Ebay-Kleinanzeigen:Markt der Möglichkeiten

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Flohmarkt-Gedränge ist derzeit undenkbar. Schon vor Ausbruch der Pandemie wurden viele Geschäfte über Ebay-Kleinanzeigen abgewickelt. (Foto: Hans Blossey/imago)

Der digitale Handel auf Kleinanzeigenportalen wächst enorm. Doch während die Kunden nach Schnäppchen suchen, kämpfen viele Händler ums Überleben im Lockdown.

Von Clara Thier, Duisburg

Eigentlich ist ein Teppichkauf bei Babak Nadjafi ein Erlebnis für alle Sinne. "Die Kunden setzen sich hin und trinken einen Tee oder einen Kaffee, während sie sich die Teppiche anschauen", sagt der Händler aus Paderborn. Das ist nun nicht mehr möglich. Seit er seinen Laden aufgrund der Corona-Krise schließen musste, läuft der Kontakt mit seinen Kunden nur noch über Telefon, Website - und neuerdings auch über Ebay-Kleinanzeigen. "Wir haben dort keinen anderen Teppichhändler gesehen. Und dann haben wir gesagt, wir probieren das jetzt einfach mal sechs Monate lang aus", sagt Nadjafi.

Ende November buchte der Inhaber der Teppichhandlung "Galerie Pars" ein Paket für 400 Artikel. Anders als für Privatverkäufer ist die Plattform für gewerbliche Händler kostenpflichtig. Für Nadjafi hat sich das Investment gelohnt: 30 Prozent seiner Ware verkauft er seitdem online. Orientteppiche seien aber auch gerade sehr beliebt, so der Teppichhändler. Und obwohl günstige Angebote auf dem Kleinanzeigenportal besser liefen als teure, sei der Verkauf dort für ihn deutlich lukrativer als bei speziellen Online-Auktionshäusern wie etwa Catawiki, sagt Nadjafi. Auch weil er mittlerweile viele Teppich-Ankäufe über Ebay-Kleinanzeigen mache.

So gut wie früher laufe das Geschäft trotzdem nicht, aber da sei er ja kein Einzelfall, "das geht ja gerade vielen so". Mittlerweile macht sich das auch im Stadtbild bemerkbar. "Früher gab es in der Paderborner Fußgängerzone keinen Laden, der leer stand", so Nadjafi, "mittlerweile sind es schon sechs." Die Konsumforscherin Andrea Gröppel-Klein bestätigt diesen Eindruck: "Im letzten Jahr gab es auch extreme Verlierer, und das ist natürlich der vom Lockdown betroffene Innenstadthandel", sagt sie.

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Es ist somit nicht weiter verwunderlich, dass genau wie Babak Nadjafi gerade viele Händler versuchen, auf Plattformen wie Ebay-Kleinanzeigen Fuß zu fassen. Mit Ausnahme eines kurzen Schocks zu Beginn des Lockdowns im März 2020 sind dort die Zahlen im vergangenen Jahr kontinuierlich angestiegen. Aktuell gibt es auf dem Kleinanzeigenportal mehr als 49 Millionen Inserate, das sind etwa 38 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Private und gewerbliche Anzeigen sind ungefähr im gleichen Maß gestiegen. Auch die Zahl der Nutzer hat sich im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozent erhöht: Mittlerweile hat jeder Zweite in Deutschland ein Benutzerkonto.

Und die Deutschen verkaufen dort praktisch alles: Fleisch aus eigener Schlachtung, Spachtelmasse direkt von der Baustelle, ungewöhnliche Pflanzenableger - es gibt quasi nichts, was es nicht gibt. Teilweise, weil es aufgrund der geschlossenen Läden derzeit einfach an Alternativen fehlt, seine Sachen loszuwerden. Teilweise, weil ein Secondhand-Kauf nun mal auch finanzielle Vorteile hat - und nachhaltiger ist er ebenso.

Auch andere Secondhand-Plattformen wie etwa Vinted für gebrauchte Kleidung, Momox für gebrauchte Bücher und Medien und Catawiki für Sammelgüter spüren den Trend. Sie alle verzeichnen steigende Mitgliederzahlen. Das gilt auch für das Nachbarschaftsnetzwerk Nebenan.de: In der Marktplatz-Kategorie gab es im Januar 40 Prozent mehr Beiträge als noch Ende des Vorjahres.

Versand als Kerngeschäft

Gleichzeitig stellen sich viele stationäre Händler in der Corona-Krise die Frage: Sind Kleinanzeigen heutzutage vielleicht sogar profitabler als das volatile Einzelhandelsgeschäft? Für Christian Staab lautet die Antwort auf diese Frage eindeutig: Ja. "Das ist meine Plattform, mein Hauptmarktplatz", sagt der Keyboard-Händler aus Frammersbach in Unterfranken. Gerade weil er schon lange auf das Geschäft mit Kleinanzeigen setze, habe er in der Corona-Krise nur geringe Einbußen, sagt Staab. Er bemerke im Lockdown sogar ein wachsendes Interesse an Instrumenten, von dem sein Geschäft profitiere. Vor allem Digitalpianos und Synthesizer, die sich besonders gut für die Komposition eignen, verschicke er gerade viele. "Die Zeit zum Üben ist gerade einfach da", sagt er.

Staabs Schwerpunkt liegt auf dem Verkauf von B-Ware, also Produkten zweiter Wahl, die aber noch völlig intakt sind. "Ich bin speziell aufgestellt, bediene ein Fachgebiet. Deswegen war der regionale Verkauf auf dem Land schon immer schwierig", sagt er. Der Versand habe sich schon vor 20 Jahren als sein Kerngeschäft herauskristallisiert. Mittlerweile verkauft er online nur noch über Ebay-Kleinanzeigen. Für Ebay selbst seien die Preise zu hoch, ein eigener Online-Shop sei ihm zu viel Aufwand, und andere Portale hätten sich schlicht nicht rentiert. so Staab. Außerdem gefalle es ihm, dass der Kundenkontakt bei Kleinanzeigen persönlicher sei. "Ich bin eine One-Man-Show", sagt Staab, deswegen sei das Portal für ihn ideal.

Der Keyboard-Händler ist fest davon überzeugt, dass Kleinanzeigenportale den stationären Handel teilweise ersetzen können. Auch weil die Konsumenten es so wollen, glaubt er. "Der Kunde möchte bequem von zu Hause aussuchen und nicht an Öffnungszeiten gebunden sein." Konsumforscherin Andrea Gröppel-Klein sieht das anders. "In einer zweiten Phase nach dem Lockdown, wenn ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist oder die Inzidenzzahlen dauerhaft zurückgegangen sind, werden die Menschen ihre Einkaufsfreude in den Innenstädten wieder neu entdecken", prognostiziert sie. Für Christian Staab würde das wenig ändern. Bei Babak Nadjafi hingegen könnten die Kunden endlich wieder Tee trinken - und in aller Ruhe Teppiche vergleichen.

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