Einigung im Tarifkonflikt:Eine Notgeburt - mehr nicht

Gezockt, verhandelt, Kompromiss gefunden: Die IG Metall verständigt sich mit den Arbeitgebern auf eine ordentliche Lohnerhöhung. Doch die Einigung gefällt keiner der Tarifparteien.

Melanie Ahlemeier

Mächtig geheult hatten in den vergangenen Wochen beide Tarifparteien - die Arbeitnehmer wie auch die Arbeitgeber. Acht Prozent mehr Lohn forderte die in der Republik immer noch am besten organisierte Industriegewerkschaft Metall. Doch die Arbeitgeber boten gerade mal 2,1 Prozent plus Einmalzahlung. Die Metaller - seit Jahrzehnten streik- und kampferprobt - wollten sich nicht so billig abspeisen lassen. Sie übten den Aufstand in Form von Warnstreiks. Ihr gutes Recht.

Einigung im Tarifkonflikt: Echte Freude sieht anders aus: Gesamtmetallchef Martin Kannegiesser (l.) und IG-Metall-Vorsitzender Berthold Huber nach der Einigung.

Echte Freude sieht anders aus: Gesamtmetallchef Martin Kannegiesser (l.) und IG-Metall-Vorsitzender Berthold Huber nach der Einigung.

(Foto: Foto: AP)

Nach rund 22 Stunden dauernden Verhandlungen ist nun also ein Kompromiss gefunden. Von Februar 2009 an erhalten die Beschäftigten in der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie 2,1 Prozent mehr Lohn, drei Monate später in einer zweiten Stufe nochmals 2,1 Prozent. Für den Extremfall haben die Arbeitgeber den Gewerkschaftern einen Puffer abgerungen - die zweite Erhöhung kann um bis zu sieben Monate geschoben werden. Und ehe die erste Lohnerhöhung greift, freuen sich die Metaller über eine Einmalzahlung in Höhe von 510 Euro. Als Übergangslösung sozusagen. Das Modell aus Baden-Württemberg wird bundesweit Nachahmer finden.

Doch echte Freude wird der Kompromiss nicht bringen - weder bei den Arbeitgebern noch bei den Arbeitnehmern. Weil die Republik vor dem Abschwung und damit vor einer besonders schwierigen Situation steht, gleicht diese Einigung eher einer Notgeburt. Der Deal kam quasi auf Biegen und Brechen und unter massivem Zeitdruck auf die Welt, damit beide Seiten ihr Gesicht wahren können.

Die Arbeitgeber mussten flächendeckende Streiks verhindern, denn in der Metallbranche sind die Auftragsbücher derzeit noch gutgefüllt - obwohl schon vielerorts die hässlichen Wörter Konjunkturabschwung und Rezession gefallen sind. Und was hätte wohl die Politik gesagt, wenn produktionslose Arbeitstage aus der Streikkasse der IG Metall bezahlt worden wären, die Arbeitgeber sie letzendlich aber dazu genutzt hätten, um Überkapazitäten zu Lasten der Arbeitnehmer abzubauen?

Unter Druck stand aber auch IG-Metall-Chef Berthold Huber. Es war klar, dass er die Tarifrunde angesichts der immer wieder geforderten acht Prozent niemals unter vier Prozent abschließen würde. Dafür ist die Streikkasse der größten deutschen Gewerkschaft einfach zu gut gefüllt. Auch eine bis zu den Zulieferern ausgetüftelte Streikstrategie dürfte die Zahlungsbereitschaft der Arbeitgeber positiv beeinflusst haben. Für Huber allerdings war es die erste Tarifrunde in seiner Funktion als Erster Vorsitzender - er selbst wollte seinen Metallern ein Signal senden.

Mit einer längeren Laufzeit des Tarifvertrags von nunmehr 18 Monaten kommt die IG Metall den Arbeitgebern einen großen Schritt entgegen. Neue Tarifgespräche - ein Kernanliegen der Gewerkschaften - wird es so schnell nicht geben. Aber eben auch keine neuen Arbeitsplätze, denn die Arbeitgeberseite spricht schon unmittelbar nach der Einigung vom Jobabbau. Treffen wird es in erster Linie die Geringqualifizierten. Aber die sind ja irgendwie auch die Stiefkinder der Gewerkschaft.

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