Süddeutsche Zeitung

Einigung mit Katar:Die Scheichs fahren auf Porsche ab

Die Entscheidung ist gefallen: Das Emirat Katar steigt beim integrierten Autokonzern aus Porsche und VW ein - und wird zum drittgrößten Aktionär.

Der Einstieg des Scheichtums Katar bei VW und Porsche ist perfekt. Das Emirat übernimmt über seine Investmentgesellschaft zunächst zehn Prozent der Stammaktien des Porsche-Dachkonzerns, teilte Porsche mit.

Zudem nimmt Katar den Großteil der Aktienoptionen auf Volkswagen-Anteile ab, die Porsche sich ursprünglich bei mehreren Banken gesichert hatte. Durch die Abgabe der Optionen werden bei Porsche nun eine Milliarde Euro frei, die der Konzern als Sicherheit dafür hinterlegt hatte.

Wie viele Aktien das sind, wollte Porsche nicht mitteilen. Fest steht aber, dass die Familien Porsche und Piëch im neuen VW-Konzern weniger zu sagen haben werden: Ihr Anteil der Stimmrechte fällt auf nur noch 35 bis 39 Prozent, möglicherweise noch niedriger, wie VW-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch sagte. Bislang hielt die den Familien gehörende Porsche SE noch über 50 Prozent der VW-Aktien.

Kredit für Porsche

Die genauen Kapitalanteile an dem bis zum Jahr 2011 fusionierten Unternehmen würden im Zuge der Verschmelzung noch von einem Prüfer ermittelt, sagte Pötsch weiter. Das Emirat Katar werde mit "substanziellem Anteil dritter großer Aktionär bei VW werden", sagte er. Der Anteil des Emirats werde "leicht unter der Größenordnung von Niedersachsen" liegen.

Außerdem erhält Porsche von Katar einen Kredit über bis zu 265 Millionen Euro als Teil eines von 16 Banken bereitgestellten Konsortialkredits. Ursprünglich hatte sich Porsche bei Katar um einen Kredit über 750 Millionen Euro bemüht. Wolfgang Porsche sagte zu dem Einstieg von Katar: "Das fällt mir nicht schwer, der Familie fällt es nicht schwer." Es sei eine "gute Entscheidung".

Mit dieser Nachricht ist die erbitterte Übernahmeschlacht zwischen VW und Porsche endgültig geschlagen - nach den historischen Weichenstellungen will der neue Autogigant nun die Konkurrenz das Fürchten lehren. Mit Porsche als zehnter Marke bläst Volkswagen mehr denn je zur Offensive und will Toyota als weltgrößten Autobauer vom Thron stoßen.

Historische Entscheidung

VW-Boss Martin Winterkorn, der starke Mann im Großkonzern, richtete am Freitag eine Kampfansage an die Wettbewerber: "Bei der Konkurrenz, nicht nur in München und Untertürkheim, steigt der Blutdruck."

Immer wieder richtete VW am Tag eins nach den historischen Entscheidungen zur Bildung eines integrierten Autokonzerns den Blick auf die Weltspitze. Der VW-Konzern habe das Zeug dazu, bis 2018 die Nummer Eins zu werden. Doch: "Auch wenn unsere Konkurrenten derzeit geschwächt sind, sie werden zurückkommen, besonders der aus Japan - stärker und aggressiver als je zuvor", sagte Winterkorn.

Bislang ist VW nach Toyota und dem US-Autohersteller General Motors, der ums Überleben kämpft, die Nummer drei weltweit.

Durch die Zusammenführung von Volkswagen und Porsche entstehe ein integrierter Automobilkonzern mit einem Absatz von rund 6,4 Millionen Fahrzeugen und mehr als 400.000 Mitarbeitern.

Zwar wächst der Konzernabsatz mit Porsche nur unwesentlich - nach dem monatelangen Machtkampf voller Ränkespiele aber wollen die Unternehmen nun an einem Strang ziehen und sehen ein großes Potenzial bei der Zusammenarbeit. "VW und Porsche, das haben wir uns geschworen, schauen nur noch nach vorne", sagte Winterkorn vor 20.000 Beschäftigten bei einer Betriebsversammlung vor der VW-Zentrale. "Gemeinsam werden wir noch stärker sein."

Mit der kleinen, aber hoch profitablen Stuttgarter Sportwagenschmiede stärkt der VW-Konzern nicht nur seine Ertragskraft, sondern vor allem seine Stellung im Luxuswagensegment.

"Daimler und BMW müssen sich überlegen, wie sie gegen dieses Phalanx des VW-Konzerns im Premiumsegment angehen", sagte der Auto-Experte Willi Diez. Audi sei bereits auf Augenhöhe, nun komme auch noch Porsche hinzu. "Eine strategische Konsequenz für Daimler und BMW wäre, ihre bescheidenen Kooperationsansätze zu vertiefen."

Viele Probleme zu lösen

Doch auch bei VW und Porsche sind noch längst nicht alle Probleme geklärt, viele Fragen sind noch offen. In einem Kraftakt hatten die Aufsichtsräte beider Unternehmen am Donnerstag einer Grundlagenvereinbarung zugestimmt. Bis zuletzt ging es - begleitet von einer Armada von Beratern und Anwälten - um schwierige Bewertungsfragen, die Schuldenproblematik und die künftige Macht-Architektur.

Nun aber steht das neue Autoimperium, auch wenn die Porsche-Gläubigerbanken noch zustimmen müssen. Die Kernpunkte der Vereinbarung: VW will bis Ende 2009 für rund 3,3 Milliarden Euro mit 42 Prozent beim Porsche-Automobilgeschäft (Porsche AG) einsteigen. Im Laufe des Jahres 2011 soll eine dann finanziell stabile Porsche Holding SE auf Volkswagen verschmolzen werden.

Porsche will seine Milliardenschulden mit einer Kapitalerhöhung in den Griff bekommen. Auch bei VW ist eine Kapitalerhöhung geplant, in Höhe von vier Milliarden Euro über die Ausgabe neuer, stimmrechtsloser Vorzugsaktien.

Das reiche Wüsten-Emirat Katar wird mit seinem Einstieg zum dritten Großaktionär bei VW. Auch die Belegschaft soll an VW beteiligt werden - VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh strebt eine Größenordnung zwischen einem und fünf Prozent an. VW-Hauptaktionär bleiben die Familien Porsche und Piëch mit einer Beteiligung zwischen 35 und 40 Prozent.

Doppeltes Sicherheitsnetz

Zweitgrößter VW-Aktionär mit knapp über 20 Prozent ist nach wie vor Niedersachsen. Das Bundesland festigte seine starke Stellung bei dem mit Abstand wichtigsten Arbeitgeber im Land: So wird die im VW-Gesetz enthaltene 20-prozentige Sperrminorität bei wichtigen Entscheidungen in der Hauptversammlung auch in der VW-Satzung festgezurrt - ein doppeltes Sicherheitsnetz.

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) gehört damit neben Winterkorn und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch zu den großen Gewinnern des monatelangen Machtkampfs mit Porsche. Doch VW bemühte sich am Freitag zu betonen, es ginge nicht um Siegesgeheul. Vielmehr gebe es nur Gewinner: Porsche bleibe Porsche und Volkswagen bleibe Volkswagen, zusammen seien beide Unternehmen noch stärker.

Doch der frühere "Staatsfeind Nummer eins" in Wolfsburg bekam dennoch noch einmal sein Fett ab: Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh wetterte mit Blick auf Wiedeking, der sich bei der geplanten Übernahme von VW verzockt hatte: "Wir haben es verhindert, dass wir nach Heuschrecken-Manier geschluckt und zerschlagen werden." Man habe die "Wolfsburg" verteidigt.

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