Edeka und Tengelmann:Was Gabriel von einer Tengelmann-Übernahme hält

Kaiser's Tengelmann - Edeka

Alles im Sack: Das Kartellamt verweigerte die Übernahme von Kaiser's-Tengelmann-Märkten durch Edeka. Nun hoffen die Beteiligten auf eine Ministererlaubnis.

(Foto: Oliver Berg/dpa)
  • Bundeswirtschaftsminister muss im Rahmen einer sogenannten Ministererlaubnis entscheiden, ob Edeka 451 Kaiser's Tengelmann-Supermärkte übernehmen darf.
  • Es geht um 16000 Arbeitsplätze

Von Michael Kläsgen, Berlin

Der Minister kommt als Letzter, lässt alle auf sich warten und macht dann erst einmal auf falsche Bescheidenheit. Sigmar Gabriel (SPD) schreitet durch den Hintereingang, geht die gesamte Länge des sehr langen vertäfelten Eichensaals entlang. Alle sitzen schon. Vorne stehen sieben lange Tischreihen hintereinander. Sie sind mit Mikrofonen und, in Erwartung eines langen Nachmittags, mit Kaffee, überraschend vielen Saftfläschchen und Keksen bestückt. Endlich ist der Vize-Kanzler vorn im Saal angekommen.

Ein Ministerialdirigent hat die Anhörung bereits eröffnet. Bloß keine Zeit verlieren. 15 geladene Parteien dürfen sprechen, eine ist nicht erschienen. Als Gabriel an seinem Tisch, der zu allen anderen quer steht, Platz nimmt, entsteht kurz Unruhe und Gabriel sagt: "Lassen sie sich nicht stören." So als ginge ihn dieses große Spektakel hier in seinem Ministerium eigentlich gar nichts an.

Dabei ist er es ja, der Bundeswirtschaftsminister, der über Wohl und Wehe von 16 000 Arbeitsplätzen entscheidet - und darüber , ob Edeka nun endlich die 451 Kaiser's Tengelmann-Supermärkte übernehmen darf. Alle Beteiligten werden an diesem Tag, bis es in der Hauptstadt längst dunkel geworden ist, noch einmal ihre Argumente vortragen. Aber wie? "Kasperletheater", frotzelte einer der Beteiligten noch beim Einlass. Aber das ist untertrieben.

Viel Theatralik

Auftritt Karl-Erivan Haub, seines Zeichens noch Tengelmann-Chef. Er will seine 451 verlustbringenden Supermärkte unbedingt loswerden. Wie groß die Not offenbar ist, zeigt die dargebotene Theatralik. "Es fällt mir schwer, nach so schrecklichen Ereignissen wie in Paris direkt zur Tagesordnung zurückzukehren." Deswegen, fordert er, mögen sich nun alle erheben, um der Anschlagopfer zu gedenken. Und so stehen sie alle, die Streithähne im Ministererlaubnisverfahren Edeka/Tengelmann, und schweigen. Ein feiner Zug, so sieht es aus. Dann fährt Haub fort und sagt: "Auch bei uns geht es im Wesentlichen um Menschen." Dann verliert er rasch die pietätsvolle Attitude und knöpft sich jene Kaufinteressenten vor, die nur die profitabelsten Supermärkte übernehmen wollen.

"Die Rosinenpicker haben sich in Stellung gebracht", poltert er, "einige sitzen hier im Raum." Sein letzter Satz ist dann ein recht unverblümter Versuch, Gabriel ins Gewissen zu reden. "Bitte, Herr Minister, entscheiden Sie am Ende für die Menschen." Das tut dann doch weh: Ein unbescholtener, wohl behüteter Millionär zu sein und die schlimmste Terrorattacke in der französischen Geschichte für das eigene Geschäftsanliegen zu instrumentalisieren? Nicht die ganz feine Art.

Eines aber dürfte sicher sein. Gabriel wird versuchen, zum langfristigen Wohl der Mitarbeiter zu entscheiden. Da darf Haub beruhigt sein. Nur ob das bedeutet, dass Edeka alle Kaiser's-Supermärkte übernehmen darf? "Nur über diese Fusion darf ich entscheiden", sagt Gabriel, als er den Schlagabtausch mit den vielen anwesenden Betriebsräten sucht. Man könnte in dem Moment versucht sein herauszuhören, dass der Minister einer Erlaubnis der Fusion nicht abgeneigt ist. Es gehe bei der Ministererlaubnis nicht darum, Alternativen zu prüfen.

Die einzige Alternative, die Haub in Aussicht stellt, ist die Zerschlagung. Gabriel nimmt das Wort nicht in den Mund, aber er fragt bissig nach: "Haben Sie Angst vor dem Tod? Was ist die Alternative?" Die Betriebsräte haben keine wirklich gute Antwort darauf. Es gehe ihnen darum, sagen die Arbeitnehmervertreter, das Tarifsystem zu erhalten. Und sie wollen betriebsratsfreie Strukturen verhindern. Sie befürchten, die Kaiser's-Supermärkte könnten an selbständige Kaufleute übergehen. Aber ist das schlimmer als eine Zerschlagung? Gabriel fragt: "Sie lehnen die Fusion ab, wissend, dass die Alternative den Zustand herbeiführt, den Sie nicht wollen?"

Rewe ist die Alternative, erwidert einer. Auftritt Rewe-Chef Alain Caparros. Ein Franzose mit deutschem Pass. Perfektes Deutsch mit französischem Akzent. Er beteuert, dass Rewe alle Supermärkte, alle Kosten, alle Risiken übernehmen will und den Bestand für fünf Jahre garantiert. "Wir sind keine Rosinenpicker", echauffiert sich Caparros. Der Minister entgegnet trocken: "Das Problem scheint zu sein, dass wir hier keine Verkaufsverhandlungen führen." Er scheint seine Entscheidung schon getroffen zu haben.

Vielleicht täuscht der Eindruck auch.

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