Geldanlage:Grobes Foul von Klopps Freunden

Geldanlage: Noch mindestens bis 2025 Werbegesicht der DVAG, wenn auch hier verfremdet: Fußballtrainer Jürgen Klopp. Zumindest für ihn dürfte sich das auch rechnen.

Noch mindestens bis 2025 Werbegesicht der DVAG, wenn auch hier verfremdet: Fußballtrainer Jürgen Klopp. Zumindest für ihn dürfte sich das auch rechnen.

(Foto: DVAG/Bearbeitung SZ)

Der Finanzvertrieb DVAG hat eine neue Einnahmequelle entdeckt: Bei fondsgebundenen Lebensversicherungen kassiert er nicht nur beim Versicherer, sondern auch bei den Fonds. Zahlen müssen das die Kunden.

Von Herbert Fromme, Köln

Fußballtrainer Jürgen Klopp gibt sich weise: "Als Coach selber gecoacht werden, kann ich nur empfehlen", sagt er im Werbespot für den Finanzvertrieb DVAG, gedreht unter Kitesurfern am Strand. Sich von Experten beraten lassen, daraus entstehe Erfolg, meint Klopp - und rät er den Zuschauern, sich von DVAG-Vertretern Verträge verkaufen zu lassen.

Erfolg mag das wohl Erfolg bringen, vor allem aber für die Deutschen Vermögensberatung AG und Klopp, dessen lukrativer Vertrag mit dem Finanzvertrieb noch bis 2025 läuft. Die Kunden dagegen dürften weniger davon haben. Denn die DVAG kassiert hohe Provisionen von den Versicherern, die am Ende immer die Kunden mit ihren Beiträgen aufbringen müssen. Und jetzt setzt das Unternehmen mit Sitz in Frankfurter noch einen drauf: Nach SZ-Informationen kassiert die DVAG bei fondsgebundenen Lebensversicherungen sogar aus zwei Quellen. Neben der Generali Lebensversicherung, die Provisionen zahlt, überweisen auch die Fonds, bei denen das Geld der Generali-Kunden angelegt wird, erhebliche Summen an die DVAG.

Unter Fußballern könnte man so etwas als grobes Foul bezeichnen. Denn weder DVAG noch Generali und schon gar nicht die Fonds informieren ihre Kunden über diese Zahlungsströme. Für sie werden die fondsgebundenen Policen dadurch noch intransparenter.

Möglicherweise geht nicht nur die DVAG so vor. Auch andere Vertriebe sollen Forderungen stellen, die Finanzaufsicht Bafin macht sich jedenfalls große Sorgen. Axel Kleinlein, Vorstandssprecher der Verbraucherschutzorganisation Bund der Versicherten, kritisiert "eine ganz klare Umgehung der gesetzlichen Regeln für die Beteiligung der Kunden an den Ergebnissen".

Die Kosten sind unglaublich hoch, die Rendite deshalb oft winzig

Bei fondsgebundenen Lebensversicherungen werden Fonds in einen Versicherungsmantel gepackt. Der Vorteil gegenüber der direkten Anlage in Fonds sei die Steuer, argumentieren Vermittler und Versicherer: Bei Auszahlung ist die Hälfte des Ertrags steuerfrei, wenn der Vertrag zwölf Jahre Bestand hatte und der Versicherte mindestens 63 Jahre alt ist. Zudem seien die jährlichen Überschüsse steuerfrei, ebenso wie das Umschichten von Fonds.

Allerdings relativieren sich diese Vorteile schnell, wenn man genau hinsieht, Sparerfreibeträge einrechnet und weiß, dass die Steuer oft nur aufgeschoben ist, aber irgendwann doch fällig wird. Zudem sind die Fondspolicen unglaublich teuer. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg nennt ein Beispiel für den Renditeverlust: Eine Kundin hatte Ende 1999 bei der Generali abgeschlossen und 10 470 Euro eingezahlt. Am 1. Oktober 2020 betrug der Wert der Police lediglich 11 275 Euro - obwohl die Aktienmärkte gut liefen in den letzten 20 Jahren. Verantwortlich für die katastrophal niedrige Rendite sind hohe Provisionen für den Vertrieb und Kostenbelastungen der Fonds. "Eine Mischung aus ETF und Festgeld im Verhältnis 45 Prozent zu 55 Prozent hätte im Vergleichszeitraum zu einem Vermögen von 17 288 Euro geführt", rechnet Nauhauser vor. "Der Vermögenszuwachs hätte 6818 Euro betragen statt 805 Euro bei der Fondspolice, die Rendite 5,2 Prozent pro Jahr statt 0,8 Prozent." Bei einer anderen Versicherungskundin kamen bei 20 099 Euro an Einzahlungen nach 16 Jahren nur magere 21 643 Euro heraus, eine Rendite von 1,04 Prozent.

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Denn an Kunden, die eine fondsgebundene Lebensversicherung über die DVAG abschließen, wollen mindestens drei Unternehmen verdienen: Der Finanzvertrieb selbst, der Versicherer, der die Police ausstellt und die Fondsgesellschaft, bei der das Geld schließlich angelegt wird.

Konkret funktioniert das so: Der Kunde überweist seine Beiträge, davon behält zunächst Generali die Verwaltungskosten ein und zahlt eine Provision an den Vermittler DVAG. Solche Großvertriebe können fünf Prozent und mehr verlangen - und zwar fünf Prozent von allen Zahlungen, die der Kunde leistet. Wenn er 200 Euro im Monat spart und einen Vertrag über 30 Jahre abschließt, zahlt er insgesamt 72 000 Euro - wovon dann 3600 Euro als Provision an den Vermittler gehen.

Die Beiträge minus Kosten werden dann in Fonds angelegt. Fondsgesellschaften wie die DWS nehmen ebenfalls Gebühren vom Kunden, bei Aktienfonds sind das jährlich 1,5 Prozent oder mehr der angelegten Summe, bei Rentenfonds etwa die Hälfte. Dazu kommen noch Kosten für Umschichtungen und andere Belastungen wie die Leistungsgebühren, oft 20 Prozent der Wertsteigerung eines Fonds. Einen Teil dieser dem Kunden abgezogenen Summe zahlt die Fondsgesellschaft wiederum an den Versicherer, die sogenannten Kickbacks. Sie liegen meist bei jährlich 0,2 bis 0,7 Prozent der angelegten Summe. Ein Teil des Geldes fließt allerdings bei den meisten Gesellschaften an die Kunden zurück.

Die Finanzaufsicht gibt sich besorgt

Die DVAG hat nun ein weiteres Modell für höhere Einnahmen gefunden: Sie verhandelt direkt mit den Fonds, in denen der Lebensversicherer das Geld des Kunden anlegt - und verlangt ebenfalls Kickbacks, die definitiv nicht an die Kunden gehen. Der Finanzvertrieb kassiert damit doppelt, einmal vom Versicherer, und noch einmal von der Fondsgesellschaft. Bezahlen muss das alles am Ende der Kunde. Denn dessen Rendite und damit seine Altersvorsorge fällt dadurch niedriger aus.

Bei der DVAG läppert sich das zusammen: 2020 nahm die Firma 1,98 Milliarden Euro ein, fast alles davon waren Provisionen. Dazu, dass Kunden doppelt abkassiert würden, will man sich nicht äußern. Die fondsgebundenen Produkte erfüllten "sämtliche Anforderungen an Kundeninformationen sowie aufsichtsrechtliche Pflichten und Vorgaben", erklärt eine Sprecherin nur. Auch die Generali, selbst mit 40 Prozent an der DVAG beteiligt, sagt nichts Konkretes. Die Kunden seien über die bei der Generali und bei den Fonds anfallenden Kosten informiert, heißt es nur.

Das mag stimmen - aber sind die Kunden auch darüber informiert, dass die Fondsgesellschaften auch direkte Zahlungen an die DVAG leisten? Das Problem daran ist klar: Ein DVAG-Vertreter könnte ein besonderes Interesse daran haben, gerade Policen mit solchen Fonds zu verkaufen, von denen die DVAG zusätzliche Kickbacks erhält. Dieses Risiko sieht auch die Bafin. Zum konkreten Fall will sie zwar nichts sagen, wird aber ansonsten ungewöhnlich deutlich: Mit Provisionen könnten "Fehlanreize beim Vertrieb von Versicherungsprodukten" gesetzt werden. Außerdem seien sie ein Kostenfaktor, der die Rendite mindert. Und offensichtlich erkennen die die Aufseher auch ein aktuelles Problem: "Die Bafin geht dem Thema Vertriebsvergütung schon seit einiger Zeit als Aufsichtsschwerpunkt nach."

Mögliche Kickback-Zahlungen von Fondsgesellschaften an Vertriebe muss der Versicherer kennen und berücksichtigen, verlangt die Bafin. "Nur dann erfüllt ein Versicherer die gesetzlichen Vorgaben, weil er nur dann beurteilen kann, ob es zusammen mit Provisionszahlungen zu Fehlanreizen kommen kann", antwortet die Behörde auf SZ-Anfrage. Zudem könne der Versicherer erst dann beurteilen, ob das Verhältnis von Preis und Leistung "aus Kundensicht angemessen ist".

Wie ernst der Aufsichtsbehörde das Thema ist, machte kürzlich Frank Grund deutlich, Chef der Versicherungsaufsicht. "Fest steht, dass die Produkthersteller sich intensiv mit ihren Vertriebskosten und dem Preis-Leistungs-Verhältnis befassen müssen", sagte er zur Rolle der Versicherer. "Oder, genauer gesagt, mit der Frage, wie sich Kosten - also unter anderem Vergütungen - auf die Rendite auswirken." Und dabei beließ Grund es nicht. "Es sieht so aus, als habe der eine oder andere Versicherer hier noch Verbesserungspotential", ließ er die Branche noch wissen - gefolgt von einer leisen Drohung: "Wir schauen uns das gerade sehr genau an, auch die Kickback-Zahlungen von Fondsanbietern an Versicherer und Vertrieb."

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