Einigung beim EU-Gipfel:Italien und Spanien zahlen einen kleinen Preis

Direkte Bankenhilfen für Spanien, mögliche Anleihenkäufe für Italien: Die Euro-Länder verändern auf dem EU-Gipfel in Brüssel ihr Krisenmanagement. Die Politik hat erkannt, dass die Schuldenkrise auch eine Finanzkrise ist. Von einer Schuldenunion ist Europa aber noch weit entfernt.

Bastian Brinkmann

Die Euro-Zone ändert ihre Strategie im Kampf gegen die Schuldenkrise. Spaniens Premier Mariano Rajoy und Italiens Regierungschef Mario Monti haben es geschafft, neue Methoden für ihre jeweiligen Probleme durchzusetzen. Spanien wird wohl eine direkte Bankenhilfe bekommen, die nicht aufs Schuldenkonto des Staates durchschlägt. Und wenn die Finanzmärkte Italien in die Mangel nehmen, kann Rom auf Kredithilfen hoffen, ohne ein hartes Sparprogramm auflegen zu müssen. Das ist eine der größten Veränderungen im Krisenmanagement Europas, seit Griechenland vor zwei Jahren sein erstes Rettungspaket bekam.

Madrids Position unter dem Rettungsschirm verbessert sich. Spanien wird wohl bis zu 100 Milliarden Euro von den Euro-Ländern bekommen. Bisher hätte das so laufen müssen: Der Rettungsfonds hätte das Geld an den Staat weitergeleitet, und der an seine Banken. Das hätte allerdings die Schulden Spaniens erhöht - und eine Abwärtsspirale ausgelöst. Die Ratingagenturen stehen bereit, Madrid in diesem Fall herabzustufen: Neue Schulden erhöhen das Risiko für mögliche neue Kreditgeber. In den letzten Tagen sind die Zinsen bereits gestiegen, die Madrid für neues Kapital zahlen muss - so hoch, dass das Land das nicht lange durchhalten kann.

Nun bekommt Spanien aus seiner Sicht bessere Hilfen. Europa soll direkt die Banken retten. Das erhöht Madrids Kreditwürdigkeit - die Wahrscheinlichkeit, dass das ganze Land unter den Rettungsschirm muss, sinkt also. Das Risiko in den Bilanzen der spanischen Banken wird dann von den Steuerzahlern der Euro-Zone getragen.

Aus diesem Grund hatte Deutschland eine solche Änderung bisher abgelehnt. Kanzlerin Angela Merkel hatte stets betont, dass es den Druck der Finanzmärkte brauche, um notwendige Reformen in den Krisenstaaten anzustoßen. Somit hat sie die neuen Zugeständnisse an Bedingungen geknüpft - mit mehr Kontrolle durch Brüssel, durch eine Institution, auf die Deutschland großen Einfluss hat.

Tatsächlich wird eine direkte Bankenrettung laut den Verhandlungserbenissen erst möglich sein, wenn die Europäische Zentralbank eine wirkliche europäische Bankenaufsicht ist. Die EZB soll strauchelnde Institute früh unter ihre Kontrolle bringen und im schlimmsten Falle abwickeln. Merkel sprach am Freitagvormittag von einer neuen "Super-Aufsichtsbehörde".

Bis diese Bankenaufsicht existiert, werden aber einige Monate vergehen. Die Europäische Kommission soll bis Ende des Jahres ein Konzept entwickeln. Solange wird Spanien wohl noch nach den alten Spielregeln geholfen, Details werden noch verhandelt. Erst wenn die Bankenaufsicht existiert, sinkt die Schuldenlast für Spanien durch die direkte Bankenhilfe, erklärte Thomas Wieser, der Chef der Arbeitsgruppe der Euro-Finanzminister.

Das spanische Modell kann auch ein Vorbild für Irland und Zypern sein, die auch wegen ihrer Banken in der Krise stecken. "Das bricht den Teufelskreis, der Banken- und Schuldenrisiken verbindet", twitterte der bekannte Ökonom Nouriel Roubini. Dies findet sich auch als Bekenntnis in dem Papier wieder, das die Chefs der Euro-Zone nach der Nachtverhandlung online gestellt haben (PDF-Datei). "Wir bestätigen, dass es geboten ist, diesen Teufelskreis zu durchbrechen", lautet gleich der erste Satz in der Erklärung.

Direkte Hilfe für Italien - ohne harte Sparauflagen

Madrid kann außerdem einen weiteren Vorteil verbuchen: Notkredite aus dem Rettungsfonds ESM sollen keinen bevorzugten Status mehr haben. Bisher hätten die Geberstaaten im Falle einer drohenden Pleite ihr Geld auf jeden Fall vor den privaten Gläubigern zurückbekommen. Das schreckt potentielle Kreditgeber ab - und ist jetzt vom Tisch. Damit erhöht sich aber auch das Risiko für die Geberländer, falls Madrid eines Tages pleitegehen sollte.

Einigung beim EU-Gipfel: Hier haben sie ihre Strategie für den Euro-Gipfel besprochen: Spaniens Mariano Rajoy und Italiens Mario Monti vor einer Woche in Rom.

Hier haben sie ihre Strategie für den Euro-Gipfel besprochen: Spaniens Mariano Rajoy und Italiens Mario Monti vor einer Woche in Rom.

(Foto: AFP)

Italien konnte seine Position ebenfalls verbessern. Das Land hat keine maroden Bankensektor und eine halbwegs funktionierende Wirtschaft - aber hohe Schulden. Die Finanzmärkte hatten das Land zuletzt unter Druck gesetzt.

Monti hat nun durchgesetzt, dass der Rettungsschirm künftig Staatsanleihen kaufen kann. Das senkt die Zinslast für die betroffenen Länder direkt. Sollte Italien dies beantragen, muss das Land nicht mehr mit einem harten Sparprogramm wie Griechenland rechnen, das die Wirtschaft abschmieren lassen könnte. Für ein solches Instrument würde die Europäische Zentralbank als "Agent" fungieren, also im Auftrag der Rettungsfonds am Markt aktiv werden, sagte Monti nach den Verhandlungen.

Aber auch hier konnte Merkel gesichtswahrend einige Punkte durchsetzen. Zum einen sind das keine völlig neuen Vorschläge - das EFSF-Abkommen sieht schon seit 2011 vor, dass der Rettungsfonds Staaten im Notfall direkt Kredit geben kann. Auch der neue Schirm ESM darf dies in Ausnahmefällen.

Zudem müsste Italien mit Auflagen rechnen, wenn sie auch nicht so hart ausfallen könnten - also etwa keine Massenentlassungen im öffentlichen Dienst, unter denen Griechenland leidet. Rom könnte stattdessen verpflichtet werden, den jährlichen Haushaltsempfehlungen der Europäischen Kommission zu folgen. Bislang sind die Hinweis aus Brüssel unverbindlich. Darüber hinaus sollten aber keine Auflagen gemacht werden, sagte der Chef der Euro-Arbeitsgruppe Wieser.

In zwei Punkten ist Merkel hart geblieben. Der Umfang der Rettungsschirme wird nicht erhöht. Sollten Spanien und Italien kein Geld mehr von den Finanzmärkten bekommen, sind die Fonds weiterhin zu klein, um die beiden Staaten zu versorgen. Auch eine gemeinsame Haftung für Spareinlagen oder gar gemeinsame Kredite der Euro-Länder hat Deutschland verhindert - vorerst.

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