Ebola-Epidemie:"Eine Blockade wird mehr Menschen töten als Ebola"

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Ökonom Benoît Kambale sorgt sich um die Konsequenzen eines Wirtschaftszusammenbruchs durch Ebola - vor allem für die Ärmsten der Welt. (Foto: Judith Raupp)

Der afrikanische Ökonom Benoît Kambale warnt vor den wirtschaftlichen Konsequenzen der Ebola-Epidemie: Wenn die Welt in Panik verfalle, verschlimmere das vor allem die Lage der Ärmsten.

Von Judith Raupp, Goma

Die Viruskrankheit Ebola hat beim aktuellen Ausbruch bisher knapp 5000 Menschen getötet, vor allem in Westafrika. Die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie könnten aber noch viel mehr Leben kosten. Davor warnt Benoît Kambale, Wirtschaftsprofessor an der Freien Universität der Region der Großen Seen (Université libre des Pays des Grands Lacs) im ostkongolesischen Goma: "Wenn Europa und Nordamerika wegen Ebola den Verkehr zu Afrika weiter einschränken oder gar einstellen, wird die Blockade langfristig mehr Menschen töten, als jetzt an Ebola sterben."

Kambale spricht schon jetzt von einer "wirtschaftlichen Katastrophe für Afrika". Ohne Handel, ohne Investitionen und ohne Hilfsprojekte blieben die Armen in der Misere stecken, sagt er.

In den Ländern südlich der Sahara müssen zwei Drittel der Bevölkerung mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen. Kambales krisengeschüttelte kongolesische Heimat steht in der Entwicklungsstatistik der Vereinten Nationen auf dem vorletzten Platz. "Gerade erholt sich der Kongo von der letzten Rebellion, da kommt die weltweite Panik vor Ebola dazwischen", berichtet Kambale. Obwohl die Krankheit nur in einer abgelegenen Region im Norden des riesigen Landes aufgetreten sei, hemmten andere Länder den Warenaustausch und den Reiseverkehr - und das nicht nur in Nordamerika und Europa, sondern auch in Afrika. Tatsächlich hat beispielsweise Botswana erst vor kurzem mehreren Dutzend Lastwagenfahrern, die Kupfer aus dem Kongo nach Südafrika transportieren sollten, die Einreise verweigert. Der Transport war im Süden des Kongo gestartet, fast 2000 Kilometer von der Ebola-Region entfernt.

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Wirtschaftsprofessor Kambale weist auch auf den Schaden für die lokale Bevölkerung hin. Die kongolesische Regierung hat bis auf weiteres die Jagd auf Wildtiere im ganzen Land verboten. Dabei sind gerade arme Menschen auf den selbst erlegten Braten angewiesen. Außerdem finanzieren viele Familien auf dem Land mit dem Verkauf der Beute die Ausbildung ihrer Kinder, Medizin oder Kleider. Dieses Geschäft sei nun zum Erliegen gekommen, sagt Kambale, mit gravierenden Folgen: "So manches Kind wird nicht mehr in die Schule können."

Kambale behauptet, andere Länder könnten vom Kongo lernen, wie Ebola in Schach zu halten sei: schnell die Kranken isolieren, Ruhe bewahren und die Wirtschaft am Laufen halten. Im Kongo ist Ebola 1976 erstmals weltweit aufgetreten. Seither berichten Ärzte alle paar Jahre von lokal begrenzten Epidemien. Dieses Mal hat das Gesundheitsministerium bisher 68 kranke Menschen registriert, von denen 49 gestorben sind.

Dem Kongo kommt bei der Seuchenbekämpfung allerdings zugute, was ansonsten die Entwicklung des Landes bremst: die miserable Infrastruktur. Wo Straßen fehlen, reisen die Menschen nicht weit. Daher ist Ebola bis jetzt auf relativ kleine, abgelegene Regionen beschränkt geblieben.

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