Edelmetall:Geldhüter kündigen Goldpakt

An employee poses for photographs with a one kilogram gold bar at the Korea Gold Exchange in Seoul

Der Goldpreis glänzt bei mehr als 1500 Dollar je Feinunze so richtig. Das liegt auch an den Notenbanken rund um den Globus. Kim Hong-Ji/Reuters

(Foto: Kim Hong-Ji/REUTERS)

Lange war Gold unter Notenbankern verpönt. Doch nun wagen sie eine riesige Wette auf das edle Metall.

Von Victor Gojdka

Wie viel Macht ausgerechnet die Deutsche Bundesbank über den weltweiten Goldmarkt hat, offenbart sich auf genau 2390 Seiten. Inventarnummer, Gewicht, Feinheit - bis auf die letzte Nachkommastelle haben die Mitarbeiter der Bank den Goldschatz der Deutschen dort aufgelistet. 270.000 Barren, 1,7 Millionen Kilo. Eine so unvorstellbare Summe, dass sie Goldhalter, Minenbesitzer und Metallhändler zittern lässt: Was wäre, wenn die Bundesbank ihr Gold losschlüge?

Diese Frage rückt derzeit in den Fokus, denn 22 Notenbanken kündigen nun einen zwanzig Jahre alten Goldpakt. Die Geldhüter der Bundesbank und anderer Zentralbanken hatten sich darin verpflichtet, nie zu viel des Edelmetalls auf den Markt zu werfen. Doch diese Regeln scheinen obsolet. Denn ihr Edelmetall zu verkaufen? Das käme den Notenbankern derzeit nicht in den Sinn. "Die Zentralbanken sind inzwischen zu Nettokäufern geworden", teilt die Bundesbank mit. Das jahrealte Verkaufslimit für Gold scheint den Notenbankern daher schlicht überflüssig, aus der Zeit gefallen. Fazit: weg damit. Das Aus für das Abkommen offenbart, wie ausgerechnet einstige Goldverächter inzwischen eine riesige Wette auf das Edelmetall wagen.

Gold galt Notenbankern lange als "faules Metall"

Wer verstehen will, mit wie viel Befremden die Geldhüter seinerzeit auf das Gold blickten, muss nur auf jenen 12. Januar 1999 schauen. Mittags traf sich der damalige britisch Schatzkanzler, Gordon Brown, mit dem Chef der englischen Notenbank zu einem folgenreichen Lunch. Dokumente zeigten später: An jenem frostigen Januartag ging es den beiden auch um das edle Metall. Wenig später schon würden die Briten mehr als die Hälfte ihres Staatsgoldes verkaufen, 395 Tonnen, 20 Kubikmeter, ungefähr so groß wie ein Caravan. Als die geheimen Pläne bekannt wurden, knickte der Goldpreis augenblicklich ein. Der Schachzug der beiden britischen Finanzpolitiker war der letzte in einer langen Kette: Belgier, Kanadier und Niederländer hatten in den Jahren zuvor bereits tonnenweise Gold aus ihren Notenbanktresoren verkauft. Das über Jahrtausend begehrte Metall schien zum Ende des Millenniums plötzlich seinen Glanz zu verlieren. Ein "faules Metall", das nur im Tresor verstaubt? Das schickte sich nicht in Zeiten, in denen Finanzer mit Tech-Aktien und Währungsgeschäften Milliarden scheffelten.

Der Schritt der Briten im Frühjahr 1999 traumatisierte den Goldmarkt, der Goldpreis rutschte in den zwei Monaten nach der Ankündigung um rund zehn Prozent ab. Im September schließlich schritten viele Zentralbanken ein: In einem Goldpakt besiegelten sie, gemeinsam nie mehr als 400 Tonnen des Edelmetalls pro Jahr auf den Markt zu werfen. Die Ereignisse in jenem Frühjahr hatten schließlich gezeigt, wie groß die Verwerfungen sonst sind.

Inzwischen sind die Notenbanker Goldjäger geworden

20 Jahre später haben die Notenbanken ihren Blick auf das Gold fundamental gedreht - aus Goldskeptikern sind Goldjäger geworden. Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben die Geldhüter weltweit 374 Tonnen des Metalls gekauft, so viel wie noch nie. Erst im August hat die Chinesische Volksbank ihre Goldbestände erneut aufgestockt. Die russischen Zentralbanker haben ihre Bestände in den vergangenen zehn Jahren gar vervierfacht. Eine Umfrage zeigt: In den kommenden 12 Monaten dürften sie weiter zukaufen. Vor allem aufstrebende Länder langen zu, wollen ihre Währungsreserven unabhängiger vom Dollar machen. Schließlich will Donald Trump den Wert seiner Währung drücken - und ungeliebte Länder droht er vom Dollarsystem abzuschneiden. Angesichts der Großkäufe der Notenbanker dürfte das Aus für den Goldpakt den Markt nicht zerrütten. "Die jüngste Verlautbarung dürfte keinen direkten Einfluss auf das Preisgeschehen im Goldmarkt ausüben", sagt Thorsten Polleit vom Metallhändler Degussa. Anleger können also aufatmen. Und ihren eigenen, inoffiziellen Pakt mit den goldliebenden Notenbankern schließen.

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