Edeka/Tengelmann:Zweifelhafte Doppelrolle

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Verdi-Bundesvorstand Nutzenberger schickte ihm einen Brief: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. In dem Schreiben unterstützt sie Rewe. Dort sitzt sie auch im Aufsichtsrat. (Foto: Hannibal Hanschke/Reuters)

Stefanie Nutzenberger ist nicht nur Funktionärin der Gewerkschaft Verdi. Sie sitzt auch im Aufsichtsrat des Edeka-Rivalen Rewe. Wie neutral kann sie sein?

Von Michael Kläsgen, Katja Riedel

Stefanie Nutzenberger, 52, Bundesvorstandsmitglied der Gewerkschaft Verdi, ist eine Frau der klaren Worte. Auch deswegen taucht sie oft in den Fernsehennachrichten oder in der Zeitung mit einem Zitat auf - immer dann, wenn Arbeitsplätze in Handelskonzernen bedroht, Tarifverträge verweigert oder unterlaufen werden. Nutzenberger keilt dann gegen Konzerne wie Real, Obi oder Amazon. Mal bezichtigt sie diese, "Angst und Schrecken zu verbreiten", mal wirft sie ihnen vor, eine "offene Kampfansage gegen die Beschäftigten" zu richten.

Auffallend ist, dass Nutzenberger immer klipp und klar Stellung bezieht. Sie lässt so gut wie nie Raum für Zweideutigkeiten. Meist vollziehen sich ihre Aussagen nach dem Schema: dort böser "Großkonzern", hier armer, entrechteter Arbeitnehmer. Nur in einem aktuellen und besonders brisanten Fall ist die Gewerkschafterin befangen: In dem sich seit Monaten hinziehenden Übernahmepoker um die Supermärkte von Kaiser's Tengelmann.

Denn Nutzenberger sitzt im Aufsichtsrat des Kölner Handelskonzerns Rewe, der mit aller Kraft zu verhindern versucht, dass diese Supermärkte an den Konkurrenten Edeka fallen. Edeka aber hat einen Kaufvertrag mit Tengelmann abgeschlossen. Seit der Sondergenehmigung der Fusion durch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im März versucht Edeka, mit Verdi einen Tarifvertrag abzuschließen. Zehn Verhandlungsrunden verstrichen bislang ergebnislos. Edeka und Verdi treffen sich, trotz des vorläufigen Verbots des Oberlandesgerichts Düsseldorf, die Fusion zwischen Edeka und Kaiser's Tengelmann zu vollziehen, in der kommenden Woche in Bayern, NRW und Berlin zur elften und vielleicht entscheidenden Runde. Edeka muss sich mit der Gewerkschaft einigen, um noch eine Chance auf den Vollzug der Fusion zu wahren.

Nutzenberger sieht keinen Grund, ihr Mandat abzugeben oder ruhen zu lassen

Aber ist eine Einigung überhaupt möglich oder erwartbar, wenn der für Handel zuständige Bundesvorstand der Gewerkschaft im Aufsichtsrat des Konkurrenten sitzt? Verdi teilt dazu mit: "Es liegt kein Interessenkonflikt vor. Frau Nutzenberger nimmt im Aufsichtsrat von Rewe ihre dortigen Rechte und Pflichten als gewähltes Aufsichtsratsmitglied wahr. Frau Nutzenberger hat sich immer klar und deutlich positioniert dergestalt, dass Verdi sich nicht für einen konkreten Erwerber ausspricht." Das ist nur bedingt richtig. Am Tag nach der öffentlichen Anhörung zur Fusion im Bundeswirtschaftsministerium schickt Nutzenberger im November 2015 die Kopie eines Briefes an Gabriel. Rewe-Chef Alain Caparros hatte die Anhörung dazu genutzt, noch einmal mit Verve für eine Fusion von Rewe und Kaiser's zu werben. Nutzenberger schreibt daraufhin an Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub: "Vor diesem Hintergrund des nunmehr durch Rewe an Sie öffentlich erfolgten Angebots fordern wir Sie auf, ... das Angebot von Rewe ... ernst zu nehmen." Der Betreff des Briefes: "Aufforderung zu Verhandlungen". Das Schreiben ist ein klares Votum für Rewe. Die Kopie ihres Tengelmann-Briefes, die an Gabriel ging, schickte Nutzenberger zusammen mit Verdi-Chef Frank Bsirske dem Minister. Das verlieh ihrem Einsatz für Rewe noch mehr Gewicht. Der SZ versichert sie aber, "nicht die Interessen eines einzelnen Unternehmens" zu vertreten, sondern die der Beschäftigten. Rewe habe damals ein Angebot vorgelegt, dass "weitgehend" den Forderungen von Verdi entsprochen habe. Ein Dilemma wegen ihrer Doppelrolle will die Funktionärin nicht sehen: "Frau Nutzenberger sieht keinen Grund, ihr Mandat bei Rewe abzugeben oder ruhen zu lassen", so Verdi.

Gut zwei Monate nach dem Brief an Haub hatte Nutzenberger ohnehin ihre Meinung geändert und sich mit der Fusion von Edeka und Kaiser's arrangiert. Gabriel hatte Mitte Januar bekannt gegeben, die Fusion unter harten Auflagen genehmigen zu wollen. In einer Stellungnahme zu der geplanten Sondergenehmigung hatte Nutzenberger keine wesentlichen Einwände mehr gegen die Fusion. Der Grund: Auch Edeka hatte sich zum Erhalt der Arbeitsplätze verpflichtet.

Zu Tarifabschlüssen mit Verdi ist es dennoch bislang nicht gekommen. Nutzenberger sagt, weil Edeka bis jetzt nicht die Auflagen erfüllen wollte. Verdi strebe dennoch eine "zeitnahe Einigung" an. Trotz ihrer Doppelrolle.

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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