Einfahrt des weltgrößten Containerschiffs:Pirouette für die Zukunft des Hamburger Hafens

Weltgroesstes Containerschiff macht im Hamburger Hafen fest

Die Marco Polo: Weltgrößtes Containerschiff macht im Hamburger Hafen fest

(Foto: dapd)

Die "Marco Polo" ist ein dicker Kutter und ein Symbol. Die nächtliche Einfahrt des weltgrößten Containerschiffs soll zeigen, dass der Hamburger Hafen zukunftsfähig ist - auch wenn die umstrittene Elbvertiefung erst mal gestoppt ist.

Von Kristina Läsker, Hamburg

Viele Monate lang haben die Lotsen des Hamburger Hafens am Computer akribisch geübt. Damit das Riesending nicht etwa in die Strandperle am Elbstrand rauscht - das ist der liebste Kiosk der Hamburger - oder gegen eine Hafenkante donnert. Damit das große Kunststück gelingt und kein Unglück passiert. Mit dem Scheitelpunkt der Flut war es in der Nacht zum Mittwoch nach drei Uhr so weit. Erstmals glitt die Marco Polo die Elbe hinauf und nach Hamburg hinein.

Die Marco Polo ist nicht irgendein Kahn. Sie ist das größte Containerschiff der Welt. 396 Meter lang, knapp 54 Meter breit. Ein Koloss, länger als das Empire State Building in New York hoch ist.

Die große Last hatten die Schlepper. Meter für Meter drehten die Lotsenschiffe den riesigen Frachter um seine Achse an der Einfahrt zum Waltershofer Hafen. Dafür braucht es Übung: Schließlich ist der blau gestrichene Pott fast so lang, wie die Fahrrinne der Elbe hier breit ist. Gefragt war eine Pirouette um die eigene Achse.

Es war ein Spektakel, dessen Gelingen für viele Hamburger wichtig war, denn es ging um weit mehr als um die Marco Polo. Es geht um die bange Frage, ob Deutschlands größter Hafen zukunftsfähig ist.

Mitte der 1990er Jahre galten Schiffe mit einer Ladung von 7000 Standardcontainern als das Maß aller Dinge - heute sind Pötte für die doppelte Menge vielfach üblich. Die Marco Polo wurde am 5. November in Dienst gestellt, sie kann bis zu 16.020 Container laden. Damit hält der Besitzer, die französische Reederei CMA CGM, den Weltrekord. Noch. Dutzende solcher Großfrachter sollen bald die Meere befahren. Die nächste Generation ist schon im Bau: Die dänische Reederei Maersk hat Schiffe bestellt, die einmal 18.000 Stahlboxen fassen können.

Das Nachsehen im Wettstreit der Giganten könnte der Hamburger Hafen haben. Denn er hat ein Nadelöhr - und das ist die Elbe. Gut 130 Kilometer müssen die Kähne den Strom hinauf. Doch für die richtig großen Frachter ist die Fahrrinne nicht tief genug. Selbst wenn diese Schiffe bei Höchststand der Flut kommen, dürfen sie nur einen Tiefgang von maximal 13,5 Meter haben. Das reicht aber nicht. Die Marco Polo etwa ragt voll beladen gut 16 Meter in die Tiefe. Sie durfte deshalb nur teilweise beladen anreisen, um nicht stecken zu bleiben.

Elbvertiefung vor Gericht

Die Tiefe des Flusses ist nicht das einzige Problem: So dürfen sich Schiffe in der Fahrrinne nicht begegnen, die zusammen mehr als 90 Meter in der Breite messen. Zumindest nicht auf Großteilen der Strecke, das wäre zu eng. Diese Probleme werden mittelfristig bleiben, und das liegt am erbitterten Streit um die Elbvertiefung.

Mitte Oktober hatte das Bundesverwaltungsgericht das vom Hamburger Senat und vielen Hafenmanagern herbeigesehnte Projekt gestoppt. Die Leipziger Richter griffen die Klagen mehrerer Umweltverbände auf, sie wollen diese in einem Hauptverfahren prüfen. Das kann bis Ende 2013 oder länger dauern. Es gibt noch keinen Termin, der Ausgang ist ungewiss.

So werden weiter die Gezeiten auf der Elbe entscheiden, welches Schiff mit viel Ladung einlaufen kann. Wer nicht rechtzeitig kommt, muss manchmal bis zu zwölf Stunden auf die nächste Chance warten.

Den Anlauf der Marco Polo werten Kaufleute daher gerne als Signal, dass Schiffsbetreiber trotz Unsicherheit über die Elbvertiefung zu Hamburg stehen. "Es ist ein besonderer Vertrauensbeweis der Reederei CMA, dass sie dieses Schiff trotz der Schwierigkeiten auf der Elbe nach Hamburg schickt", sagt Stefan Bahn, Containervorstand des Hamburger Hafenbetreibers HHLA. Aber Behn weiß auch, dass die Anläufe größerer Frachter kräftig zunehmen - und damit die Probleme.

Die ersten Megafrachter für mehr als 10.000 Container kamen im Jahr 2008 in die Hansestadt. In diesem Jahr werden es mehr als 250 solcher Giganten sein. Gerade auf der Rennstrecke der weltweiten Transporte, der Route von Europa nach Asien, werden solche Giga-Frachter gerne eingesetzt. Auch die Marco Polo wird solche Rundreisen fahren; von Hamburg über Bremerhaven, Malta und die Vereinigten Arabischen Emirate nach China. Hin zu Riesenhäfen wie Shanghai, Ningbo, Hongkong, Shenzen, die allesamt zu den größten Häfen der Welt gehören.

Für die Hansestadt ist die Marco Polo wichtig, der Hafen ist der wichtigste Zielhafen für den Handel mit China. Von hier aus wird die Ware aus der Volksrepublik auf kleinere Schiffe umgeladen, die dann in den Ostsee-Raum fahren und das Baltikum ansteuern. Hamburg will diese Position keinesfalls an den großen Konkurrenten Rotterdam verlieren.

Umso größer war für einige Kaufleute der Schreck, als die chinesische Großreederei China Shipping Ende November verkündete, sie wolle wegen der verzögerten Elbvertiefung auf andere Konkurrenzhäfen an der Nordsee ausweichen. Frachter mit besonderem Tiefgang müssten teilweise nach Rotterdam umgeleitet werden, sagte Konzernchef Xu Lirong letztens auf einer Konferenz. "Für die Wettbewerbsfähigkeit Hamburgs ist wichtig, wie tief das Wasser ist", sagte er.

In der Hansestadt wird auf solche Ansagen bereits reagiert: Von kommenden Jahr an will die Hamburg Port Authority (HPA) die Hafengebühren für Großschiffe mit mehr als 390 Meter Länge - also solche wie die Marco Polo - um bis zu 3000 Euro senken. Das entspricht einem Rabatt von bis zu zwölf Prozent. Inklusive anderer Nachlässe sinken die Hafen- und Anlaufgebühren für dieses Schiffe auf unter 20.000 Euro. "Ich hoffe, dass wir damit den Umschlag in Hamburg stabilisieren könnten", sagt HPA-Chef Jens Meier.

Wenn die Marco Polo den Hafen am Donnerstag wieder wie vorgesehen verlässt, pünktlich und ohne Schäden an Strand und Terminal, wäre dies ein erster Schritt.

Linktipp: Die nächtliche Pirouette der Marco Polo wurde von Schifffans gefilmt und auf YouTube hochgeladen.

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