Durchbruch beim Treffen in Luxemburg:EU will Spekulationsgeschäfte besser kontrollieren

Wie lassen sich die hypernervösen Finanzmärkte beruhigen? Der Plan der EU-Finanzminister: Sie wollen den Handel mit den sogenannten Derivaten transparenter machen. Die hochspekulativen und bisher kaum kontrollierbaren Finanzwetten verursachen mitunter heftige Turbulenzen an den internationalen Märkten.

Cerstin Gammelin und Markus Zydra

Die Europäische Union plant eine stärkere Kontrolle hochriskanter Wertpapier-Geschäfte. Darauf haben sich am Dienstag die EU-Finanzminister geeinigt. Ziel ist es, den Handel mit sogenannten Derivaten sicherer und erstmals transparent zu machen. Der unkontrollierte weltweite Handel mit diesen spekulativen Papieren gilt als Hauptauslöser der Finanzkrise vor drei Jahren.

Derivate werden zumeist nicht an den Börsen gehandelt. Deshalb fehlt den nationalen Finanzaufsichtsbehörden ein Überblick über die Risiken in den Bankbilanzen. Die jetzt geplante Reform hat zwei Elemente: Zum einen sollen die Geschäfte künftig in sogenannte Transparenzregister eingetragen werden. Zum anderen sollen sie über Clearingstellen abgewickelt werden, die bei einer Pleite wie eine Versicherung die Verluste des Käufers erstatten. So soll verhindert werden, dass ein Marktteilnehmer im Falle des Zusammenbruchs die anderen mitreißt und so das Finanzsystem gefährdet.

Die außerbörslichen Derivategeschäfte haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen: Weltweit werden diese Papiere im Wert von 500 Billionen Dollar gehandelt. Laut EU-Kommission werden 80 Prozent der Papiere direkt zwischen Vertragspartnern gehandelt, ohne jegliche Kontrolle. Die Aufsicht und Absicherung der Geschäfte ist ein Ziel, auf das sich die G-20-Staaten bereits vor zwei Jahren verpflichtet haben.

Griechenland steht weiter vor der Insolvenz. Die Euro-Finanzminister beschlossen am Dienstag in Luxemburg, die Entscheidung über die Auszahlung der nächsten Hilfstranche erneut zu verschieben. Sie soll nun frühestens im November ausgezahlt werden. Das Land müsse "ein bisschen mehr dafür tun", sagte Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker. Bisher hatten die EU-Kommission und Griechenland erklärt, die nächste Rate von acht Milliarden Euro müsse bis Mitte Oktober überwiesen werden, sonst sei das Land zahlungsunfähig.

Offensichtlich ist die Lage doch nicht so prekär. Finanzminister Evangelos Venizelos sagte, sein Land könne sich bis Mitte November selbst finanzieren. Die Inspektoren der Kreditgeber, die "Troika", prüfen noch bis Ende dieser Woche, ob Athen die Konditionen zur Auszahlung der nächsten Tranche erfüllt. Die griechischen Fluglotsen kündigten an, aus Protest gegen die Sparpolitik den Luftverkehr an diesem Mittwoch stillzulegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte vehement vor einer Umschuldungsdebatte. Ein Schuldenschnitt berge die Gefahr, dass auch andere Euro-Staaten diesen Weg aus der Verschuldung suchen könnten, sagte sie in Magdeburg.

Das Treffen in Luxemburg war von schlechten Nachrichten aus der Finanzbranche überschattet. Da die Banken einander nicht mehr trauen, parken sie derzeit so viel Geld bei der Europäischen Zentralbank wie lange nicht mehr. Die eintägigen Einlagen der Geschäftsbanken stiegen erstmals seit mehr als einem Jahr über die Marke von 200 Milliarden Euro. Die belgisch-französische Großbank Dexia geriet ins Schlingern. Brüssel und Paris wollen das Institut notfalls mit Geld versorgen. Die Ratingagentur Moody's wertete Italiens Staatsanleihen auf "A2" mit negativem Ausblick ab.

Die Deutsche Bank korrigierte ihren avisierten Rekordgewinn von zehn Milliarden Euro vor Steuern für 2011. Dies lasse sich wegen der Schuldenkrise nicht realisieren, sagte der Vorstandsvorsitzende Josef Ackermann. Anleger reagierten verstört auf die schlechten Nachrichten, der Dax verlor zeitweise bis zu vier Prozent.

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