Kommunikation:Wenn E-Mails lesen so wichtig ist wie Zähneputzen

Ungelesene Mails am Handy

Das Smartphone macht ein Abschalten nach Feierabend oft unmöglich.

(Foto: dpa)

Die E-Mail ist das meistgenutzte Kommunikationsmittel im Büro. Viele checken ihr berufliches Postfach allerdings auch von zu Hause. Das hat Konsequenzen.

Von Katharina Kutsche

Kathleen Kelly hat sich noch über jede Post gefreut. Im Film "E-Mail für Dich" aus dem Jahr 1998 wartete die Buchhändlerin, gespielt von Meg Ryan, sehnsüchtig auf die elektronische Post ihres unbekannten Freundes, verkörpert von Tom Hanks. Meldete ihr Laptop "Sie haben Post", hoffte Kelly automatisch auf eine private Nachricht, geschäftliche Mails spielen in dem Film keine Rolle. Heute würde Kathleen Kelly alias Meg Ryan vermutlich über eine Messenger-App mit ihrem Freund chatten - oder mit mehreren privaten und geschäftlichen Postfächern jonglieren und den Liebesbrief zwischen Bestellbestätigungen, Newslettern und Spam suchen.

Während im Jahr 2000 noch insgesamt 32,3 Milliarden elektronische Texte verschickt wurden, waren es 2014 schon 506,2 Milliarden. Die E-Mail hat damit vor allem die Arbeitswelt verändert. Privat sind viele längst auf Gruppenchat-Dienste und andere Kanäle ausgewichen. Sie steht wie kaum ein anderes Kommunikationsmittel für die ständige Erreichbarkeit von Beschäftigten.

"Wir beobachten, was Soziologen als Entgrenzung bezeichnen"

Barbara Pangert, Psychologin, forscht an der Uni Freiburg zur Zukunft der Arbeit. In Online-Befragungen, Interviews und Workshops untersuchten Pangert und ihre Kollegen, was die ständige Erreichbarkeit für Arbeitnehmer bedeutet: "Wir beobachten, was Soziologen als Entgrenzung bezeichnen: Dass nämlich Arbeitswelt und Privatleben ineinander übergehen und man die Grenzen nicht mehr klar definieren kann." Dabei spiele die E-Mail eine größere Rolle als das Telefon. "Bei den Beschäftigten ist es einfach in die tägliche Routine übergegangen, dass sie auf dem Heimweg oder vor dem Schlafengehen noch mal in ihr E-Mail-Postfach schauen", so Pangert. "Das hat inzwischen einen Stellenwert wie Zähneputzen." Manche Firmen schalten deswegen nach Dienstschluss den Mail-Server ab.

Für die Dauer-Erreichbarkeit haben die Forscher vier Gründe ausgemacht. Erstens die besseren technischen Möglichkeiten, wie sie eben Smartphones mit E-Mail-Apps bieten. "Zweitens kommt hinzu, dass wir heute vielfach asynchrone Arbeitszeiten haben", sagt die Psychologin. "Das kann an internationalen Kunden, etwa in den USA, liegen, die anrufen, wenn man selbst schon Feierabend hat, oder an flexiblen Arbeitszeiten." Der dritte Aspekt sei eine veränderte Art von Mitarbeiterführung. "Beschäftigten wird nicht mehr vorgegeben, was sie wann wie in welcher Reihenfolge machen sollen, sondern sie bekommen eine stärkere Verantwortung für das Erreichen von Zielen", so Pangert. Als vierten Grund nennt sie veränderte Kundenerwartungen.

Arbeitnehmer erhalten im Schnitt 121 E-Mails pro Tag. Und wie das englische Marktforschungsunternehmen The Radicati Group berichtet, rufen 65 Prozent der Empfänger ihre elektronische Post auf einem mobilen Endgerät ab. Was grundsätzlich bequem für Chefs und Mitarbeiter ist, hat jedoch Konsequenzen, sagt Pangert. "Wenn man früher einen Geschäftsbrief geschickt hat, brauchte der mehrere Tage und der Absender wusste nicht genau, wie schnell der Brief gelesen wird. Heute ist die Erwartungshaltung, dass eine E-Mail innerhalb von 24 Stunden gelesen wird. Das beschleunigt die Kommunikation natürlich extrem."

Gerade diese Beschleunigung verführt dazu, es an der korrekten Form mangeln zu lassen. Agnes Jarosch ist Gründungsmitglied und Vorsitzende des Deutsche Knigge-Rates, auch dort ist der Versand von E-Mails ein Thema: "Wir erleben da viel Unsicherheit in unseren Seminaren." Dabei sind die Regeln nicht kompliziert, wie diese Tipps zeigen.

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