Nachhaltigkeit:DWS: Weniger Klimaschutz wegen höherer Boni?

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Protestaktion der Umweltschutzorganisation Greenpeace vor dem Eingang des Vermögensverwalters DWS in Frankfurt/Main im Oktober vergangenen Jahres. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Können falsche Vergütungsanreize für Vorstände zu Greenwashing führen? Das wirft die Umweltorganisation Greenpeace der Deutsche-Bank-Tochter DWS vor und sagt: Ihr Bonus-System torpediere sogar wirksame Nachhaltigkeitsziele.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Hat die Deutsche-Bank-Tochter DWS sich selbst und ihre Wertpapierfonds grüner und nachhaltiger dargestellt als sie ist? Diesseits und jenseits des Atlantiks untersuchen mehrere Behörden seit fast zwei Jahren diesen Vorwurf, den die frühere DWS-Nachhaltigkeitschefin erhoben hatte. Wie die Sache ausgeht, ist noch offen. Während das Finanzunternehmen seine Unschuld beteuert, hat Vorstandschef Stefan Hoops aber schon eingestanden, dass die DWS unter seinem Vorgänger Asoka Wöhrman, der vor einem Jahr seinen Posten räumen musste, beim Marketing wohl etwas überschwänglich gewesen sei.

Analysten der Umweltorganisation Greenpeace werfen nun eine neue Frage auf, nämlich, ob auch der Vorstand der DWS persönlich davon profitiert haben könnte, dass die größte deutsche Fondsgesellschaft bei bestimmten Nachhaltigkeitszielen seit 2020 plötzlich auffällig geglänzt hat. So wies sie mit einem Mal ein besonders hohes Volumen an "nachhaltig verwaltetem" Vermögen auf.

Auch jenseits der DWS sind diese Fragen von Bedeutung: Immer häufiger sind die variablen Gehälter von Managern und Managerinnen an soziale Ziele und Umweltschutzmaßnahmen gebunden, nicht nur wie bisher an finanzielle Vorgaben. Deutschland ist der Beratungsfirma Willis Towers Watson zufolge sogar Vorreiter bei solchen Kriterien: Unter den Dax-Unternehmen knüpfen 98 Prozent die Vorstandsgehälter des Jahres an ESG-Kriterien, also daran, ob sich Firmenchefs auch um Umwelt (Environmental), Soziales und gute Unternehmensführung kümmern. Im US-Leitindex S&P 500 legen nur 69 Prozent der Firmen für Vorstandsgehälter ESG-Kriterien zugrunde.

Dennoch tasten sich viele Aufsichtsräte dabei offenbar noch vor: Schließlich sollen die Anreize weder zu lasch sein noch zu Greenwashing führen. Im Fall der DWS kommen die Greenpeace-Analysten zu dem Schluss, dass das Vergütungssystem sogar wirksame Klima- und Nachhaltigkeitsziele regelrecht torpediert habe und weiter torpediere. Ihre Analyse basiert auf den Geschäfts- und Vergütungsberichten. Bei der Gewichtung von Nachhaltigkeitszielen in der Vorstandsvergütung deute vieles darauf hin, dass ESG-Kriterien seit 2020 einen relevanten Einfluss auf die Vergütung gehabt hätten, vor allem des Vorstandschefs. "Die Ausgestaltung der bonusrelevanten Nachhaltigkeitsziele erweist sich jedoch als höchst problematisch", so die Analysten. Sie halten es sogar für möglich, dass die DWS allein durch den grünen Anstrich von Fonds, also das "Umetikettieren", bestimmte bonusrelevante Nachhaltigkeitsziele erreichen konnte.

So sei bei den Nachhaltigkeitszielen 2020 der Zuwachs des "ESG-spezifisch" verwalteten Vermögens eine wichtige Kennziffer gewesen. Das sei womöglich ein Anreiz für das Topmanagement gewesen, das Volumen an ESG-Fonds zu erhöhen. Tatsächlich stieg der Anteil des nachhaltigen Fondsvermögens von 2019 auf 2020 sprunghaft an. Ab 2021 berücksichtigte die DWS dann nur noch Zuflüsse in bereits nachhaltige Fonds - ein Eingeständnis, dass das System falsch angelegt war?

Ziele sollen ambitioniert, aber erreichbar sein

Ein Sprecher der DWS wies die Vorwürfe zurück. In die Vergütung flössen verschiedene Gruppenziele und individuelle Leistungsindikatoren ein, die den langfristigen Erfolg der Gesellschaft sicherstellen sollen. Dazu gehörten auch ESG-Ziele. Die absolute Höhe des nachhaltig verwalteten Vermögens sei aber weder für 2020 noch jetzt eine "wesentliche vergütungsrelevante Zielgröße für die Geschäftsführung". Mit anderen Worten: selbst wenn man an den Zahlen habe drehen wollen, es hätte sich für den Vorstand gar nicht gelohnt. Tatsächlich lässt sich von außen schwer sagen, wie stark die ESG-Ziele für den individuellen Erfolg gewichtet wurden. Greenpeace zufolge deuten mehrere Indikatoren darauf hin, dass dies relevant war, was in DWS-Kreisen zurückgewiesen wird. Verantwortlich für die Vergütung ist und war Aufsichtsratschef und Deutsche-Bank-Vorstand Karl von Rohr, der sich dazu nicht äußern wollte.

Vergütungsexperten raten dabei durchaus zu relevanten Zielen. "Die nicht-finanziellen Ziele sollten ungefähr 20 Prozent der variablen Vergütung ausmachen", sagt Regine Siepmann, Vergütungsexpertin bei der Beratungsfirma HKP. Idealerweise sollten die Boni in dem Bereich an den langfristigen Zielen ausgerichtet werden. Außerdem sollten sie bedeutsam sein für die Strategie, sagt Siepmann. So sei die Frage des CO₂-Austoßes für ein Industrieunternehmen natürlich deutlich wichtiger als für ein Dienstleistungsunternehmen. Die Ziele sollten außerdem ambitioniert, aber dennoch erreichbar sein. Schwer erfüllbare Vorgaben würden die Vorstände sonst einfach abhaken und sich womöglich gar nicht mehr darum kümmern.

Vergütung auf dem Niveau großer Dax-Konzerne

Auffällig bei der DWS waren dabei auch die für 2021 eher ambitionslosen Ziele zur Förderung von Frauen in Führungspositionen - ebenfalls ein Indikator für die Vergütung. Ende 2020 waren bereits 27 Prozent der ersten Führungsebene unterhalb der Geschäftsführung der DWS weiblich. Auf der zweiten Ebene 28,2 Prozent. Dennoch hat sich die DWS für diese beiden Ebenen für Ende 2021 lediglich die Ziele von 26 Prozent beziehungsweise 29 Prozent gesetzt, und damit die Ziele zu Beginn des Jahres übererfüllt und fast erfüllt. Immerhin: Inzwischen will die DWS bis 2024 auf der ersten Ebene 32 Prozent der Positionen mit weiblichen Führungskräften besetzen sowie 33 Prozent auf der zweiten Führungsebene.

Aber auch die absolute Höhe der Chef-Vergütung bei der DWS wirft Fragen auf, nicht nur bei Greenpeace. Auch der Stimmrechtsberater Glass Lewis, der institutionelle Anleger bei der Abstimmung auf Hauptversammlungen berät, hatte sie im vergangenen Jahr als "exzessiv" kritisiert. Die Vergütung sowohl von Wöhrmann (2021: 6,9 Millionen Euro) als auch von Stefan Hoops (Gesamtvergütung wohl 7,2 Millionen Euro) befand und befindet sich demnach auf dem Niveau großer Dax-Konzerne und übersteigt auch den Mittelwert der Vergütung von Chefs im MDax oder SDax um ein Vielfaches. "Unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße", so Greenpeace, "dürfte der DWS-Chef sogar der mit Abstand Deutschlands bestbezahlter Manager eines Aktienunternehmens sein". Die Verhältnismäßigkeit und somit ein Grundprinzip der nachhaltigen Vergütung scheine nicht gegeben.

Und überhaupt: Wie kann die DWS glaubwürdig als aktiver Investor auftreten, wenn die Fondsgesellschaft selbst in der eigenen Vorstandsvergütung davon abweicht? Als Treuhänder für die Fondsanleger kritisiert die DWS schließlich auch andere Unternehmen auf Hauptversammlungen für schlechtes Management oder überzogene Boni. Ein Sprecher der DWS sagte, die Vergütung sei marktüblich und orientiere sich an der Bezahlung bei anderen großen internationalen Fondsgesellschaften. Wie es 2022 um die Marktüblichkeit bestellt war, das wird der Vergütungsbericht zeigen, den die DWS an diesen Freitag veröffentlichen wird.

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