Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Ceta) droht doch noch zu scheitern. Die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland brach am Freitag die Gespräche mit der Regierung der belgischen Region Wallonien ab, wegen deren Nein zu Ceta der Vertrag bislang nicht zustande kommt.
"Es scheint für mich und Kanada offensichtlich, dass die Europäische Union derzeit nicht in der Lage ist, ein internationales Abkommen abzuschließen", sagte Freeland zu Reportern. "Selbst mit einem Land, das so europäische Werte hat wie Kanada, und selbst mit einem Land, das so freundlich ist und so viel Geduld hat wie Kanada."
Aus ihrer Enttäuschung machte sie dabei keinen Hehl: "Wir haben entschieden, nach Hause zurückzukehren und ich bin wirklich sehr, sehr traurig. Das ist eine sehr emotionale Angelegenheit für mich. Und die einzige gute Sache, die ich anführen kann, ist, dass ich morgen bei meinen drei Kindern sein werde."
Die belgische Zentralregierung ist zwar wie die der anderen 27 EU-Länder für das Abkommen. Ihr sind aber die Hände gebunden, solange Wallonien die Zustimmung weiter versagt. Ceta wiederum kommt auch nur dann zustande, wenn es alle EU-Staaten unterzeichnen.
Die EU-Kommission erklärte, sie gehe nicht davon aus, dass die Verhandlungen über Ceta gescheitert seien.
Das beste Abkommen, "das wir je ausgehandelt haben"
Man halte den Verhandlungsstopp mit der Regionalregierung nicht für das Ende des Weges zur Unterzeichnung des Abkommens zwischen der EU und Kanada, hieß es aus der Brüsseler Behörde.
Führende EU-Politiker hatten sich zuvor noch zuversichtlich gezeigt, dass es bis zur geplanten Vertragsunterzeichnung am Donnerstag doch noch zu einer Einigung kommt.
"Ich verliere nicht die Hoffnung", sagte auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. "Ich glaube, dass es durchaus möglich ist, in den nächsten Tagen noch eine Lösung mit unseren wallonischen Freunden zu finden." Denn das Abkommen mit Kanada sei das beste, "das wir je ausgehandelt haben".
Der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette sah nach stundenlangen Verhandlungen mit Vertretern der EU und Kanadas zwar Fortschritte, aber wegen der strittigen Frage der internationalen Schiedsgerichte noch keine Einigung.
Das Parlament des gut 3,5 Millionen Einwohner zählenden Walloniens lehnte Ceta vorige Woche mit großer Mehrheit ab. Die Region repräsentiert weniger als ein Prozent der mehr als 500 Millionen EU-Bürger. Gegner des Abkommens befürchten Nachteile für die Wirtschaft - etwa für Bauern durch billige Fleischimporte.
Während es in dieser Frage Fortschritte gegeben habe, konnte der Streit über die Schiedsgerichte nicht beigelegt werden. Kritiker befürchten, dass diese von großen Konzernen zu deren Gunsten ausgenutzt werden könnten - etwa um Einfluss auf die Politik zu erhalten und missliebige Reformen zu stoppen. In der wallonischen Hauptstadt Namur verhandelte die dortige Regionalregierung darüber unter anderem mit kanadischen Regierungsvertretern.
Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten erhoffen sich von dem seit 2009 verhandelten Pakt mit Kanada mehr Handel und Wachstum durch den Abbau von Zöllen und einheitliche Standards. Befürworter gehen davon aus, dass dadurch das Bruttoinlandsprodukt in der Europäischen Union um jährlich zwölf Milliarden Euro gesteigert werden könnte und neue Arbeitsplätze entstehen.
In Wallonien werden diese Argumente argwöhnisch verfolgt. Die Provinz - einst mit Kohle und Stahl zu Reichtum gekommen - fühlt sich als Verlierer der Globalisierung, in deren Zuge viele Jobs nach Asien verlagert wurden. Erst im September kündigte der US-Baumaschinenkonzern Caterpillar an, 2000 Stellen in seiner wallonischen Fabrik zu streichen.