EADS-Chef Gallois:"Wir wollen nicht auf Halde produzieren"

Die Luftfahrtindustrie in der Krise: EADS-Chef Gallois über Anpassungen an eine verringerte Nachfrage, das Langzeitprojekt A380 - und Optimismus.

Jens Flottau

Probleme hat der Flugzeugbauer EADS mehr als genug. Er wird hart von der Krise getroffen, der Absturz der Airbus-Maschine von Air France löste heftige Sicherheitsdebatten aus. Es drohen Stornierungen beim A380, und der Militärtransporter A400M kann immer noch nicht sein Flugtestprogramm beginnen. Dennoch gibt sich Konzernchef Louis Gallois, 65, optimistisch. Er rechnet damit, dass der Luftverkehr auf lange Sicht wachsen wird.

EADS-Chef Gallois: EADS-Chef Louis Gallois gibt sich trotz Krise optimistisch.

EADS-Chef Louis Gallois gibt sich trotz Krise optimistisch.

(Foto: Foto: AP)

SZ: Am Montag vor zwei Wochen ist ein Airbus A330 der Air France abgestürzt. Wie haben Sie davon erfahren?

Gallois: Von (Airbus-Chef) Tom Enders. Ich rief dann sofort bei (Air France-Chef) Pierre-Henri Gourgeon an, der mir bestätigt hat, dass der Kontakt mit dem Flugzeug verloren wurde. Der Unfall ist eine schlimme Tragödie - wir trauern mit den Angehörigen. Airbus arbeitet intensiv mit der Behörde, die Flugunfälle untersucht, zusammen. Es gibt noch keine Erklärung dafür, was passiert ist.

SZ: Derzeit richtet sich die Aufmerksamkeit der Unfallexperten offenbar auf die sogenannten Pitot-Sonden, mit denen die Geschwindigkeit gemessen wird.

Gallois: Die Katastrophe ist Ergebnis einer Kette von Ereignissen, aber wir wissen nicht genau, wie die Kette aussieht.

SZ: Befürchten Sie Auswirkungen auf das Airbus-Geschäft?

Gallois: Mehrere große Fluglinien haben dem A330 seit dem Unglück ausdrücklich ihr Vertrauen ausgesprochen

SZ: Heute beginnt der Aérosalon in Paris, die wichtigste Branchenveranstaltung des Jahres. Angesichts der Wirtschaftslage werden das trübe Tage, oder?

Gallois: Klar ist: Wir sind nicht im Boom-Jahr 2007. Wir rechnen nicht mit vergleichbar großen Aufträgen in Paris, die Kunden halten sich zurück. Aber wir werden Gelegenheit haben, viele Leute zu treffen, die aktuelle Situation zu besprechen - und vielleicht verstehen wir danach ja besser, an welcher Stelle der Krise wir uns gerade befinden.

SZ: Ist das Ende der Krise schon in Sicht?

Gallois: Das weiß ich, ehrlich gesagt, nicht genau. Wir gehen immer noch davon aus, dass wir 2009 die gleiche Zahl von Flugzeugen ausliefern werden wie 2008. Für 2010 sehen wir noch nicht klar. Bei der A320-Familie sind wir über 2010 hinaus immer noch überbucht, da haben wir einen gewissen Puffer.

SZ: Es gibt ernstzunehmende Stimmen, die fordern, eigentlich müssten Boeing und Airbus angesichts der globalen Wirtschaftskrise die Produktion um 60 Prozent senken, um sich der Nachfrage anzupassen. Stimmt das?

Gallois: Wir haben keine Daten, die diese Einschätzung bestätigen.

SZ: Halten Sie Flugzeugproduktion dennoch hoch, auch wenn der Markt nicht mitmacht?

Gallois: Nein. Unsere Strategie ist es, uns an die Situation anzupassen, sobald wir sie einschätzen können.Wir wollen nicht auf Halde produzieren. Airbus wird die Produktion an die erwarteten Auslieferungen dem Markt und den Kundenanforderungen folgend weiter flexibel anpassen, so wie das in den letzten Monaten bereits mit der Reduzierung der Produktionsraten für den A320 und den A380 sowie dem Einfrieren der Raten für den A330 geschehen ist.

SZ: Haben es die Airlines aus Ihrer Sicht mittlerweile leichter, wieder Kredite zu bekommen, mit denen Sie Ihre neuen Maschinen finanzieren können?

Gallois: Ja, aber es bleibt schwierig, auch wenn die Lage sich etwas verbessert. Die Exportgarantien helfen, Flugzeuge zu akzeptablen Bedingungen zu finanzieren.

SZ: Aber wird durch die Exportgarantien die Nachfrage nicht künstlich hochgehalten?

Gallois: Mitnichten. Die Exportkreditagenturen legen strenge Maßstäbe an. Der Markt für Kredite war für eine gewisse Zeit völlig zusammengebrochen, jetzt wird es langsam etwas besser. Die Exportkredite helfen Airlines, die Flugzeuge zu übernehmen, die sie ohnehin haben wollen. Die Leasingunternehmen konnten ihre übliche Rolle in dieser Krise ja auch nicht mehr spielen. Früher haben sie immer dann Flugzeuge gekauft, wenn Airlines dazu nicht in der Lage waren. Kurz: Wir sind nicht mehr ganz so in Sorge wie vor einigen Monaten.

SZ: Ihr größtes Flugzeug, der Airbus A380, wurde 2000 formell gestartet. Sie werden voraussichtlich frühestens 2020 Geld damit verdienen. Kann sich EADS so etwas überhaupt leisten?

Gallois: Das ist Ihre Prognose. Im Ernst: Wir geben keine Auskunft über die Profitabilität einzelner Programme, Boeing macht das ja auch nicht. Der A380 ist aber ein langfristiges Projekt.

SZ: Anders gefragt, war es aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, den A380 zu bauen?

Gallois: Das werden wir am Ende sehen. Denken Sie daran, dass der Start des Boeing 747-Programms noch erheblich schwieriger war als beim A380. Der A380 ist auf 30 Jahre angelegt - danach wird abgerechnet. Wir sehen in den nächsten 20 Jahren einen Markt von mindestens 1200 Flugzeugen in dieser Grössenklasse.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Optimismus in Person - Gallois über mögliche Abbestellungen.

"Wir rechnen damit, dass der Luftverkehr langfristig wieder anziehen wird"

SZ: Ihr wichtigster Kunde, die größte Flugzeugleasinggesellschaft der Welt, ILFC, erwägt, den A380 abzubestellen. Wie sehr beunruhigt Sie das?

Gallois: Bis jetzt haben wir keine Stornierung bekommen. Ich glaube, ein Flugzeug, das mehr Leute effizienter von einem Drehkreuz zum nächsten befördert, hat eine Zukunft. Wenn ich sehe, wie viel Geld Boeing in die Entwicklung des Konkurrenzprodukts, die neue 747-8 steckt, dann schließe ich daraus, dass sie dies ähnlich einschätzen: Sie wollen uns kein Monopol in dem Bereich überlassen.

SZ: Egal ob ILFC selbst storniert oder nicht: Der Ansicht von ILFC zufolge wenden sich die Airlines vom A380 ab, weil ihnen das Flugzeug zu groß und damit zu riskant ist. Stimmt das?

Gallois: Natürlich ist so eine Krise nicht die beste Zeit für ein solch großes Flugzeug. Aber wir rechnen damit, dass der Luftverkehr langfristig wieder anziehen wird. Experten gehen von jährlich vier bis sechs Prozent aus. Nach der Krise sehe ich für Airlines viele Gründe, dieses Flugzeug zu kaufen. Ich bin da sehr optimistisch.

SZ: Bis Ende des Monats werden die europäischen Erstkunden des Militärtransporters A400M entscheiden, ob sie angesichts der riesigen Verspätungen ihre Aufträge stornieren oder weitermachen. Wo stehen Sie in den Gesprächen?

Gallois: Es ist eine intensive Phase. Wir unterhalten uns über Zeitplan, Lieferdaten, den Erstflug, den technischen Standard des Flugzeuges. Und natürlich reden wir auch über Geld. Ende Juni werden die Kunden entscheiden. In jedem Fall werden die Verhandlungen über Details bis dahin nicht beendet sein. Ich hoffe, wir schaffen das bis Jahresende.

SZ: Beim A400M geht es ja nicht nur ums Geld: Das Flugzeug ist offenbar zu schwer und schafft bei weitem nicht die zugesagten Leistungen.

Gallois: Die Entwicklung ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Wir werden in jedem Fall ein Flugzeug mit hervorragenden Leistungen liefern. Das heißt nicht, dass wir von Anfang an gleich jede extreme Anforderung erfüllen werden. Aber das ist auch Teil der Verhandlungen: zu klären, wann wir was bieten müssen.

SZ: Wie sehr wird der A400M EADS auf Dauer finanziell belasten?

Gallois: Ich hoffe, wir werden uns langfristig erholen. Das Flugzeug hat im Export eine große Zukunft vor sich, weil kein anderes annähernd so gut sein wird. Wir haben ja bereits 2,3 Milliarden Euro zurückgestellt für Zusatzkosten und Verluste, das ist eine Menge Geld.

SZ: Damit Sie mit dem A400M Geld verdienen, brauchen Sie Exporte?

Gallois: Ja, definitiv.

SZ: Und welche Lehren kann man aus dem Fall ziehen?

Gallois: Dass man solche zivilen Verträge für militärische Programme nicht unterschreiben darf. Ein militärisches Programm bedeutet äußerst riskante Technologie. Aber wir haben einen Vertrag gemacht, bei dem wir alle Risiken tragen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Gallois über die Macht bei EADS.

"Wir sollten nicht träumen"

SZ: Und der politische Einfluss auf die Arbeitsaufteilung hat nicht geholfen.

Gallois: Wir sollten nicht träumen. Die Regierungen wollen ihr Geld zurückbekommen, auf die eine oder andere Weise. Es gibt in der Tat politischen Einfluss auf die Arbeitsaufteilung - ein weiterer Grund, warum wir nicht allein das ganze Risiko tragen dürfen.

SZ: Was belastet EADS eigentlich am meisten: Der A380, der A400M oder der gravierende politische Druck?

Gallois: Den fühle ich eigentlich nicht. Wenn ich jetzt unsere Zentrale nach Kuala Lumpur verlegen wollte, könnte es sein, dass ich mit meinen Anteilseignern ein Problem bekomme. Aber ich sehe keinen einzigen Punkt, in dem ich im laufenden Geschäft unter politischem Druck stünde.

SZ: Uns fällt da einiges ein. Sie wollten etwa die Unternehmenszentrale, die derzeit auf Paris und München aufgeteilt ist, nach Toulouse zusammenlegen und sind damit gescheitert.

Gallois: Okay, aber das ist eine isolierte Frage. Und wir müssen verstehen, dass wir eine gewisse Balance zwischen Deutschland und Frankreich einhalten müssen.

SZ: Sie wollten vor einiger Zeit eine Kapitalerhöhung durchsetzen...

Gallois: ...was wir im Moment aber nicht zwingend brauchen. Ich kann akzeptieren, dass EADS-Anteilseigner dagegen waren, übrigens nicht die staatlichen.

SZ: Wir haben trotzdem den Eindruck, dass Ihre Anteilseigner Daimler, Lagardère und der französische Staat hinter den Kulissen kräftig kämpfen.

Gallois: Worum?

SZ: Um die Macht bei EADS.

Gallois: Nein. Das sehe ich überhaupt nicht so. Das ist eine Legende. Wir haben einen gut ausbalanciertenVerwaltungsrat, und die Leute da reden übers Geschäft, nicht über Macht. Wenn wir harte Entscheidungen treffen müssten, die die Balance verschieben würden, ja: dann gäbe es wohl Diskussionen.

SZ: Beim Airbus-Sanierungsprogramm Power 8 haben alle peinlich genau darauf geachtet, dass überall gerecht gestrichen wird. Das kann doch nicht sinnvoll sein.

Gallois: Es wurde in allen Ländern der gleiche Prozentsatz gestrichen, aber da ging es um die Verwaltung, nicht um die Produktion. Bei Produktionsstandorten hängt es vom jeweiligen Standort ab, welche Massnahmen wir treffen müssen. Ein Werk, das am A400M arbeitet, ist von Kürzungen mehr betroffen als ein anderes, das vor allem beim A320 engagiert ist.

SZ: Wenn die Balance so unwichtig ist, wie Sie sagen, dann könnten Sie ja 2012, wenn die Spitzenpositionen im Konzern neu verteilt werden sollen, den deutsch-französischen Proporz aufgeben und die Posten frei besetzen.

Gallois: Das ist einer der Punkte auf der Liste, die wir für den Moment noch nicht abschaffen können. Hier haben die Anteilseigner Vetorechte, und es gehört zur Balance im Unternehmen. Diese Balance steckt in den Genen der EADS. Vielleicht sollten wir versuchen, das zu ändern, aber es wird dauern. Wir sind da ein bisschen hin- und hergerissen: Auf der einen Seite wollen wir mehr Freiheiten und Flexibilität gewinnen, auf der anderen Seite brauchen wir die Unterstützung unserer Regierungen, weil unser Konkurrent (Boeing) auch riesige Hilfen erhält. Ziel muss es aber sicherlich sein, unseren Handlungsspielraum zu erweitern, um noch effizienter zu werden.

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