Süddeutsche Zeitung

Nachhaltige Finanzen:Das dunkelgrüne Geld wird hellgrün

Aus Angst vor dem Greenwashing-Pranger stufen viele Anbieter ihre Nachhaltigkeits-Fonds herunter. Auch die DWS macht ein bemerkenswertes Geständnis.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Lange sah es so aus, als könnten Fondsgesellschaften beim Thema Nachhaltigkeit nur gewinnen. Mit bunten Prospekten lockten sie Anleger in teure Fonds, die glaubten, damit auch noch etwas Gutes zu tun. Inzwischen ist daraus ein Geschäftsrisiko geworden, und die Angst vor dem Greenwashing-Pranger oder gar Klagen geht um: Still und heimlich stufen Fondsanbieter wie die sparkasseneigene Deka, die Deutsche-Bank-Tochter DWS oder Amundi derzeit ihre Wertpapierfonds um - von "dunkelgrün" auf "hellgrün". Die jeweiligen Anleger sind damit plötzlich in weniger nachhaltige Fonds investiert. Laut der Ratingagentur Morningstar wurden allein im dritten Quartal allein 41 Fonds auf diese Weise heruntergestuft. Besonders grüne Produkte fallen unter "Artikel neun" der EU-Verordnung für nachhaltige Geldanlage, die ausschließlich in nachhaltige Anlagen investieren dürfen. Die weniger ehrgeizigen Fonds unter Artikel acht.

Die größte deutsche Fondsgesellschaft DWS, wo Millionen Menschen ihr Vermögen verwalten lassen, hat bereits ihre ganz eigene Erfahrung mit Greenwashing gemacht. Seit mehr als einem Jahr steht die Frage im Raum, ob die DWS bei grünen Anlageprodukten getrickst hat. Eine Reihe von Behörden, von der US-Börsenaufsicht SEC bis hin zur Frankfurter Staatsanwaltschaft, prüft gleichzeitig Vorwürfe der früheren Nachhaltigkeitschefin Desirée Fixler: Sie warf ihrem Ex-Arbeitgeber im Sommer 2021 unter anderem vor, im Geschäftsbericht falsche Angaben gemacht zu haben, was der Konzern bestreitet. Als wenige Wochen später die Behördenprüfungen bekannt wurden, verlor die DWS, die selbst auch an der Börse notiert ist, auf einen Schlag eine Milliarde Euro Börsenwert. Und nach einer Razzia der Staatsanwaltschaft im vergangenen Mai musste dann auch der frühere Vorstandschef Asoka Wöhrmann gehen. Unlängst reichte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg eine wettbewerbsrechtliche Klage gegen die DWS ein. Der Vorwurf: "irreführende Werbung für angeblich nachhaltige Geldanlagen".

"Überschwängliches Marketing"

Die Glaubwürdigkeit wieder herstellen, das muss nun Stefan Hoops, der im Juni quasi über Nacht auf den Chefsessel der DWS katapultiert wurde - als vorläufiger Höhepunkt einer langen Karriere bei der Deutschen Bank. Er stimmt in Sachen Nachhaltigkeit inzwischen leisere Töne an als sein Vorgänger Wöhrmann, der beim Marketing wenig zurückhaltend war. "Wir fühlen uns weiterhin verpflichtet, nachhaltige Produkte anzubieten, aber es geht nicht darum, Weltklasse oder der beste Anbieter zu sein", sagte er am Donnerstag auf einem "Investorentag", wo er erstmals seine Strategie erläuterte und zugleich höhere Gewinnziele für 2025 versprach.

Eine interne Untersuchung zu den Vorwürfen sei fast abgeschlossen. Man stehe weiterhin zu den Finanzberichten und Prospekten. Die DWS hatte im Geschäftsbericht für 2021 nachträglich genau jene Passagen korrigiert, die die ehemalige Nachhaltigkeitschefin Fixler kritisiert hatte. Das habe allein regulatorische Gründe, sagte Hoops. Künftig will er die Vermarktung der Öko-Finanzprodukte besser kontrollieren, durch eine interne Aufsichtsstelle und direkte Berichtswege von Mitarbeitern zum Vorstandschef. Und ja, es habe eine ganze Zeit lang "überschwängliches Marketing" gegeben, gibt er zu. Das sei nicht mehr zeitgemäß.

Auch nach Fixlers Beobachtung sind viele Fondsgesellschaften vorsichtiger geworden, was sie auf den DWS-Skandal zurückführt. Die Amerikanerin, die gerade bei einer Veranstaltung der Organisation Finanzwende ausführlich Stellung nahm zu ihrem Fall, begrüßt die Neueinstufung vieler Fonds in Europa als "wirklich gute Entwicklung". Auch habe die britische Werbeaufsicht gerade die Großbank HSBC für eine irreführende Kampagne anlässlich der Weltklimakonferenz bestraft. In den USA schauten die Aufseher nun ebenfalls näher hin.

Andererseits tun sich viele Fondsgesellschaften schwer, ganz aus der Finanzierung fossiler Energien auszusteigen. Auch die DWS investiert - wie Deka und Union Investment - weiter im großen Stil in Öl, Gas und Kohle, was ihr bereits Kritik von Greenpeace und anderen Organisationen einbrachte. Anders als andere Anbieter habe die Fondsgesellschaft immer noch keine Richtlinie, wie sie mit Kohlefirmen umgehen wolle, moniert Greenpeace. In einem Jahr steigender Energiepreise verhalf das vielen Fonds zu guten Renditen. Aber ist es klimafreundlich? Es bringe wenig, Firmen auszuschließen, sagt Hoops, denn nur so könne man als großer Aktionär Druck auf die Unternehmen ausüben, damit sie sich verbessern. Dazu, wie das im Einzelnen abläuft, schweigt sich die DWS aber bislang aus und führt dafür abermals regulatorische Gründe an.

Wie begeistert aber ist Hoops wirklich von den vielen Fonds des eigenen Hauses, welche auch die Deutsche Bank fleißig bei Privatanlegern bewirbt? Dem Vernehmen nach hatte er zuletzt noch kein Geld in eigene Produkte angelegt. Am Donnerstag wollte er sich dazu nicht äußern. Das könne ja als Anlageempfehlung missverstanden werden. Aber die Fonds, die seien in jedem Fall "fantastisch."

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