Europäische Union:Europas Klimabank setzt jetzt auf Rüstung – ein bisschen

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Nadia Calviño ist jetzt seit gut einem Jahr Präsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB). Zuvor war sie spanische Wirtschaftsministerin. (Foto: Omar Havana/dpa)

Die Europäische Investitionsbank soll sich stärker bei der Verteidigung engagieren. An die engen Grenzen, die dabei für sie gelten, traut sich die EU aber nicht heran.

Von Jan Diesteldorf

Die Präsidentin hatte ihren Sprechzettel gut einstudiert. Als Nadia Calviño am Donnerstagvormittag in Brüssel auf 2024 zurückblickte, ein Jahr der Rekorde, wich die neue Chefin der Europäischen Investitionsbank (EIB) immer dann aus, wenn die Fragen zu politisch wurden. Was denn aus den Überlegungen geworden sei, die Hausbank der Europäischen Union solle ihr Mandat ändern und künftig auch reine Rüstungsprojekte finanzieren? Dreimal stellten Reporter ihr diese Frage. Und dreimal sagte sie das Gleiche: Man erfülle „in vollem Umfang“ das Mandat, „die europäische Sicherheits- und Verteidigungsindustrie stärker zu unterstützen“, und sichere gleichzeitig die Finanzierungskapazität der Bank.

Diese betonte Vorsicht passt zu dem Stil, den Calviño pflegt. Im vergangenen Jahr tauschte sie den Posten als spanische Wirtschaftsministerin gegen die Präsidentschaft der EIB mit Sitz in Luxemburg. Die Bank gehört den EU-Staaten, sie fördert etwa Erneuerbare-Energie-Projekte, finanziert Wasserstoff-Produktionsanlagen und unterstützt den Neubau energieeffizienter Wohnungen. Im vergangenen Jahr hat sie Finanzierungen im Volumen von 89 Milliarden Euro zugesagt, so viel wie nie zu vor.

Seit einiger Zeit steht die selbst ernannte „Klimabank“ inmitten einer Debatte, die die EU auf Jahre hinaus beschäftigen wird: Wie gelingt es, stärker gemeinsam und insgesamt mehr in die Verteidigung zu investieren?

Die EIB stellt Geld für Verteidigung bereit – aber die Nachfrage fehlt

Keine Antwort auf diese Frage kommt ohne die EIB aus. Der Beitrag, den die Bank dazu heute leistet, hat sich binnen Jahresfrist verdoppelt. 2024 habe die Bank eine Milliarde Euro an Finanzierungen im Bereich Sicherheit und Verteidigung zugesagt, teilte Calviño mit. Für 2025 hoffe man auf eine erneute Verdopplung.

Allerdings verbieten es die Kreditvergaberegeln der Bank, Geld für reine Rüstungsprojekte wie die Entwicklung von Panzern oder neue Munitionsfabriken bereitzustellen. Deshalb beschränken sich die Finanzierungen etwa auf Drohnen, auf den Ausbau von Häfen, damit dort Kriegsschiffe einlaufen können, oder die Entwicklung neuer Satelliten – alles sogenannte „Dual Use“-Projekte, die auch eine zivile Komponente haben. Derzeit seien 14 weitere Vorhaben in Prüfung, sagte Calviño. In einer „Roadshow“ habe man bereits Gespräche in 17 EU-Mitgliedstaaten geführt. Die Rückmeldungen seien stets sehr positiv. „Wir sind kein Verteidigungsministerium“, betonte Calviño. „Wir sind die Investitionsbank Europas. Und wir erfüllen unseren Auftrag mit einem sehr proaktiven Ansatz.“

In einem gemeinsamen Brief verlangen jetzt 19 EU-Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und Italien, das Mandat der EIB noch einmal auszuweiten. „Wir fordern die EIB auf, in ihrer Kreditvergabepolitik einen stärkeren Schwerpunkt auf die Verbesserung der Unterstützung und des Umfangs der verfügbaren Mittel im Bereich Sicherheit und Verteidigung zu legen“, heißt es in dem Schreiben. Die Bank solle sogar Möglichkeiten ausloten, künftig spezielle Verteidigungs-Anleihen zu begeben.

Dass dieser Brief gerade jetzt verschickt wird, hängt eng mit der anstehenden Auseinandersetzung um Europas Sicherheitspolitik zusammen. Am kommenden Montag treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem außerordentlichen Gipfel in Brüssel, um auszuloten, wie sie künftig im Bereich der Verteidigung mehr und besser kooperieren können. Es ist das erste EU-Gipfeltreffen seit der Amtseinführung von Donald Trump in den USA – und der will die Europäer bekanntlich zwingen, deutlich mehr Geld für ihre Verteidigung auszugeben.

Der EIB steht bislang ein Finanzierungsvolumen von sechs Milliarden Euro für den Verteidigungsbereich zur Verfügung, von denen bis Ende 2025 vielleicht zwei abgerufen werden. Es fehle ganz einfach die Nachfrage nach dem Geld, heißt es aus Kreisen der Bank. Vor dem Hintergrund der Aussagen Calviños erscheint das logisch: Ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf in der Verteidigungsindustrie entsteht schließlich erst durch konkrete Bestellungen. Rüstungskonzerne weisen regelmäßig auf die Diskrepanz zwischen politischen Bekenntnissen und den Auftragseingängen hin.

Gemessen am Bedarf sind die EIB-Gelder überschaubar

Bereits vor knapp einem Jahr hatten die EU-Mitgliedstaaten stärkere Anstrengungen der EIB im Bereich der Verteidigung verlangt. Sie forderten die EIB bei einem Brüsseler Gipfel im März vorigen Jahres auf, „ihre Politik für die Kreditvergabe an die Verteidigungsindustrie und ihre derzeitige Definition von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck anzupassen“. Dabei müssten allerdings gleichermaßen die jeweils einwandfreien Kreditwürdigkeits- und Nachhaltigkeitsratings der EIB geschützt bleiben.

Daraufhin hat die Bank die Definition von Dual-Use-Projekten und -Produkten bereits überarbeitet. Jetzt gehe es noch darum, restliche Grauzonen in den Kreditvergaberichtlinien zu beseitigen, heißt es aus Kreisen des Präsidiums. Das soll bis zum Sommer abgeschlossen sein. Von der öffentlichen Diskussion um eine Änderung des Mandats, die eine direkte Rüstungsfinanzierung ermöglichen würde, hält sich die Geschäftsführung der Bank weiterhin fern.

Drei Dinge sind nun sicher: Die EU-Staaten werden sich erstens lange über die Verteidigungskooperation und mögliche gemeinsame Finanztöpfe streiten. Zweitens wird die EIB in dieser Debatte immer wieder vorkommen. Und gemessen am Finanzierungsbedarf von dreistelligen Milliardensummen pro Jahr sind deren bisherige und absehbare Anstrengungen, drittens: überschaubar.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde nachträglich um den Hinweis auf den Brief der EU-Mitgliedstaaten aktualisiert.

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