilogramm pro Jahr - keine andere Gemüsesorte ist beliebter hierzulande. Das ganze Jahr über sind Tomaten in Supermärkten, bei Discountern, in Obstgeschäften und auf Wochenmärkten zu haben. Nur leider nicht immer zum selben Preis.

Ansehen soll man den Tomaten das Freiland nicht

Anfang Februar 2014 kosteten Rispentomaten normaler Größe nach Angaben des Agrarmarkt-Informationsdienstes (AMI) im Durchschnitt 2,68 Euro pro Kilo. Nach den heißen Sommermonaten war dieselbe Sorte Anfang September 2013 für nur 1,02 Euro pro Kilo zu haben. Um den enormen Bedarf zu decken und den Qualitätsansprüchen der Verbraucher gerecht zu werden, werden die meisten Tomaten industriell produziert. "Wir haben es vor fünf Jahren mal mit einer größeren Anbaufläche für Freilandtomaten versucht", erinnert sich Christian Müller von der Erzeugerorganisation Reichenau-Gemüse am Bodensee, "sind damit aber im Grunde gescheitert." Denn sieht der Verbraucher den Tomaten ihren Anbau bei Wind, Regen und Hagel an, greift er doch lieber zu den glänzend roten und makellosen Früchten.

61 200 Tonnen Tomaten wurden im Jahr 2012 in Deutschland angebaut, überwiegend in Glashäusern. 637 000 Tonnen wurden aus EU-Mitgliedstaaten importiert. Der größte Teil kommt aus den Niederlanden, gefolgt von Spanien, Belgien und Italien. Hauptlieferant außerhalb der EU ist Marokko.

Damit Tomaten zahlreich wachsen und womöglich auch schmecken, benötigen sie viel Licht und eine konstante Temperatur von etwa 20 Grad. Niederländische Landwirte haben die Massenproduktion in Glashäusern als erste optimiert, der Geschmack blieb dabei aber auf der Strecke. Noch in den 90er Jahren wurden Holland-Tomaten als "schnittfestes Wasser" geschmäht. Inzwischen wird im Nachbarland viel mit Sorten experimentiert, an den Produktionsbedingungen hat sich wenig geändert: Die Tomatenpflanzen gedeihen in Steinwolle-Ziegeln, Wasser und Dünger werden computerunterstützt zugeführt, Heizung und Belüftung garantieren eine gleichmäßige Temperatur. Nur bei der Bestäubung und Schädlingsbekämpfung hat die Natur die Hand im Spiel: Hummeln und Nützlinge wie die Schlupfwespe erledigen das.

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