Finanzpolitik:Wie die EU die Milliarden für ihren Schuldendienst auftreiben will

Finanzpolitik: Google-Zentrale im kalifornischen Mountain View: Die EU-Kommission plante lange, eine Sondersteuer für Digitalkonzerne einzuführen. Davon scheint sie fürs Erste abgerückt zu sein.

Google-Zentrale im kalifornischen Mountain View: Die EU-Kommission plante lange, eine Sondersteuer für Digitalkonzerne einzuführen. Davon scheint sie fürs Erste abgerückt zu sein.

(Foto: imago images/xim.gs)

Die EU-Kommission muss sich für den Corona-Hilfstopf massiv verschulden. Nun schlägt sie neue Einnahmequellen vor, um die Rückzahlung zu erleichtern. Doch eine Idee findet sich nicht in dem Konzept - und das hat mit Joe Biden zu tun.

Von Björn Finke, Brüssel

Es geht um eine enorme Schuldenlast - und die muss abbezahlt werden: Insgesamt 807 Milliarden Euro will die EU-Kommission aus dem Corona-Hilfsfonds an Mitgliedstaaten verteilen. Gefüllt wird der Fonds mit Hilfe von Anleihen; die Brüsseler Behörde borgt sich also an den Finanzmärkten Geld. Diese Darlehen sollen zwischen 2028 und 2058 aus dem EU-Haushalt beglichen werden. Damit das einfacher fällt, soll die Kommission neue Einnahmequellen erhalten - und an diesem Mittwoch wird Behördenchefin Ursula von der Leyen dazu Vorschläge präsentieren. Arg verspätet, denn das wäre eigentlich bis Juni fällig gewesen.

Der Süddeutschen Zeitung liegt ein sechsseitiger Entwurf des Konzepts vor. Demnach will sich die Behörde einen Teil der Erlöse sichern, die durch die Ausweitung des Emissionshandels und durch den geplanten Klimaschutz-Zoll an die Staaten fließen. Ebenso profitieren will die Kommission von der globalen Umverteilung der Besteuerungsrechte an Konzerngewinnen: dem Ergebnis der Jahrhundert-Steuerreform, die unter dem Dach der Industrieländer-Organisation OECD verhandelt worden ist.

Interessant ist aber auch, was fehlt: Das Papier erwähnt die lange diskutierte Digitalabgabe mit keiner Silbe. Das ist eine Sondersteuer für Onlinekonzerne wie Google oder Amazon. Allerdings hat US-Präsident Joe Biden seine Zustimmung zu der OECD-Steuerreform davon abhängig gemacht, dass derartige Steuern, die in erster Linie amerikanische Unternehmen belasten, abgeschafft und keine neuen eingeführt werden. Daher wäre so ein Vorschlag der Kommission heikel. Vor drei Wochen sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni im EU-Parlament, die Arbeit an der Digitalabgabe pausiere lediglich. Jetzt sieht es so aus, als sei die Idee faktisch tot.

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber wäre darüber nicht traurig: "Wir können das OECD-Abkommen nicht an einer solchen Digitalabgabe scheitern lassen", sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion. "Damit hätte sich die EU auf internationaler Bühne schlichtweg lächerlich gemacht."

Google soll trotzdem mehr Steuern in Europa zahlen

In dem Konzept-Entwurf stehen vor den entscheidenden Prozentzahlen und Milliardenbeträgen noch X-Buchstaben als Platzhalter. Doch es lässt sich immerhin erkennen, wo und wie die Behörde zulangen will. So wird die OECD-Steuerreform dazu führen, dass große weltweit tätige Unternehmen mehr Abgaben in Ländern zahlen, in denen sie zwar viele Kunden haben, aber keine nennenswerten Niederlassungen. Als Ergebnis würden zum Beispiel US-Internetkonzerne wie Google mehr Steuern in Europa überweisen. Die Kommission will im Juli eine Richtlinie präsentieren, die diese globale Einigung in EU-Recht gießt. Und die Behörde fordert nun, dass jeder Mitgliedstaat einen Teil der zusätzlichen Steuereinnahmen an Brüssel weiterreicht.

Zweite neue Erlösquelle soll das CO₂-Grenzausgleichssystem werden, das die Kommission im Sommer vorgeschlagen hat. Das ist eine Art Strafzoll für Importe aus Ländern, in denen Produkte klimaschädlicher hergestellt werden als in der EU. Schließlich sind Brüssels ehrgeizige Klimaschutzziele eine heftige Belastung für die heimische Industrie. Das birgt die Gefahr, dass Produktion einfach aus Europa in Staaten mit laxeren Vorgaben wegverlagert wird. Die Güter würden dann nicht mehr in der EU gefertigt, sondern importiert. Dem Klima wäre nicht geholfen, und in Europa gingen Jobs verloren. Das neue System soll solche schmutzigen Importe verteuern. Und die Kommission will gerne von den EU-Regierungen einen Anteil an den Einnahmen erhalten.

Die Verschärfung wird Polen hart treffen

Dritte Quelle ist die Ausweitung und Verschärfung des Emissionshandelssystems. Schon seit 2005 müssen Kraftwerke und viele Industriebetriebe handelbare Verschmutzungsrechte vorweisen können, wenn sie Treibhausgase in die Atmosphäre blasen. Die Erlöse aus den Versteigerungen dieser Rechte fließen an die EU-Regierungen, aber künftig möchte die Kommission etwas davon abhaben. Die Verschärfung des Emissionshandels würde Länder wie Polen, die stark von Kohlestrom abhängen, besonders hart treffen. Damit diese Staaten nicht überproportional viel zu der neuen Einnahmequelle der Kommission beitragen, schlägt das Konzeptpapier einen Ausgleichsmechanismus vor.

Diese drei Quellen sollen Anfang 2023 lossprudeln. Doch dafür ist die Zustimmung der EU-Regierungen nötig - und das ist kein Selbstläufer. CSU-Mann Ferber mahnt daher, die Mitgliedstaaten müssten "die Vorschläge nun seriös und zügig bearbeiten".

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