Umweltschutz:Gibt sich der WWF für Greenwashing her?

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(Foto: Illustration: Lisa Hingerl/SZ)

Ausgerechnet die Umweltschutzorganisation kooperiert mit der Deutsche-Bank-Tochter DWS. Heraus kam ein Aktienfonds, der angeblich dem Meeresschutz dienen sollte. Nun zeigen interne Dokumente, wie groß die Zweifel im WWF waren.

Von Petra Blum, Nick Heubeck, Meike Schreiber, Frankfurt, Berlin

Was haben die Aktien von Royal Caribbean, einer der größten Kreuzfahrtgesellschaften der Welt, in einem Aktienfonds zu suchen, der sich dem Schutz der Meere verschrieben hat? Oder die eines Abfüllunternehmens von Coca-Cola, das zu den größten Verursachern von Plastikmüll weltweit zählt? Oder die eines britischen Kraftwerkbetreibers namens Drax, der wegen Kohleverstromung und Abholzung in der Kritik steht? Was hat das alles mit einer ökologischen und sozial gerechten Nutzung der Weltmeere zu tun?

Solche Fragen stellten vor wenigen Jahren Mitarbeiter der Naturschutzorganisation WWF, dem selbsternannten „Anwalt der Natur“. Sie hatten sich den Aktienfonds „DWS Blue Economy“ angesehen, den die Deutsche-Bank-Tochter DWS im März 2021 aufgelegt hatte. Das Problem: Ihre Kritik blieb intern, bis heute drang nichts davon nach außen, dabei hätte der WWF offenbar Einfluss nehmen können auf die DWS und die Zusammenstellung des Fonds. Dass das nicht geschah, hat offenbar einen pikanten Grund: Bis heute sind der WWF und die DWS eng verbandelt, die Umweltschützer beraten die Investoren und werden dafür bezahlt. Zu viel Kritik, zu laute Kritik, so kann vermutet werden, könnte da schlecht fürs Geschäft sein.

Interne Dokumente, die NDR, WDR und SZ zugespielt wurden, zeigen nun erstmals, dass intern beim WWF Mitarbeiter an der Sinnhaftigkeit der Kooperation und den grünen Versprechen des Blue Economy zweifelten. „12 Unternehmen haben keine wissenschaftlich basierten Klimaziele“, heißt es in einem Memo von WWF-Mitarbeitern, die direkt an der Fondsentwicklung beteiligt waren. Immer wieder soll es intern Bedenken gegeben haben, ob die DWS wirklich nachhaltige Unternehmen für den Fonds auswählt. In einer Excel-Tabelle notierten die WWF-Mitarbeiter zu einzelnen Aktien: „Firma zu stark in Öl- und Gasgeschäfte verwickelt“, „Immer noch im Kohlegeschäft“, „Tierwohlbedenken“, „kein Meeresbezug“.

Kreuzfahrten gelten als besonders umweltschädliche Art des Reisens. Trotzdem sind Aktien von Royal Caribbean in einem Fonds, der sich dem Schutz der Meere verschrieben hat. (Foto: Loic Venance/AFP)

Schon seit Jahren steht die Deutsche-Bank-Tochter DWS in der Kritik wegen des Verdachts von Greenwashing. Um genau zu sein seit Sommer 2021: Damals kritisierte die frühere DWS-Nachhaltigkeitschefin Desirée Fixler, die DWS verkaufe ihre Wertpapierfonds als „grüner“, als sie sind. Vergangenes Jahr brummte die US-Börsenaufsicht der DWS dafür eine Strafe von 19 Millionen Euro auf. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt dazu dauern noch an. Die DWS wies die Vorwürfe stets zurück, räumte aber „übertriebenes Marketing“ ein. Tatsächlich handelt es sich bei dem Begriff „Greenwashing“ um einen dehnbaren Begriff. Er reicht vom übertriebenen Marketing, bei dem sich Firmen als nachhaltiger ausgeben, als sie sind, bis zum Vorwurf des Betrugs. Eine einheitliche gesetzliche Definition von Greenwashing gibt es bislang nicht.

„Viele rote Linien überschritten“

Viele der damals zumindest intern kritisierten Unternehmen befinden sich noch heute im Portfolio des Blue Economy, wie Royal Caribbean oder die Aktien des Abfüllunternehmens von Coca-Cola. Nur die Aktien von Drax, dem britischen Kraftwerksbetreiber, verkaufte die DWS in diesem Sommer. Die Kreuzfahrtgesellschaft Royal Caribbean wollte sich auf Anfrage nicht äußern, ebenso wenig das Abfüllunternehmen von Coca-Cola. Drax verwies auf seine Nachhaltigkeitsstrategie, Kohle durch Biomasse –also Holz – zu ersetzen. Einige Unternehmen aus dem Fonds sagten, ihnen sei nicht bekannt gewesen, dass ihre Aktie in einem DWS-Fonds für Meeresschutz enthalten gewesen sei.

Kritik kommt vom Nachhaltigkeitsexperten Philippe Diaz, der viele Jahre für den WWF Deutschland gearbeitet hat und einem Beratergremium angehört, welches die Nachhaltigkeitsregulierung der EU entwickelt. „Für mich persönlich wurden viele rote Linien in dem Fall überschritten“, sagt Diaz: „Wenn man Kooperationen mit schwierigen Akteuren eingeht und das Panda-Logo, das für Umweltschutz steht, gibt, muss man klare Kante zeigen.“ Das geschehe gegenüber Kooperationspartnern aus der Wirtschaft nicht. Und da sei man auch ganz schnell beim Greenwashing. „Ich würde sagen, hier wurde von beiden Seiten sehr wahrscheinlich Greenwashing betrieben“, so Diaz. Schließlich hat der WWF einen Ruf zu verlieren: Als „Anwalt der Natur“ kämpft der World Wildlife Fund unter dem Panda-Logo seit mehr als 60 Jahren weltweit für den Umwelt- und Artenschutz. International ist die Organisation eine der größten ihrer Art.

Für den WWF sind Konzern-Kooperationen wichtig

Kritiker wie Diaz befürchten, dass sich der WWF auch deshalb weniger für die Nachhaltigkeit des Fonds einsetzt, weil die Umweltschutzorganisation zuletzt in Finanznot kam und vor wenigen Wochen Dutzende Mitarbeitende entlassen musste. Der WWF will seine Naturschutzarbeit kürzen, zusätzliche Einnahmen sollen von den umstrittenen Unternehmenskooperationen kommen. „Der WWF hat schon etwas von der Kooperation, ganz konkret, und zwar Geld“, sagt Diaz: „Und ich würde so weit gehen und sagen, dass es dem WWF schwerfällt, diesem Geld Tschüss zu sagen. Egal, was die DWS macht.“

Mindestens eine Million Euro Ertrag im Jahr bringen dem WWF die Geschäfte mit Deutscher Bank und der DWS, womit der Frankfurter Konzern einer der wichtigsten Kooperationspartner des WWF ist. Allein für die Verwendung des Panda-Logos für den Fonds soll die DWS pro Jahr eine Lizenzgebühr in Abhängigkeit des Fondsvolumens bezahlen, was derzeit auf 200 000 Euro pro Kalenderjahr hinausläuft. Dazu will sich die DWS nicht äußern.

Auch die frühere DWS-Nachhaltigkeitschefin Desirée Fixler sieht die Kooperation kritisch. Es sei unverständlich, dass die Zusammenarbeit sogar noch vertieft worden sei, als gegen die DWS bereits wegen Greenwashing ermittelt wurde. „Welche Umweltorganisation würde mit einem Vermögensverwalter zusammenarbeiten, gegen den wegen Greenwashing strafrechtlich ermittelt wird und der bereits von der Börsenaufsicht zu einer Strafzahlung verdonnert wurde?“ Ihrer Ansicht nach hat sich der WWF damit „kompromittiert“, also quasi kaufen lassen. Die DWS wiederum habe den WWF womöglich ganz gezielt an Bord geholt, um den Blue Economy Fonds nachhaltig erscheinen zu lassen, vermutet Fixler. „Ich habe mitbekommen, dass die DWS unbedingt den WWF auf diesem Produkt haben wollte“, erinnert sie sich. Die DWS teilte dazu mit, man schätze den WWF als kritisch-konstruktiven Partner. Der WWF teilte mit, die Vorwürfe und Ermittlungen der US-Börsenaufsicht SEC beträfen keine Bestandteile der Kooperation mit der DWS.

Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende hält die Kooperation ebenfalls für fragwürdig. Für ihn sei unklar, wie der Blue Economy den Meeresschutz unterstützen soll: „Ich würde erwarten, wenn ein Umweltverband einen Fonds mit aufsetzt, dass man sehr, sehr klar die ökologische Wirkung unmittelbar nachvollziehen kann oder der sehr klare Selektionskriterien hat. Und mein Eindruck ist, dass der Fonds das nicht leistet.“ Mit 280 Millionen Euro verwaltetem Vermögen ist der Fonds zudem eher klein, der Einfluss auf die Umwelt auch deswegen eher marginal.

Der WWF warb sogar mit einem Banken-Rating

Zu Fragen rund um die Kooperation und den Blue Economy möchte sich der WWF nicht äußern. Auf Anfrage von NDR, WDR und SZ teilte er mit, ihm sei der ökologische Umbau der Wirtschaft wichtig. „Um den Systemwandel zu beschleunigen, arbeitet der WWF Deutschland mit der DWS zusammen, um sie auf ihrem Weg zu unterstützen und kritisch zu hinterfragen.“ Ziel des Fonds sei nicht die grüne Vermarktung. Zur Auswahl konkreter Einzeltitel im Fonds könne und dürfe sich der WWF nicht äußern. Die DWS teilte mit, man schätze den WWF als kritisch-konstruktiven Partner: „Vor diesem Hintergrund arbeitet die DWS bereits seit einigen Jahren in verschiedenen Initiativen mit dem WWF zusammen.“ Der WWF unterstütze die DWS zum Beispiel bei ihrem kritischen Austausch mit den Unternehmen (dem sogenannten Engagement-Prozess), der Bewertung der Transformationsfähigkeit von Unternehmen und der Bewertung der sogenannten Engagement-Kandidaten, die man beeinflussen möchte.

Aber nicht nur die DWS kooperierte mit dem WWF, auch die Konzernmutter Deutsche Bank wollte offenbar vom Ruf der Umweltschutzorganisation profitieren. Für die Privatkundenbank evaluiert der WWF seit März 2023, alle Filialen zu „grünen Filialen“ umzuwandeln, heißt es in einem internen WWF-Dokument. Der WWF soll helfen, Strukturen, Prozesse und der Kundendialog nachhaltiger zu machen – eine Kooperation, die laut eines Sprechers der Deutschen Bank „von Anfang an bewusst nicht auf Marketing angelegt worden“ ist. Als „Sparringspartner“ sei der WWF an vielen Stellen hilfreich, etwa bei der fachlichen Schulung der Mitarbeiter. Kapitalströme sollten in nachhaltige Geschäftsmodelle gelenkt werden. „Auf diesem Weg begleitet uns der WWF mit seiner Expertise.“ Das Projekt war auf zwei Jahre angelegt und steht im März 2025 zur Verlängerung an.

Ohnehin hat der WWF offenbar eine grundsätzlich positive Sicht auf die größte deutsche Bank, die in der Vergangenheit mit so vielen Skandalen von sich reden machte: Im Rahmen eines „Bankenratings“ hatte der WWF bereits 2021 die Klimaschutztauglichkeit von 15 deutschen Banken untersucht: Verglichen mit 14 anderen konventionellen Banken, die für die Analyse berücksichtigt wurden, schnitt die Deutsche Bank dabei vergleichsweise gut ab: Im Bereich „Umwelt und Klima“ erhielt sie sogar die Note „zeitgemäß“. Was allerdings fehlte, war ein Hinweis auf die Kooperation mit der DWS. Warum hat der WWF auf diesen Interessenkonflikt nicht hingewiesen? Die DWS-Kooperation zu dem Fonds sei leider damals im Bankenrating 2021 nicht kenntlich gemacht worden, teilte der WWF mit. „Dies würden wir heute deutlich kenntlich machen.“

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