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Eichel legt seine Reformgesetze vor:Deutsche Steueroasen werden trocken gelegt

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Der Finanzminister hat den deutschen Gewerbe-Steueroasen den Kampf angesagt. Und: Künftig müssen Unternehmen mindestens die Hälfte ihres Gewinns versteuern. Gleichzeitig plant Eichel massive Einsparungen bei Beamten, Pendlern und Häuslebauern.

Von Ulrich Schäfer

(SZ vom 12.08.2003) — Die Regierung will allen Gemeinden einen Tarif vorschreiben, den sie bei der Gewerbesteuer erheben müssen. Eichels Gesetz, über das am Mittwoch das Kabinett berät, sieht einen Mindesthebesatz von 200 vor.

Bislang hatten Orte wie Norderfriedrichskoog in Schleswig-Holstein oder Freudenberg in Brandenburg die Investoren mit einer Gewerbesteuer zum Nulltarif umworben - sehr zum Ärger von anderen Kommunen und dem Deutschen Städtetag. In Norderfriedrichskoog, einem 45-Einwohner-Ort unweit von Husum, hatten sich Hunderte Firmen angesiedelt, die bisweilen über wenig mehr verfügen als einen Telefonanschluss, einen Handelregistereintrag und wenige Regalmeter mit Akten.

Verlustvortrag hilft nicht mehr

Zu den Mietern in den reetgedeckten Häusern gehörten renommierte Unternehmen wie die Deutsche Bank, Unilever oder E.on. Auch in Brandenburg locken zahlreiche Gemeinden mit Hebesätzen von 100 bis 150 Prozent - oder wie in Freudenberg, einem Städtchen rund 30 Minuten nordöstlich von Berlin, seit dem Frühjahr mit einem Satz von Null.

Künftig ist dies verboten: Im Gesetz zur Gemeindewirtschaftsteuer, wie die Gewerbesteuer künftig heißt, schreibt Eichel, dass die Gemeinden "nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet" sind, die Steuer zu erheben. Dadurch würden "gravierende regionale Verwerfungen" verhindert. Nur so ließe sich auch der Auftrag des Grundgesetzes erfüllen, für "annähernd gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" zu sorgen.

Mit ihren Reformgesetzen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, will die Regierung noch weitere Steuerschlupflöcher schließen: So müssen alle Unternehmen künftig mindestens die Hälfte ihres Gewinns versteuern - selbst dann, wenn sie in ihren Bilanzen noch Verluste aus Vorjahren vor sich herschieben. Auch wird es den Firmen erschwert, Gewinne auf versteckte Weise an ihre Gesellschafter auszuschütten. Große Konzerne hatten dies genutzt, um ihre Erträge in Steueroasen wie die Niederlande, Irland oder die Caymans zu verschieben.

Darüber hinaus will die rot-grüne Koalition auch fast alle anderen Gesellschaftsgruppen zur Kasse bitten, um das Vorziehen der letzten Steuerreform, die Sanierung des Bundeshaushalts und der Gemeindeetats zu finanzieren. So hält Eichel, trotz Kritik aus der SPD-Fraktion, an geplanten Kürzung der Pendlerpauschale fest; nur wer mehr als 20 Kilometer bis zu seiner Arbeitsstätte fährt, darf die darüber hinausgehende Strecke von der Steuer absetzen.

Eigenheimzulage und Wohnungsbauprämie fallen weg

Wie geplant fällt ab 2004 auch die Eigenheimzulage komplett weg, ein Viertel des Geldes fließt in ein neues Programm zum Stadtumbau. Ebenfalls auslaufen soll (bis 2009) die so genannte Wohnungsbauprämie - eine Änderung, die bislang nicht im öffentlichen Blickpunkt stand. Die Prämie zahlt der Staat an Bausparer mit geringen Einkommen, die dafür oft einen Vertrag über vermögenswirksame Leistungen abgeschlossen haben.

Weiter als bislang bekannt geht auch der angestrebte Umbau bei der Umsatzsteuer. Nicht nur bei Bauaufträgen, sondern auch bei allen Grundstücksgeschäften soll künftig eine neue Regel gelten: Der Käufer - und nicht, wie bisher, der Verkäufer - muss die Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen.

Die Regierung will dadurch Betrügern das Geschäft erschweren, die ihre Produkte veräußern, ohne anschließend die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer an den Fiskus zu überweisen. Steuerexperten schätzen, dass dem Fiskus dadurch Jahr für Jahr mehrere Milliarden Euro verloren gehen. Die neue Regel soll auch für Gebäude- und Fassadenreinigungen sowie Fensterputz-Firmen gelten.

Massive Kürzungen plant Eichel zudem bei den Beamten des Bundes: Sie müssen auf das Urlaubsgeld völlig verzichten, das Weihnachtsgeld wird bei aktiven Beamten um 30 Prozent, bei Pensionären um 40 Prozent gekürzt. Der Bund empfiehlt den Ländern, die Bezüge ihre Bediensteten ebenfalls zu kürzen.

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