Süddeutsche Zeitung

Diesel-Klagen:Ist die Deutsche Umwelthilfe nur ein Abmahnverein?

  • Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat anders als viele andere Umweltorganisationen eine Befugnis zu klagen und abzumahnen.
  • Ein von einer Abmahnung betroffener Autohändler stellt die Rechte der DUH in Frage.
  • Jetzt muss der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden - und signalisierte, dass die DUH womöglich keine Niederlage vor dem BGH erleiden wird.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist in der Politik derzeit nicht wirklich beliebt. Die CDU möchte dem umtriebigen Verband, der so erfolgreich Dieselfahrverbote eingeklagt hat, am liebsten die Gemeinnützigkeit aberkennen lassen. Zudem hat sich die Bundesregierung in Brüssel dafür eingesetzt, die geplante EU-Verbandsklage so zu formulieren, dass die DUH nicht klageberechtigt wäre.

Da käme der Regierung vermutlich ein Urteil aus Karlsruhe ganz gelegen, das die DUH als gewinnsüchtigen Abmahnverein abgestempelt hätte. Über den Prozess zwischen DUH und einem Autohaus, das genau dies erreichen will, hat an diesem Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt. Weil der Vorsitzende Richter schon mal die "vorläufige Einschätzung" des Senats preisgegeben hat, lässt sich aber vorhersagen: Zur Niederlage des Vereins, auf die manche hoffen, wird es wohl nicht kommen.

"Wir haben hier schon eine besondere Organisation"

Die DUH hatte den baden-württembergischen Händler abgemahnt, weil er Kraftstoffverbrauch und Kohlendioxid-Emissionen für einen Neuwagen im Internet nicht ordnungsgemäß angegeben, sondern lediglich auf einen Leitfaden im Autohaus verwiesen hatte. Der Händler hielt die Abmahnung für rechtsmissbräuchlich und wollte das Gebaren des Vereins ganz grundsätzlich infrage stellen. Der DUH gehe es nicht in erster Linie um Verbraucherinteressen, sondern um finanziellen Gewinn.

Damit wollte er das privilegierte Klagerecht der DUH ins Wanken bringen, das ihr - anerkannt als "qualifizierte Einrichtung" nach dem Unterlassungsklagegesetz - normalerweise zusteht. "Wir haben hier schon eine besondere Organisation", merkte Brunhilde Ackermann, Anwältin des Händlers, süffisant an: Vor Gericht treibe die DUH die Streitwerte nach oben, außerdem sei sie viele Jahre von Toyota gefördert worden und habe den Hersteller dafür wohl geschont - eine Behauptung, der die Umwelthilfe umgehend widersprach: Es habe etwa 300 Verfahren gegen Toyotahändler gegeben.

Vor allem aber ging es der Anwältin um die Überschüsse der DUH aus der sogenannten "Marktüberwachung", also aus Abmahnungen und Vertragsstrafen. Das waren 400 000 Euro im Jahr 2015 und 240 000 Euro im Jahr darauf; das ist freilich nur ein Bruchteil der gesamten Erträge, die 2014 bei knapp 8,3 Millionen Euro lagen. Jedenfalls sei der Überschuss missbräuchlich verwendet worden, weil er vorwiegend in "politische Kampagnen" geflossen sei. Und eben nicht in den Verbraucherschutz, für den der DUH Klagebefugnis verliehen worden sei.

Bloß weil die DUH Überschüsse erziele, sei ihre Arbeit noch lange nicht anrüchig, sagt der Richter

DUH-Anwalt Norbert Tretter konterte kühl mit dem Hinweis, dass es doch gerade von einer konsequenten Verfolgung der in ihrer Satzung genannten Ziele zeuge, wenn die DUH durch das Vorgehen gegen Rechtsverstöße Gewinne mache. Man könne ja nicht aufhören, sobald man Erfolg habe.

Und die Überschüsse seien zur Aufklärung über Stickoxid bei Dieselfahrzeugen sowie über Schadstoffemission durch Holzheizung eingesetzt worden - also für Verbraucherinformation reinsten Wassers. Remo Klinger, der die Umwelthilfe vor den unteren Instanzen vertritt, ergänzte am Rande der Verhandlung: "Gelder aus der Marktüberwachung sind niemals in Klagen zu den Dieselfahrverboten geflossen."

Schon zu Beginn hatte der Senatsvorsitzende Thomas Koch deutlich gemacht, dass für den Kläger wohl nicht viel zu holen ist. Das finanzielle Gebaren der Umwelthilfe sei nur eingeschränkt vom BGH kontrollierbar, denn dafür sei in erster Linie das Bundesamt für Justiz zuständig, das die Liste der zu Verbandsklagen befugten "qualifizierten Einrichtungen" erstellt.

Überprüfen könne der BGH zwar schon, ob es einem Verband vorwiegend ums Geld gehe und nicht um die Interessen der Verbraucher. Dass dies bei der Umwelthilfe so sein könnte, dafür sah Koch aber keine Anhaltspunkte. "Allein die Tatsache, dass Überschüsse erzielt werden, ist kein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten." Auch die Streitwerte, die der Verein oft mit 30 000 Euro veranschlagt, seien nicht überhöht - und würden zudem von den Gerichten selbst festgesetzt. Und die angebliche Schonung des früheren Sponsors Toyota? Dazu gebe es in dem Verfahren keine Feststellungen. Ein Urteil wird am 4. Juli verkündet.

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SZ vom 26.04.2019/hgn
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