Eine Geschichte der Zölle:Vorsicht, Nebenwirkungen!

Sie sind relativ leicht zu erheben, an Schlagbäumen oder auch an Kaimauern. Das ist viel einfacher, als etwa Grundvermögen zu besteuern. Deshalb waren Zölle bei den Mächtigen immer sehr beliebt.

Von Nikolaus Piper

Der kleine Bruder der Grenze ist der Zoll. Zölle machen Waren teurer, die über die Grenze ins Land kommen. Sie sind relativ leicht zu erheben, an Schlagbäumen oder auch an Kaimauern. Das ist viel einfacher, als etwa Grundvermögen zu besteuern. Deshalb waren Zölle durch die Geschichte bei den Mächtigen immer sehr beliebt und bei den weniger Mächtigen entsprechend verhasst. Ökonomen misstrauen Zöllen, weil sie den Handel umlenken und letztlich Effizienz und Wohlstand kosten.

Eine der ersten bekannten Zöllner war Matthäus, der ein Jünger Jesu werden sollte. Sein Job war es, der römischen Besatzungsmacht in Palästina das Geld zu beschaffen, deshalb galt er den unterdrückten Juden als Inbegriff eines Sünders. In Joseph Eichendorffs Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" kommt die Karikatur eines "Zolleinnehmers" vor, der eigentlich überhaupt nichts zu tun hat und daher hinter dem Zollhäuschen für seine Liebste Blumen pflanzt.

Zölle haben schon Revolutionen ausgelöst. Der Weg in den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg begann, als die Regierung in London für ihre Kolonien einen Importzoll auf Tee einführen wollte. Bei der legendären "Boston Tea Party" warfen am 16. Dezember 1773 als Indianer verkleidete Bostoner Bürger 300 Kisten Tee ins Hafenbecken, was allgemein als Beginn der amerikanischen Revolution gilt.

Zölle sollten aber nicht nur Geld bringen, sie sollten auch die heimische Industrie schützen. Die Schule der Merkantilisten lehrte im 17. und 18. Jahrhundert, dass eine Regierung Exporte erleichtern und Importe durch Zölle erschweren sollte, um den Wohlstand des Landes zu mehren. Als berühmtester Vertreter dieser Schule gilt der französische Finanzminister Jean-Baptiste Colbert (1619-1683). Die moderne Nationalökonomie entstand zu einem wesentlichen Teil in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Merkantilismus. Adam Smith (1723-1790), David Ricardo (1772-1823) und andere wiesen nach, dass vom freien, nicht durch Zölle gestörten Handel letztlich alle profitieren.

Im 19. Jahrhundert entwickelte der deutsche Ökonom Friedrich List (1796-1846) die Idee des "Erziehungszolls": Zurückgebliebene Länder (wie das damalige Deutschland) sollten ihre Industrie so lange durch Zölle schützen, bis diese mit den fortgeschrittenen Ländern (damals England) konkurrieren konnten.

Verheerende Folgen hatten Zölle in der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1933. Am 17. Juni 1930 verabschiedete der US-Kongress den berüchtigten Smoot-Hawley-Act, ein Gesetz, das die Zölle für mehr als 900 Produkte zum Teil dramatisch erhöhte. Das Ergebnis war ein internationaler Zoll-Wettlauf, der den Welthandel fast zum Erliegen brachte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lernten die Siegermächte ihre Lektion. 1948 wurde das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (Gatt) geschlossen, das dem Welthandel klare Regeln gab. Nach einer dieser Regeln darf ein Land zwar Zölle erheben, diese aber nicht mehr erhöhen, sondern nur noch senken. Mehrere Liberalisierungsrunden im Gatt führten dazu, dass das Niveau der Zölle heute ein historisches Tief erreicht hat. Das Erbe des Gatt trat 1995 die Welthandelsorganisation (WTO) an.

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