Dyson:Britische Erfolgsgeschichte aus Fernost

Dyson: Dyson-Vorstandschef Jim Rowan hat sein Büro bereits in Singapur.

Dyson-Vorstandschef Jim Rowan hat sein Büro bereits in Singapur.

(Foto: oh)

Staubsauger-Hersteller Dyson verlagert den Sitz von England nach Singapur. Dabei ist der Gründer Brexit-Anhänger.

Von Björn Finke, London

Viel Glas und viel Grün, die Dächer wellenförmig geschwungen: Die Firmenzentrale von Dyson ist hübsch - und toll gelegen, in Malmesbury am Rande der Cotswolds. Diese Hügelregion im Westen Englands wirkt romantisch-verwunschen. Zumindest wenn nicht gerade Reisebusse voller Touristen die kleinen Dörfer überfallen. Malmesbury wird allerdings nicht mehr lange der Konzernsitz des britischen Technologie-Unternehmens sein. Der Hersteller von beutellosen Staubsaugern verkündete zusammen mit guten Jahreszahlen, in den kommenden Monaten den Sitz aus den Cotswolds nach Singapur zu verlagern. Dieses Vorhaben erregt den Zorn einiger Politiker. So werfen Abgeordnete der Oppositionspartei Labour Gründer und Eigentümer James Dyson "Heuchelei" vor.

Sir James - er wurde 2007 zum Ritter geschlagen - gehört zu der Minderheit bekannter Top-Manager, die sich vor dem EU-Referendum für den Austritt aussprachen und eine glänzende Zukunft außerhalb der EU prophezeiten. Dass sein Konzern jetzt, neun Wochen vor dem schicksalhaften Scheidungstermin, den offiziellen Sitz nach Asien verlegt, provoziert Fragen.

Vorstandschef Jim Rowan beteuert, der Schritt habe nichts mit dem Brexit zu tun. Vielmehr gehe es darum, der wachsenden Bedeutung Asiens Rechnung zu tragen. Seit 2003 fertigt Dyson nicht mehr im Königreich; die Fabriken stehen in Singapur, Malaysia und auf den Philippinen. Im Herbst entschied das Unternehmen, das Elektroauto, das 2021 auf den Markt kommen soll, ebenfalls in Singapur zu produzieren. In dem Stadtstaat hat Firmenchef Rowan bereits sein Büro. Asien steuert zudem mehr als die Hälfte der Gewinne bei.

Der Brexit ist für Dyson kein großes Thema, da ohnehin alle Geräte aus Asien kommen. Die Werke dort verwenden einige Zulieferteile aus Europa, aber das betreffe nur "zwei bis drei Prozent" der Lieferungen, sagt Rowan, der 2017 den Deutschen Max Conze als Chef ablöste.

In Malmesbury und an anderen englischen Standorten beschäftigt Dyson vor allem Ingenieure und Designer. Insgesamt arbeiten 4500 der 12 000 Angestellten im Königreich. Der Konzern will weiter kräftig in seine britischen Entwicklungsabteilungen investieren. Die Registrierung der Firma in Singapur führt nur zur Verlagerung von zwei Jobs: Der Finanzvorstand und der Chefjustiziar müssen umziehen. Da die Steuern auf Gewinne in Singapur nur wenig unter dem britischen Satz liegen, werde Dyson auch kaum Steuern sparen, rechnet das Management vor.

Der Umzug bedeutet jedoch, dass eine der großen Erfolgsgeschichten der britischen Industrie bald nicht mehr britisch ist. Rowan sagt reichlich unsentimental, für ihn sei Dyson ein "globaler Technologiekonzern". Dieser globale Konzern beginnt als Tüftelei eines ebenso begabten wie besessenen Erfinders. Weil James Dyson unglücklich über die Leistung seines Staubsaugers ist, will er einen besseren entwickeln: ein Gerät, das ohne Beutel auskommt und dessen Saugkraft nicht nachlässt. Zwischen 1979 und 1984 baut er exakt 5127 Prototypen. Als er endlich zufrieden ist, sei er "hoch verschuldet" gewesen, erinnert sich Dyson später. "Und ich wusste nicht, an wen ich mich wenden soll, um meine Maschine auf den Markt zu bringen." Schließlich fertigt ein japanischer Hersteller das Gerät und zahlt dem Engländer Lizenzgebühren. "Es war in Japan sehr erfolgreich", sagt der heute 71-Jährige.

Mit dem Geld aus Japan gründet er 1991 seine eigene Firma und produziert selbst beutellose Sauger. Andere Geräte folgen, etwa ohrenbetäubend laute Händetrockner, dazu Luftreiniger, kostspielige Föhne und LED-Lampen. Dyson baut zwischenzeitlich auch Waschmaschinen, aber die sind zu teuer und floppen.

Der waghalsigste Plan des - bald - singapurischen Konzerns ist der Einstieg in den Markt für Elektroautos. Dyson hat viel Erfahrung mit Elektromotoren, Batterietechnik und Design. Diese Expertise will das Unternehmen für Elektroautos nutzen. Die Fabrik soll 2020 eröffnen, ein Jahr später sollen die Fahrzeuge verkauft werden, die nach Angaben von James Dyson "nicht billig" sein und sich "radikal" von anderen Autos unterscheiden werden.

Das Unternehmen macht auch regelmäßig mit Gerichtsverfahren Schlagzeilen. So verklagte Dyson den deutschen Rivalen BSH wegen Industriespionage. Der frühere Chef Max Conze musste sich gegen ähnliche Vorwürfe verteidigen. Beide Streits wurden außergerichtlich beigelegt. Auf Betreiben von Dyson verwarf ein EU-Gericht die Testmethode, welche die EU-Kommission vorschrieb, um den Stromverbrauch von Saugern zu messen. Solche Erfolge gegen die Kommission sind sehr selten.

Die Geschäfte laufen ebenfalls: Im vorigen Jahr setzte der Konzern, der in Deutschland Marktführer bei Saugern ist, weltweit 4,4 Milliarden Pfund um, ein Viertel mehr als 2017. James Dyson ist inzwischen einer der reichsten Briten und gehört zu den bekanntesten Unternehmern.

Diese Popularität nutzt er für politische Kampagnen. Zur Jahrtausendwende sprach er sich vehement dafür aus, dass Großbritannien den Euro einführt. Danach kühlte seine Begeisterung für Europa aber merklich ab. Vor der EU-Volksabstimmung 2016 unterstützte er die Brexit-Kampagne. Der Milliardär klagte, die Union werde "von Deutschland dominiert", London habe kaum Einfluss auf Brüsseler Gesetze. Finanziell profitierte James Dyson allerdings von der Mitgliedschaft: Er ist einer der größten Landbesitzer des Königreichs und erhält reichlich Agrarsubventionen der EU.

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