EEG-Reform mit Hindernissen:Brüssel verlangt Nachbesserungen beim EEG

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Hängt im Zeitplan zurück: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD)

(Foto: Bloomberg)

Die Reform des Ökostrom-Gesetzes, das Kabinettstück von Wirtschaftsminister Gabriel, sollte mit Tempo den Bundestag passieren. Doch jetzt gibt es Probleme auf den letzten Metern.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die schlechten Nachrichten kamen aus Brüssel, der Staatssekretär Rainer Baake brachte sie mit. Am Montagvormittag hatte er mit Kommissionsbeamten über die Reform des Ökostrom-Gesetzes verhandelt, doch die Herren hatten allerlei Vorbehalte. Hier müsse ein bisschen nachgebessert werden und dort ein wenig, und außerdem gebe es auch noch ein paar ganz grundsätzliche Fragen. Keine guten Nachrichten für ein Gesetz, das am 1. August in Kraft treten soll, das diesen Freitag den Bundestag passieren soll und zwei Wochen später den Bundesrat.

Verzug auf den letzten Metern, das war im Drehbuch des Wirtschaftsministers nicht vorgesehen. Kaum im Amt, ging er die Reform schon in der Weihnachtszeit an, erst im kleinen Kreis, dann mit einem Paukenschlag: Ende Januar präsentierte er Eckpunkte für das Gesetz. Wochenlang verhandelte sein Staatssekretär anschließend mit Brüssel über die Ausnahmen für Industriebetriebe, während in Berlin abwechselnd die Ministerpräsidenten der Länder und die Chefs irgendwelcher Verbände bei Gabriel vorsprachen.

Das EEG wird mit Zähnen und Klauen verteidigt

Eine schnelle Reform der Ökostrom-Förderung, das ist eigentlich schon ein Widerspruch in sich. Das Fördergesetz, kurz EEG, haben Bundesländer und Investoren längst lieb gewonnen, sie verteidigen es mit Zähnen und Klauen. Zugleich aber ist die Förderung in den letzten Jahren immer teurer geworden, sehr zum Verdruss der Stromkunden. Und dann sind da noch jene Teile der deutschen Industrie, die des scharfen internationalen Wettbewerbs wegen von diesen Kosten verschont blieben - und die für dieses Privileg bis aufs Messer kämpfen. Der SPD-Chef, keine Frage, hat sich die denkbar größte Problemzone in seinem Ressort ausgesucht, und das sogar ganz freiwillig. Die EEG-Reform sollte eine Art Kabinettstück werden.

Und jetzt das. Am Dienstagmorgen versammeln sich im Bundestag die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses, sie sollen letzte Hand anlegen an das Gesetz. Unverrichteter Dinge müssen sie wieder abziehen - es gibt noch keinen Entwurf, der die Brüsseler Vorbehalte berücksichtigt. Die Koalition wolle ein hochkomplexes und zentrales Reformwerk "im völligen Chaos durchpeitschen", ätzt Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. "Verantwortlich für dieses Chaos ist Sigmar Gabriel." Die Linke ist nicht gnädiger, dort spricht die parlamentarische Geschäftsführerin Petra Sitte von einem "Tohuwabohu", das nicht gerade von guter Regierungsarbeit zeuge. Nötig sei eine "angemessene parlamentarische Behandlung". Um mindestens eine Woche müsse das Gesetz verschoben werden.

Tohuwabohu war so ziemlich das Letzte, was Gabriel wollte

Tohuwabohu war so ziemlich das Letzte, was Gabriel wollte. Das Gesetz soll Ordnung in den Förderdschungel beim Ökostrom bringen. Sie soll sich künftig vor allem auf Wind- und Solarenergie stützen und definiert dafür erstmals Korridore. Werden mehr Anlagen gebaut als geplant, sinkt die Förderung, sind es weniger, dann steigt sie. Die Länder konnten erreichen, dass diese Korridore noch erweitert werden, sodass zumindest ein Einbruch des Ökostromausbaus nicht zu erwarten ist. Auch sollen sich die Erzeuger von Ökostrom peu à peu dem Wettbewerb öffnen - zunächst sollen sie mehr Strom über die Strombörse vermarkten, später irgendwann soll die Förderung neuer Wind- oder Solarparks in Ausschreibungen ermittelt werden. Das alles senkt noch nicht die Umlage, welche die Kunden zu zahlen haben, es dürfte aber den Anstieg abbremsen. Und die Industrie kann sicher sein, dass sie auf ihre bisherigen Rabatte nicht verzichten muss - obwohl sich die EU-Kommission gerade an diesen Ausnahmen so gestört haben. Kritik gibt es immer noch an der Reform, aber im Grunde wirken alle ganz zufrieden.

Hier ein Rabatt gestrichen, dort eine Verschärfung weg

Daran dürfte auch die 204-seitige Synopse nichts ändern, die den Parlamentariern am Dienstagvormittag zugestellt wurde - zur Beratung am selben Abend. Sie stellt die bisherige Fassung und die Änderungen gegenüber. Zuletzt geplante Verschärfungen für Betreiber kleiner Solaranlagen sind darin gestrichen, darauf hatten auch die Länder gepocht. Für eine Reihe von Industriebetrieben fällt eine Sonderregel und damit der Rabatt weg - auf sie kommen künftig jene 6,24 Cent je Kilowattstunde EEG-Umlage zu, die alle übrigen Stromkunden auch zu zahlen haben. Betroffen sind aber offenbar nur gut zwei Dutzend Betriebe. Und wer Strom für den eigenen Bedarf produziert, kann sich dadurch nicht länger der Zahlung der kompletten EEG-Umlage entziehen, jedenfalls gilt das für neue Kraftwerke oder Solaranlagen: Der genaue Umfang dieser Belastung war der letzte große Streitpunkt innerhalb der Koalition. Sie soll zuerst bei 30, später bei 40 Prozent der EEG-Umlage liegen.

Den grundsätzlichen Einwand der Kommission, importierter Strom müsse von der Umlage befreit werden, weil diese eine "zollgleiche Abgabe" bedeute, übergeht der Entwurf. "Diesen Angriff werden wir so nicht mitmachen", sagt SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. "Die anderen Fragen haben wir vernünftig miteinander geklärt." Sein Gegenpart bei der CDU, Michael Fuchs, sieht das ähnlich. "Wir haben hart gearbeitet", sagt er. Weshalb Gabriels Gesetz am Freitag doch den Bundestag passieren könnte - mit dem kleinen Makel des Tohuwabohus.

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